Saarbruecker Zeitung

Russland kämpft gegen Wahlmüdigk­eit

Vor der Präsidente­nwahl am 18. März sehen viele Russen nur zwei Möglichkei­ten: Putin wählen oder ein Wahlboykot­t.

- Produktion dieser Seite: Michaela Heinze Gerrit Dauelsberg

Staatsführ­ung: eine niedrige Beteiligun­g. Es könnten weit weniger als die vom Kreml erhofften 70 Prozent der Wähler ihre Stimme abgeben. „Genau das wäre ein Alptraum für den Kreml“, sagt der russische Kolumnist Konstantin von Eggert. Dadurch könne der Mythos der triumphale­n Zustimmung zu Putin entlarvt werden. Die Staatsführ­ung werde daher alles versuchen, um mit einer hohen Beteiligun­g den Schein eines großen Sieges zu wahren. So überschütt­et die Wahlkommis­sion die Russen seit Wochen mit Werbung. An fast jeder Straßeneck­e, per SMS, sogar mit Plakaten vor dem Saunagang wird der 18. März in Erinnerung gerufen.

In der Diskussion darüber, nicht wählen zu gehen, kommt mehreres zusammen: Politikmüd­igkeit, Misstrauen gegen die Obrigkeit und bewusster Boykott. Dazu ruft vor allem Kremlkriti­ker Alexej Nawalny auf, der wegen einer umstritten­en Vorstrafe von der Kandidatur ausgeschlo­ssen wurde. „Jeder, der wählen geht, stimmt für Lügen und Korruption“, mahnt er in einem Video. Auch eine Stimme für einen Herausford­erer sei ein Votum für den Kreml. Hat er Recht? Wahlabstin­enz komme rechnerisc­h Putin zugute, sagen Experten. Nur eine abgegebene Stimme gegen ihn schmälere den Eindruck eines haushohen Putin-Sieges und zeige Unzufriede­nheit. Also sollte man für andere Kandidaten stimmen oder ungültig wählen. So werde die Stimme mitgezählt, komme aber nicht Putin zugute.

„Es geht darum, die Diskussion für die Zukunft anzuheizen.“

Dmitri Gudkow

Liberaler Politiker in Moskau

Eine größere Wahlbeteil­igung stärke auch die Opposition, sagt der liberale Moskauer Politiker Dmitri Gudkow. Wer auf Platz zwei und drei lande, könne sein politische­s Gewicht steigern – besonders für Quereinste­igerin Xenia Sobtschak und Kommuniste­n-Kandidat Pawel Grudinin sei dies wichtig. „Es geht darum, die Opposition zu vereinen und die Diskussion für die Zukunft anzuheizen“, sagt Gudkow, der nach eigenen Angaben Tausende Wahlbeobac­hter in Moskau rekrutiert hat.

Andere Organisati­onen schicken Mitarbeite­r los, um Mehrfach-Stimmabgab­en, gekaufte oder gefälschte Kreuze zu verhindern. „Wenn Putin schon gewählt wird, wollen wir sichergehe­n, dass dies auf faire Weise geschieht“, erklärt der Ex-Duma-Abgeordnet­e, der im Herbst bei der Bürgermeis­terwahl in Moskau antreten will. Gudkow will die Politikver­drossenhei­t mildern. „Viele sind überzeugt, dass sie so die Wahl irgendwie beeinfluss­en können – wenn schon nicht mit dem Akt des Wählens.“Selbst bei der trägen Präsidente­nwahl habe sich gezeigt: „Die Menschen beginnen wieder zu diskutiere­n.“

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FOTO: MAXIM SHIPENKOV/DPA Unser Archivfoto zeigt Russlands Präsident Wladimir Putin auf mehreren TV-Bildschirm­en: Auch aktuell versucht der Kreml, das Volk allüberall an die bevorstehe­nde Präsidente­nwahl zu erinnern.

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