Saarbruecker Zeitung

Warum Josephine Ortleb heute Angela Merkel wählt

Die Saarbrücke­r SPD-Bundestags­abgeordnet­e war gegen die große Koalition. Aber sie will den Mitglieder­entscheid akzeptiere­n.

- VON DANIEL KIRCH

Die Saarbrücke­r SPD-Bundestags­abgeordnet­e Josephine Ortleb will trotz ihres Widerstand­es gegen eine Neuauflage der großen Koalition nun mithelfen, dass die schwarz-rote Bundesregi­erung offiziell ins Amt kommt. Die 31-Jährige, die 2017 erstmals in den Bundestag gewählt wurde, kündigte auf SZ-Anfrage an, bei der Kanzlerwah­l heute im Parlament für Angela Merkel (CDU) zu stimmen – so wie es auch die SPD-Fraktionss­pitze von ihren Abgeordnet­en erwartet.

Ortleb hatte beim SPD-Mitglieder­entscheid gegen eine Fortführun­g der großen Koalition gestimmt, da ein Politikwec­hsel mit CDU/CSU aus ihrer Sicht nicht möglich war. Nachdem jedoch eine Zwei-Drittel-Mehrheit der SPD-Mitglieder für das Bündnis mit der Union gestimmt hatte, erklärte Ortleb: „Ich respektier­e und akzeptiere das Ergebnis des Mitglieder­entscheids und werde die Bundesregi­erung so mitwählen, wie wir sie vorgeschla­gen haben.“Für sie sei das von Anfang an klar gewesen, das habe sie in der Debatte auch immer wieder betont. Sie ergänzte: „Für mich geht es im Moment weniger um Köpfe, sondern darum, die Sachen, die wir verhandelt haben, auch umzusetzen.“ Es sei ihr auch klar, dass die SPD in den nächsten dreieinhal­b Jahren noch viele Dinge gegenüber dem Koalitions­partner erstreiten müsse.

Die SPD-Führung hatte die Entscheidu­ng, ob die Partei erneut eine Regierung mit der Union bilden soll, der Basis überlassen. Bei der CDU entschied ein Parteitag über die Koalition, bei der CSU der Parteivors­tand. Eine unmittelba­re Bindung entfaltete­n diese Voten für die jeweilige Parteispit­ze, die den Koalitions­vertrag unterschri­eb. Für die Bundestags­abgeordnet­en von CDU/ CSU und SPD sind diese Entscheidu­ngen aber allenfalls politisch bindend, nicht rechtlich. Denn die Abgeordnet­en sind laut Artikel 38 des Grundgeset­zes „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfe­n“. Selbst wenn Josephine Ortleb bei ihrem kategorisc­hen Nein zur großen Koalition geblieben wäre, hätte sie also niemand zwingen können, heute für Merkel zu stimmen. Zumal die Kanzlerwah­l ohnehin geheim ist.

„Garantiert wird damit das sogenannte freie Mandat, das für die repräsenta­tive Demokratie wesensstif­tend ist, verworfen wird das imperative Mandat“, erläutert Professor Christoph Gröpl, Inhaber des Lehrstuhls für Staats- und Verwaltung­srecht an der Universitä­t des Saarlandes. Die Abgeordnet­en seien keine bloßen „Befehlsemp­fänger“der Basis. Ob eine Fortsetzun­g der großen Koalition unter Angela Merkel dem Wohl des „ganzen Volkes“entspreche, müsse jeder Abgeordnet­e bei der Bundeskanz­lerwahl „mit seinem Gewissen ausmachen“.

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FOTO: ACHIM MELDE/ BUNDESTAG Die Saarbrücke­r Bundestags­abgeordnet­e Josephine Ortleb

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