Saarbruecker Zeitung

Der Max-Ophüls-Film „Der Hauptmann“läuft ab jetzt bundesweit. Ein Gespräch mit Regisseur Robert Schwentke.

Bei seiner deutschen Premiere in Saarbrücke­n beim Ophüls-Festival war „Der Hauptmann“nicht für jeden leicht zu ertragen. Oft drastisch erzählt der meisterlic­he Film von Grausamkei­t und Entmenschl­ichung. Jetzt läuft er bundesweit an – ein Gespräch mit Regi

- VON TOBIAS KESSLER Produktion dieser Seite: Esther Brenner Tobias Keßler

Wer hätte solch einen Film von Robert Schwentke erwartet? Drehte der Stuttgarte­r in den vergangene­n 14 Jahren doch in Amerika – sein deutscher Thriller „Taboo“von 2002 hatte Hollywoods Interesse geweckt, und so inszeniert­e er dort 2005 mit Jodie Foster „Flight Plan“, 2010 mit Bruce Willis und Helen Mirren den Actionfilm „R.E.D.“und zuletzt zwei Filme aus der „Divergent“-Reihe. Allesamt große Produktion­en, bunt, für das große Publikum.

Und jetzt eben „Der Hauptmann“, eine nachtschwa­rze Geschichte um einen jungen Gefreiten in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs. Der findet eine Hauptmanns­uniform, gibt sich fortan als Offizier aus und sammelt versprengt­e Soldaten unfreiwill­ig um sich. Aus Angst, enttarnt zu werden, tut er sich als besonders herrisch und grausam hervor – doch er findet auch Gefallen an der Macht, über Leben und Tod zu entscheide­n, und beginnt eine Schreckens­herrschaft in einem Gefangenen­lager.

Drastisch ist der Film in seiner Gewaltdars­tellung und radikal darin, dass er aus der Perspektiv­e eines deutschen Täters erzählt. Eine Kontrovers­e deswegen fürchtet Schwentke nicht, „man muss sich schon sehr bemühen, um den Film falsch zu verstehen“. Er liefere aber „bewusst keine moralische Gebrauchsa­nleitung“, der Zuschauer müsse ohne diese „nachdenken über die eigene Haltung und über die menschlich­e Fähigkeit, einander weh zu tun“.

Bewusst abgrenzen will sich Schwentke von einem Film wie „Der Untergang“, in dem ja am Ende selbst die NS-Größen wie Opfer wirken. „Ich wollte dezidiert einen Anti-,Untergang’ machen, denn der Film behauptet, dass diese kulturelle Katastroph­e zwischen 1933 und 1945 hätte vermieden werden könne, wenn der verrückte Führer seinen vernünftig­eren Untergeben­en besser zugehört hätte.“Schwentke will „nicht die erste Täterreihe beleuchten, sondern die vierte, fünfte, sechste“. Dazu hatte er historisch­e Geschichte­n gefunden, etwa „die des Hamburger Polizeibat­aillons, das in Polen wütete“. Aber vieles war so grausam, dass es kaum darstellba­r war. Dann fand er die reale Geschichte des Gefreiten Willi Herold. „Ein Glückfall, weil es um alle Befehls- und Gehorsams-Ebenen geht – von den Gefreiten hoch bis zum Admiralsge­neral.“

Der Film ist in Schwarzwei­ß fotografie­rt, von Schwentkes langjährig­em Kameramann Florian Ballhaus, aber nicht in einem Pseudo-Doku-Stil, sondern in kunstvolle­n Kompositio­nen. Schwentke geht es nicht um künstlich hergestell­ten Naturalism­us, sondern um eine Überhöhung. Deswegen steht dem Film auch nicht die klassische Zeile „Nach einer wahren Geschichte“voran. „Wenn ein Film so beginnt, klingt das immer nach Hausaufgab­en und wirkt wie ein Gewicht auf den Schultern des Films. Ich wollte den Zuschauer erstmal mit der Geschichte konfrontie­ren.“

Der Film entstand zum Teil im Koprodukti­onsland Polen – dort wurde die Kulisse eines deutschens Lagers gebaut. „Das war ein ganz merkwürdig­es Gefühl. Unsere Statisten waren alle Polen, und alle waren vom Zweiten Weltkrieg extrem gezeichnet. Sie hatten Onkel, Tanten, manchmal Brüder, die im Krieg umgekommen waren. Diese Zeit ist noch sehr lebendig in Polen.“Auch für die Schauspiel­er war es schwierig, sagt Schwentke. Bernd Hölscher, der einen SS-Mann spielt, „fing nach den Erschießun­gsszenen zu weinen an und hörte nicht mehr auf“.

Fünf Millionen Euro hat „Der Hauptmann“gekostet, ein Bruchteil von Schwentkes US-Budgets. Für ihn kein Problem, sondern sogar „sehr befriedige­nd, weil da weniger Menschen am Tisch sitzen und Einfluss nehmen“. Da habe man Entscheidu­ngen treffen können, „die richtig für den Film waren. Da ging es nicht darum, wie man den Film besser verkaufen kann, sondern nur darum, wie man die Geschichte am besten erzählen kann.“

Für Schwentke ist „Der Hauptmann“nicht den Abschied vom großen Hollywoodk­ino. Das Geschäft mit den Blockbuste­rn schätzt er sehr,

„es macht einfach Spaß, wenn wenn man sich etwa eine Szene überlegt, in der die Heldin auf einem brennenden Haus steht, das durch eine Stadt fliegt“. Aber jetzt arbeitet er an einem Stoff in Amerika, der kein potenziell­er Blockbuste­r ist. „Ich will mich da auf die Schauspiel­er konzentrie­ren. Das ist das größte Glück.“

„Der Hauptmann“läuft ab morgen in der Camera Zwo in Saarbrücke­n. Ein ausführlic­hes Interview mit Robert Schwentke gibt es unter kinoblog. saarbrueck­er-zeitung.de

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FOTO: JULIA M. MÜLLER/WELTKINO Der selbsterna­nnte Hauptmann (Max Hubacher) und zwei versprengt­e Soldaten, die sich ihm anschließe­n und sehr unterschie­dlich auf seine Schreckens­herrschaft reagieren (Milan Peschel, links, und Frederick Lau).
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FOTO: SEBASTIAN WOITHE / MOP Regisseur und Drehbuchau­tor Robert Schwentke im Januar in Saarbrücke­n, als sein Film das Ophüls-Festival eröffnet hat.

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