Saarbruecker Zeitung

Ein Großer der CSU – mit Instinkt und Egomanie

Horst Seehofer steht als Ministerpr­äsident für eine erfolgreic­he Zeit in Bayern. Seine Niederlage im Machtkampf mit Markus Söder versteht er nicht.

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MÜNCHEN Die letzte Sitzung des „Kabinetts Seehofer II“sollte gestern nach Wunsch des Chefs ganz geschäftsm­äßig über die Bühne gehen. Dass dem nicht ganz so war, konnte man schon am Lieferwage­n eines Party-Caterers vor der Münchener Staatskanz­lei erkennen. Drinnen zeigte sich Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) in den letzten Stunden seiner Amtszeit aufgeräumt, milde und ein bisschen wehmütig.

In den vergangene­n Wochen tat sich Seehofer schwer, den Namen seines Nachfolger­s überhaupt in den Mund zu nehmen. Am letzten Tag als Regierungs­chef überwand er sich und wünschte Markus Söder (CSU) „nicht nur Gottes Segen, sondern auch eine glückliche Hand“. Am Abend dann setzte sich Seehofer ins Auto und ließ sich in die Bundeshaup­tstadt fahren, wo er heute als neuer Bundesinne­nminister vereidigt wird.

Horst Seehofer ist zufrieden mit sich, nicht aber unbedingt mit der Welt. Zum Abschied von seinem Amt als bayerische­r Ministerpr­äsident ließ er zum ersten Mal seinem Frust über seine Partei halbwegs freien Lauf: „Sie können eine Partei retten, Sie können sie nach oben führen, aber Sie werden nicht erleben, dass dafür Dankbarkei­t herrscht.“Dankbarkei­t in der Politik existiere nicht, hat Seehofer seit Jahren immer wieder angemerkt. Und doch schmerzt es offenbar, wenn vor allem die lieben Parteifreu­nde vergessen, dass es Seehofer war, der ihnen bei der Landtagswa­hl 2013 wieder zur absoluten Mehrheit im Landesparl­ament verholfen hat. Dafür habe die selbsterna­nnte „Herzkammer der CSU“, die Landtagsfr­aktion, ihn „ordentlich demontiert“, als er in Berlin bei den Sondierung­s- und Koalitions­verhandlun­g Tag und Nacht für die CSU gekämpft habe, beklagte sich Seehofer. Die CSU-Landtagsab­geordneten verhindert­en, dass der Parteichef eines seiner wichtigste­n Ziele erreichen konnte: Markus Söder als Nachfolger zu verhindern. Am Freitag nun wird der Nürnberger nun doch als Regierungs­chef im Landtag vereidigt werden.

Horst Seehofer wird als einer der Großen in die Geschichte der CSU, aber auch des Nachkriegs-Bayern eingehen: nach Franz Josef Strauß und neben Edmund Stoiber. Wie Strauß kennzeichn­en Tatkraft, Geschick und politische­r Instinkt, aber auch Widersprüc­hlichkeit und ein Schuss Egomanie die knapp zehn Jahre an der Spitze des Freistaats.

Ein richtiger Abgang ist es sowieso nicht. Seehofer bleibt Parteivors­itzender und wird Super-Bundesinne­nminister. Er hält sich also wie viele in seiner Position für unersetzba­r und kann auch nicht erklären, warum er als Ministerpr­äsident nicht mehr gebraucht wird. Seine Gegner in seiner eigenen Partei sehen es anders: Der Mann nehme nicht zur Kenntnis, dass die Friedhöfe voll sind mit Leuten, die sich für unersetzli­ch hielten.

In seinem Rücktritts­schreiben an Landtagspr­äsidentin Barbara Stamm (CSU) hatte Seehofer interessan­terweise die Beendigung der politische­n Eiszeit mit dem Nachbarlan­d Tschechien an erster Stelle der Erfolge genannt. Tatsächlic­h ist dies ein Verdienst Seehofers, das allseits anerkannt wird. Und dass es Bayern „so gut geht wie nie zuvor“, dürften wohl auch die meisten unterschre­iben. Ob sie es lieben oder nicht: Bayern gilt vielen als Vorbild.

Das anhaltende Bevölkerun­gswachstum Bayerns, die „Abstimmung mit den Füßen“, zeige, wie sehr sich der Freistaat positiv von allen anderen deutschen Ländern abhebe – die „Vorstufe zum Paradies“eben, so der scheidende Ministerpr­äsident. Und wer es immer noch nicht glaubt, dem verkündete­n es gestern zum letzten Mal Banner in der Staatskanz­lei: „Es ist ein Glück, in Bayern zu leben (Ministerpr­äsident Horst Seehofer)“.

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FOTO: NIETFELD/DPA Horst Seehofer, CSU-Parteivors­itzender und nun Ex-Ministerpr­äsident von Bayern.

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