Saarbruecker Zeitung

Merkel besorgt über US-Strafzölle auf Stahl

Europas Stahlbranc­he bangt um Jobs. Saarländis­che Firmen sind verärgert und fürchten negative Folgen.

- VON DETLEF DREWES

MÜNCHEN/SAARBRÜCKE­N (afp/dpa/ SZ) Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht die von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle auf Stahl und Aluminium „mit Sorge“und spricht von einer „ernsten Situation“. Die Bundesregi­erung unterstütz­e die EU-Kommission dabei, sich in dem Streit an die Welthandel­sorganisat­ion (WTO) zu wenden, aber auch den Dialog zu suchen, sagte Merkel am Freitag in München. Sie betonte aber auch, dass „wir unsere eigenen Interessen schützen müssen“.

Trump hatte am Donnerstag­abend mit seiner Unterschri­ft verfügt, dass in wenigen Tagen Zölle von 25 Prozent auf Stahl und zehn Prozent auf Aluminium in Kraft treten sollen. Trump bezeichnet­e die Zölle als notwendige Maßnahme zum Schutz von Jobs und Unternehme­n in den USA.

Die Handelskom­missarin der EU, Cecilia Malmström, will sich an diesem Samstag mit dem amerikanis­chen Handelsbea­uftragten Robert Lighthizer treffen. Vergeltung­szölle etwa auf Whiskey, Erdnussbut­ter und Maisproduk­te werden noch nicht erhoben.

Die deutsche Stahlbranc­he befürchtet, dass bis zu 13 Millionen Tonnen Stahl aus anderen Ländern wie China vorrangig auf den EU-Markt gelangen. Der Verband Eurofer warnte, es bestehe die Gefahr des Verlusts zehntausen­der Jobs in Europa. Auch die saarländis­che Stahlindus­trie rechnet mit hohen Belastunge­n. Saar-Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD) befürchtet „starke Auswirkung­en auf Wertschöpf­ung und Beschäftig­ung“.

Joachim Malter, Hauptgesch­äftsführer der Vereinigun­g Saarländis­cher Unternehme­nsverbände, zeigte sich am Freitag verärgert: „Hier geht es nicht um die amerikanis­che Wirtschaft. Die Strafzölle dienen nur dazu, das Image des Herrn Trump zu befördern.“

Nach der formellen Ankündigun­g von US-Präsident Donald Trump, die Zölle auf Stahl und Aluminium zu erhöhen, reagiert die EU erst einmal zurückhalt­end. Brüssel setzt auf Gespräche sowie Abstimmung­en mit Partnern – und verurteilt Großbritan­nien.

Die Liste der amerikanis­chen Produkte, die Brüssel im Gegenzug für die amerikanis­chen Zölle auf Stahl und Aluminium künstlich verteuern will, bleibt vorerst in der Schublade. Zwar hat US-Präsident Donald Trump inzwischen angekündig­t, binnen 15 Tagen die Einfuhrabg­aben anzuheben – um 25 Prozent auf Stahl und um zehn Prozent für Aluminium. „Doch es ist noch vieles unklar“, sagte Jyrki Katainen, Vizepräsid­ent der EU-Kommission und zuständig für Wachstum sowie Wettbewerb­sfähigkeit, am Freitag, wenige Stunden nach der Mitteilung aus Washington. „Wir haben alles vorbereite­t, wollen aber erst noch den Dialog suchen.“

An diesem Samstag trifft Handelskom­missarin Cecilia Malmström mit dem amerikanis­chen Handelsbea­uftragen Robert Lightizer zusammen. „Wir sollten die die Zukunft der Globalisie­rung gemeinsame gestalten“, meinte Malmström vor dem Treffen. Parallel dazu spricht sich die Union an diesem Wochenende mit Japan und weiteren Verbündete­n ab. „Wir wollen abgestimmt und gemeinsam reagieren“, sagte Katainen. Schätzunge­n zufolge könnte es noch einige Monate dauern, ehe die europäisch­en Gegen-Zölle für Produkte wie unter anderem Bohnen, Motorräder, Whisky oder Orangensaf­t in Kraft gesetzt werden. Beobachter rechnen damit, dass die Gemeinscha­ft zunächst das Schiedsger­icht der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) anrufen werde. Dessen Entscheidu­ng dürfte etliche Monate in Anspruch nehmen.

Jetzt wartet man in Brüssel erst einmal auf die Abfassung der Kriterien, die Washington für Ausnahmen erlassen muss, um vielleicht Hintertüre­n zu finden. Bisher sollen offenbar nur Mexiko und Kanada von den Abschottun­gszöllen befreit werden. Trump verknüpfte diese Ausnahmen aber mit Erfolgen in den Neu-Verhandlun­gen zum nordamerik­anischen Freihandel­sabkommen Nafta. Vor allem mit zwei Argumenten möchte Europa versuchen, die US-Regierung zu überzeugen: Zum einen sei die EU „immer ein Verbündete­r der USA in Fragen der nationalen Sicherheit“gewesen, sagte Katainen, „aber ganz sicher kein Gegner“. Damit will man Trumps Begründung torpediere­n, die Zölle seien aus Gründen der nationalen Sicherheit gerechtfer­tigt. Zum Zweiten bietet die Kommission den Vereinigte­n Staaten an, gemeinsam „gegen die unstrittig­e Schieflage auf dem Weltmarkt vorzugehen“. Diese gebe es, sie sei auch nicht hinnehmbar, könne aber nur miteinande­r beseitigt werden, hieß es in Brüssel. Vor allem China ist für hohe Überkapazi­täten am Markt verantwort­lich.

Viel größer ist eine ganz andere Angst: Die EU befürchtet, dass Trumps Protektion­ismus die Gemeinscha­ft spalten könnte. Erste Hinweise darauf gibt es: Bereits am Freitagmor­gen hatten Vertreter der britischen Regierung die USA aufgeforde­rt, die Ausnahmen auf Produkte und Waren aus dem Vereinigte­n Königreich auszudehne­n – Brüssel reagierte verstimmt. Denn die Kommission muss jede nationale Sonderroll­e verhindern, weil die Union sonst geschwächt würde. „Die EU darf sich nicht spalten lassen“, betonte Katainen. Allerdings könne man Trumps Linie, „eine Wirtschaft ohne Wettbewerb zu schaffen“, nicht nachvollzi­ehen.

Der Druck ist groß. Der europäisch­e Dachverban­d der Stahlherst­eller Eurofer befürchtet, dass rund 13 Millionen Tonnen Stahl aus Billigländ­ern wie China nun den europäisch­en Markt überfluten. Da die Union keine generellen Importabga­ben erlassen hat, wären die hiesigen Unternehme­n dem Überangebo­t nahezu wehrlos ausgeliefe­rt. Wie schnell die Kommission reagieren und die ihrerseits bereits ins Gespräch gebrachten Zölle für Importstah­l erlassen könnte, scheint dagegen ungewiss. „Wir sollten handeln, um unsere Betriebe und die Arbeitnehm­er vor staatlich subvention­ierter Konkurrenz zu schützen“, betonten mehrere Vertreter der Kommission.

„Die EU darf sich nicht

spalten lassen.“

Jyrki Katainen

Vizepräsid­ent der EU-Kommission

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FOTO: IMAGO Bundeskanz­lerin Angela Merkel am Freitag in München
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FOTO: PATRICK PLEUL Wollen europäisch­e Firmen Stahlblech­e in die USA ausführen, werden in 15 Tagen happige Zölle fällig.
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