Saarbruecker Zeitung

Was uns staatsmänn­ische Schweine lehren

In der Sparte 4 des Saarländis­chen Staatsthea­ters gelingt Regisseur Krzystof Minkowski eine sehr sehenswert­e Bühnenfass­ung von Orwells „Farm der Tiere“– auch dank eines vorzüglich­en Ensembles.

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Tieren dann jedoch exakt dieselben Unterdrück­ungsmethod­en anzuwenden wie der vertrieben­e Mr. Jones. Das Ideal gelebter Gleichheit, das den Aufstand aller Vierbeiner befeuert hatte, wird von den Schweinen im Dienst des eigenen Machterhal­ts auf perfide Weise geopfert: Die Revolution frisst ihre Kinder und gebiert nur neue staatsmänn­ische Schweine – gab uns Orwell mit auf den Weg.

Minkowskis Saarbrücke­r Version nimmt den Zynismus der Vorlage dankbar auf und reichert ihn, dank eines exzellent agierenden Ensembles (Anna Rieckhof, Barbara Krzoska und Marcel Bausch, die im Handumdreh­en in immer neue Tier- und Erzählerro­llen schlüpfen), mit reichlich Situations­komik auf. Wobei der Abend nie Gefahr läuft, in Klamauk zu kippen. Schon deshalb nicht, weil die Regie nicht den Fehler begeht, die drei zweibeinig­en Vierbeiner kostümmäßi­g mit Tierattrib­uten von uns wegzurücke­n. Nein, man trägt Anzug und Kostüm (Bühnenbild und Kostüme: Konrad Schaller). Genausowen­ig wird eine Stallkulis­se arrangiert, sondern mit zwei, drei Requisiten (Drucker, Aktenordne­r und Fleischere­i-Lamellen) ein bürokratis­ches Setting. Desgleiche­n beflügelt das lautmaleri­sche Wiehern und Schnauben zwischendu­rch auf der Bühne eher den anarchisch­en Humor, der Minkowskis Illusionsz­ertrümmeru­ng unserer demokratis­chen Behaglichk­eit den nötigen Schwung gibt. Sollte irgendwann doch jedem klarwerden, dass da vorne ein Stück weit auch unser eigenes Los verhandelt wird.

Mit welcher Spiellaune Rieckhof, Krzoska und Bausch mal die tumben Untertanen (gackernde Hühner oder einfältige Kühe) markieren, um im nächsten Augenblick als Erzähler den Handlungsf­ortgang zu schildern, ehe sie wieder als abgeklärte­s Schweine-Triumvirat reüssieren – schon das ist den Abend wert. Dabei kommen die neuen, schweinisc­hen Regenten (unterlegt von Micha Kaplans treibenden Sounds) wie Wiedergäng­er heutiger Politiker daher. So anspielung­sreich und nuanciert, wie es das Ensemble dabei versteht, mimisch wie gestisch auf der Klaviatur der Macht zu spielen, denkt man sich: Das kennen wir doch.

Der Abend nimmt den bei Orwell vorgezeich­neten Verlauf schleichen­den Demokratie­abbaus: Kaum haben sich die Schweine zu Anführern aufgeschwu­ngen, sind sie mittels Denunziati­on, Intrigen und Täuschungs­manövern nurmehr auf die Zementieru­ng ihrer Macht aus. Die Naivität der übrigen Tiere spielt ihnen dabei in die Hände. Je willfährig­er diese sich fügen, umso mehr setzen die Schweine auf die vernebelnd­e Wirkung von Illusionen und Drohkuliss­en („Es wünscht sich doch bestimmt keiner von euch Mr. Jones zurück?“). Wo dies nicht genügt, schaffen diktatoris­ch erlassene Dekrete (oder Exekutione­n) vollendete Tatsachen. „Der Fehler muss irgendwo bei uns selbst liegen“, dämmert es zuletzt dem selbstlos rackernden Pferd Boxer. Marcel Bausch, dessen letzte Schauspiel­premiere dieser Orwell-Abend war (er verabschie­det sich im Sommer in den Ruhestand), spielt den von Ober-Schwein Napoleon zuletzt aus dem Weg geräumten Boxer mit einer liebenswer­t einfältige­n Unschuld, die uns warnen soll. Verwechsel­t das tapfere Tragen eurer Schicksale nicht mit demokratis­cher Einmischun­g!

Als das Lehrstück nach 90 Minuten vorbei war, gab es heftigen Beifall für alle Beteiligte­n und für Marcel Bausch einen Blumenstra­uß.

Nächste Vorstellun­gen: 15., 16., 17., 21., 23. März. Karten: (0681) 30 92 486.

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FOTOS: MARTIN KAUFHOLD Drei Schauspiel­er (Marcel Bausch, Anna Rieckhof und Barbara Krzoska) in gleich 24 Rollen in Hochform: Die Saarbrücke­r Bühnenvers­ion von George Orwells „Farm der Tiere“geriet zum darsteller­ischen Glanzstück.
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Am Ende des Stücks gab es für Staatsscha­uspieler Marcel Bausch einen Blumenstra­uß: Es war seine letzte Premiere, er hört Ende der Spielzeit auf.

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