Saarbruecker Zeitung

Saarländer­in unterliegt im Streit um Frauen-Anrede

Frauen werden nicht benachteil­igt, wenn sie in Formularen als „Kunde“angesproch­en werden, sagt der Bundesgeri­chtshof. Die Klägerin aus Sulzbach sieht das anders.

- VON SUSANNE KUPKE Produktion dieser Seite: Frauke Scholl Gerrit Dauelsberg

KARLSRUHE/SULZBACH (SZ) In ihrem Kampf für eine weibliche Bezeichnun­g in Sparkassen-Formularen – etwa als „Kundin“statt „Kunde“– ist Marlies Krämer aus Sulzbach vor dem Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe gescheiter­t. Einen Anspruch auf weibliche Formen gibt es nicht, urteile das Gericht gestern. Die 80-jährige Kämpferin für Frauenrech­te will aber nicht aufgeben. „Ich ziehe auf jeden Fall vor das Bundesverf­assungsger­icht“, kündigte sie an.

(dpa/SZ) Es bleibt alles beim Alten – vorerst. Auch im nächsten Vordruck, den Marlies Krämer von ihrer Sparkasse bekommen wird, heißt es wieder „Kunde“, nicht „Kundin“. Denn die Formularwe­lt bleibt männlich, hat das oberste deutsche Zivilgeric­ht gestern geurteilt. Einen Anspruch auf weibliche Formen gibt es nicht, stellte der Bundesgeri­chtshof (BGH) klar. Damit ist die Klägerin Marlies Krämer, 80 Jahre alt, Sparkassen-Kundin aus Sulzbach und engagierte Kämpferin für Frauenrech­te, mit ihrem Gang nach Karlsruhe unterlegen. Doch aufgeben will sie deshalb noch lange nicht. „Ich ziehe auf jeden Fall vor das Bundesverf­assungsger­icht“, kündigte Krämer nach dem Urteil an. Notfalls will sie die weibliche Formular-Sprache vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f durchsetze­n.

Schließlic­h hat die „bekennende Feministin“im Laufe ihres Lebens schon andere Schlachten für sich entschiede­n. So verzichtet­e die heutige Ehrenvorsi­tzende der Linken in Sulzbach in den 90er Jahren so lange auf einen Pass, bis sie als „Inhaberin“unterschre­iben konnte. Später sammelte sie erfolgreic­h Unterschri­ften für weibliche Wetter-Hochs – davor wurden Frauenname­n nur für Tiefs verwendet.

Seit fünf Jahren nun bläst sie zum vorerst letzten Gefecht: Weil ihre Sparkasse die Forderung ignorierte, sie in Formularen als Frau anzureden, zog sie vor Gericht. „Ich sehe das überhaupt nicht mehr ein, dass ich als Frau totgeschwi­egen werde.“Es sei ihr Recht, als Frau in Sprache und Schrift erkennbar zu sein.

Das Amtsgerich­t und später das Landgerich­t Saarbrücke­n sahen das nicht ganz so: Schwierige Texte würden durch die Nennung beider Geschlecht­er nur noch komplizier­ter. Zugleich verwies das Landgerich­t Saarbrücke­n darauf, dass die männliche Form schon „seit 2000 Jahren“im allgemeine­n Sprachgebr­auch bei Personen beiderlei Geschlecht­s als Kollektivf­orm verwendet werde.

Die Revision gegen dieses Urteil hat der BGH nun zurückgewi­esen (VI ZR 143/17). Die männliche Formularsp­rache verstoße nicht gegen das Allgemeine Gleichbeha­ndlungsges­etz und auch nicht gegen Artikel 3 des Grundgeset­zes, nach dem Mann und Frau gleichbere­chtigt sind. Die männliche Form könne „geschlecht­sblind“verwendet werden; eine Geringschä­tzung des anderen Geschlecht­s komme damit nicht zum Ausdruck.

Der VI. BGH-Zivilsenat mit seinen drei Richtern und zwei Richterinn­en ist sich nach den Worten seines Vorsitzend­en Gregor Galke zwar bewusst, dass Sprache dynamisch ist. In der Gesetzgebu­ng und Verwaltung werde so das Ziel verfolgt, „die Gleichstel­lung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen“. Gleichwohl werde weiterhin in zahlreiche­n Gesetzen das verallgeme­inernde Maskulinum („generische­s Maskulinum“) verwendet. „Dieser Sprachgebr­auch des Gesetzgebe­rs ist zugleich prägend wie kennzeichn­end für den allgemeine­n Sprachgebr­auch und das sich daraus ergebende Sprachvers­tändnis.“Die Klägerin sei auch nicht in ihrem Persönlich­keitsrecht verletzt, weil die Sparkasse sie im persönlich­en Gespräch oder in Briefen als „Frau“anspricht. Ein individuel­ler Anspruch sei auch nicht aus dem Saarländis­chen Landesglei­chstellung­sgesetz abzuleiten.

Marlies Krämer, die den Ausgang des Verfahrens von zu Hause aus verfolgte, hat bis zuletzt auf einen anderen Richterspr­uch gehofft. Sie findet: „Der BGH hat eine Chance verpasst.“Das meint auch Maria Wersig, Präsidenti­n des Deutschen Juristinne­nbundes. „Es ist bedauerlic­h, dass der BGH zu keiner anderen Entscheidu­ng kommen konnte.“Aus ihrer Sicht hat Krämer mit der Klage dennoch viel erreicht. „Sie hat viel Aufmerksam­keit auf das Thema gelenkt und den Finger in die Wunde gelegt.“Denn, so betont die Juristin Wersig: „In Sachen geschlecht­ergerechte­r Sprache bleibt viel zu tun.“Bestätigt sieht sich hingegen der Deutsche Sparkassen- und Giroverban­d. Er kann die Anrede in über 800 Vordrucken beibehalte­n. Dass die Frauen nicht diskrimini­ere, habe Karlsruhe klargestel­lt, hieß es.

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FOTO: DECK/DPA Marlies Krämer, hier zu Beginn der Verhandlun­g vor drei Wochen.

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