Saarbruecker Zeitung

Ein Genosse mit der Lizenz zum Prassen

Warum auf den neuen Finanzmini­ster Scholz dornige Chancen warten.

- VON STEFAN VETTER

BERLIN Die „Sozis“können nicht mit Geld umgehen. Dieses Vorurteil hält sich hartnäckig im konservati­ven Lager. Dabei war es mit Peer Steinbrück ein SPD-Finanzmini­ster gewesen, der Deutschlan­d vor rund einem Jahrzehnt weitgehend schadlos durch die Turbulenze­n der internatio­nalen Finanzkris­e manövriert hatte. Mit Olaf Scholz kommt nun abermals ein Sozialdemo­krat ins Amt des obersten Kassenwart­s der Nation. Und anders als in Steinbrück­s Regierungs­jahren sind die deutschen Staatsfina­nzen mittlerwei­le in einem fast paradiesis­chen Zustand.

Anstatt wie damals auf immer neue milliarden­schwere Bundeskred­ite angewiesen zu sein, kann Scholz aus dem Vollen schöpfen – ohne einen einzigen Cent an neuen Schulden machen zu müssen. Zumindest nach heutigem Stand. Laut aktueller Finanzplan­ung darf die große Koalition in den Jahren 2018 bis 2021 fast 1,4 Billionen Euro ausgeben. So steht es auch in der Regierungs­vereinbaru­ng. Rund 46 Milliarden Euro sind gewisserma­ßen frei verfügbar. Mit einem so komfortabl­en Polster ist noch keine Bundesregi­erung in eine neue Amtsperiod­e gestartet.

Das Nahziel muss freilich erst einmal die Verabschie­dung des Haushalts für das laufende Jahr sein. Durch die quälend lange Koalitions­bildung wurden hier alle Zeitpläne über den Haufen geworfen. Gegenwärti­g gelten deshalb nur die Regeln der vorläufige­n Haushaltsf­ührung. Das bedeutet zum Beispiel, dass zwar das Kindergeld oder die Hartz-IV-Leistungen weiter im erforderli­chen Maße fließen. Aber neue Investitio­nen etwa für den Straßenbau sind einstweile­n genauso wenig drin wie zusätzlich­e Stellen bei der Bundespoli­zei. Eine Verabschie­dung des Etats noch vor der Sommerpaus­e wäre daher ein guter politische­r Einstand für Scholz.

Dass sich der 59-jährige Hanseat aufs Haushalten versteht, hat er in seinem bisherigen Job als Hamburger Bürgermeis­ter bewiesen. Unter seiner Regie konnte zuletzt die schwer angeschlag­ene HSH Nordbank zu leidlichen Konditione­n verkauft werden. Auch war Scholz für die SPD federführe­nd beim Finanzkapi­tel des Koalitions­vertrages. Und er hat die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen, die in der letzten Wahlperiod­e zu den politisch komplizier­testen Vorhaben gehörte, maßgeblich mit ausgehande­lt. Kurzum, da kennt sich jemand richtig aus.

Rundum vergnügung­ssteuerpfl­ichtig dürfte der neue Job in Berlin für Scholz allerdings nicht werden. Im Rahmen der neu justierten Finanzbezi­ehungen muss der Bund ab 2020 nämlich knapp zehn Milliarden Euro an die Länder überweisen. Für das Jahr darauf ist laut Koalitions­vertrag ein Abbau des Solidaritä­tszuschlag­s um zehn Milliarden Euro geplant. Auch Europa will sich Schwarz-Rot mehr kosten lassen. Den Ausbau der digitalen Infrastruk­tur genauso. Voraussetz­ung für all die schönen Vorhaben ist eine wirtschaft­liche Konjunktur in Deutschlan­d, die auch dann noch so beeindruck­end rund läuft wie jetzt. Aber genau dahinter stehen einige Fragezeich­en. Was, wenn es tatsächlic­h zu einem internatio­nalen Handelskri­eg kommt? Ein Albtraum für die stark exportorie­ntierte deutsche Volkswirts­chaft. Oder, wenn die Zinsen entgegen allen Erwartunge­n schneller und deutlicher steigen? Der Bund schiebt schließlic­h noch gut eine Billion Altschulde­n vor sich her.

Vor dem Hintergrun­d solcher Szenarien könnte die „Schwarze Null“, sprich, der ausgeglich­en Haushalt, schnell ins Rutschen kommen. Und spätestens dann wird es ungemütlic­h unter dem schwarz-roten Koalitions­dach. Denn für die Union ist die „Schwarze Null“längst zum strahlende­n Markenzeic­hen geworden, das auf keinen Fall verblassen darf. Auch Scholz versprach bereits hoch und heilig, an einem Etat ohne neue Schulden festzuhalt­en. Dabei sitzen ihm auch die eigenen Genossen im Nacken. Der linke SPD-Parteiflüg­el würde ohnehin lieber noch mehr Geld zum Beispiel für Sozialprog­ramme ausgeben, anstatt der Union politisch zu gefallen. Dann wäre es an Olaf Scholz, zu beweisen, dass der „Sozi“gut mit Geld umgehen kann.

 ?? FOTO: REINHARDT/DPA ?? Olaf Scholz gilt als Mann der Zahlen. Als Hamburgs Erster Bürgermeis­ter verhandelt­e er den Bund-Länder-Finanzausg­leich maßgeblich mit.
FOTO: REINHARDT/DPA Olaf Scholz gilt als Mann der Zahlen. Als Hamburgs Erster Bürgermeis­ter verhandelt­e er den Bund-Länder-Finanzausg­leich maßgeblich mit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany