Der Präsident auf Besuch im Krisenviertel Marxloh
Der Duisburger Stadtteil ist geprägt von einer hohen Ausländerquote und kaputten Häusern. Die „Herausforderungen sind riesengroß“, findet Steinmeier.
(dpa) „Die Tür“, „die Treppe“, „das Geländer“: In der Grundschule Henriettenstraße in Duisburg-Marxloh kleben an vielen Gegenständen Schilder, damit alle wissen, wie sie auf Deutsch genannt werden. 200 Schüler lernen dort, sie kommen aus 14 Nationen, 110 allein aus Osteuropa: Bulgarien, Mazedonien, Rumänien etwa. Viele von ihnen müssen noch Deutsch lernen. Wie man an dieser Schule unterrichtet, will gestern Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wissen.
Den zweiten Tag seines Antrittsbesuchs in Nordrhein-Westfalen startet das Staatsoberhaupt in dieser Schule in diesem besonderen Stadtteil. Besonders, weil überdurchschnittlich viele Ausländer dort leben, weil dort viele „Armutszuwanderer“aus Bulgarien und Rumänien in Schrottimmobilien wohnen und auch, weil es dort fast 100 Braut- und Abendmodegeschäfte gibt. Steinmeier lässt es sich nicht nehmen, eines zu besuchen. Ein Kleid kauft er aber nicht.
Der hohe Besuch hört vor allem zu. Zuerst den Kindern: Ein Guten-Morgen-Lied in elf Sprachen singen sie. Die dritte Strophe muss Steinmeier mitsingen und tut es gern. Dann wird es ernst. Oberbürgermeister Sören Link (SPD) und andere Vertreter der Stadt erklären ihm und seiner Frau Elke Büdenbender, wie sie das Problem der heruntergekommenen Wohnhäuser handhaben. Seit 2014 kümmert sich in Duisburg eine „Task Force“um die sogenannten Schrottimmobilien. Das sind Mehrfamilienhäuser, deren Wohnungen trotz erheblicher Mängel etwa in Sachen Elektrik oder Feuchtigkeit zu Wucherpreisen vor allem an Bulgaren und Rumänen vermietet werden. Mehr als zwei Dutzend Häuser wurden bereits geschlossen. „Natürlich sind die Herausforderungen riesengroß“, fand auch Steinmeier.
Link hatte vor dem Besuch ein wenig gegrummelt. „Duisburg besteht definitiv nicht nur aus Problemimmobilien“, hatte er mitgeteilt. Wer Duisburg nur auf einen Teil von Marxloh reduziere, mache einen großen Fehler. Der Empfang des Präsidenten in der Schule und der Eintrag ins Goldene Buch im Schulfoyer fielen dann trotzdem herzlich aus.
Bürger am Wegesrand sehen den Besuch skeptisch: „Ich glaube nicht daran, dass sich viel ändert“, sagt eine 56-jährige Deutsche. Sie kritisiert, dass die Straße vor der Schule extra gereinigt wurde. „Das wirkliche Leben sollen sie zeigen. Wenn sie vorher alles sauber machen, sehen sie ja nicht das wirkliche Leben.“Schmutz im Alltag bemängelt auch eine 65-Jährige, ebenfalls ohne Migrationshintergrund: „Der ganze Dreck hier. Wir rufen jeden Tag bei der Stadt an.“In den letzten fünf Jahren seien viele Menschen weggezogen. „Die wollen hier nicht mehr wohnen. Weil das so dreckig ist.“Vor allem Zuwanderer würden ihren Müll häufig nicht ordnungsgemäß entsorgen.
Start an der Schule, Ende an der Schule: Während der Bundespräsident mit der Presse spricht, lässt sich seine Frau von Schulleiterin Regina Balthaus-Küper die Schule zeigen. Jahrgangsübergreifender Unterricht wird groß geschrieben. Büdenbender ist beeindruckt: „Ich bewundere Ihre Arbeit“, sagt sie bei der Verabschiedung. Balthaus-Küper betont, dass die Kinder an der Schule Chancen bekämen. „Sie bekommen einen Zugang zu Bildung, da eröffnet sich für sie ein ganz neues Tor zur Welt – auch für die Eltern.“Einen Wunsch hat sie auch: „Es wäre für uns toll, zum Beispiel noch weitere Übersetzer zu haben, weil viele Eltern die Sprache nicht sprechen – und wir auf Kommunikation angewiesen sind.“