Saarbruecker Zeitung

Die Saarbrücke­r mit den Zauberpülv­erchen

In der Talstraße arbeitet versteckt in einem Hinterhof eine Gewürzmanu­faktur, die nach ganz Europa exportiert.

- Produktion dieser Seite: Alexander Mandersche­id Markus Saeftel

innen zu lassen, wo sich ein Probehäufc­hen von Zitronensa­lz in einer weiteren Dose befindet. Im selben Raum schnitt mal die Schreinere­i Ladebau Stein unter lautem Getöse ihr Holz. Später dann kamen die Leute mit dem Carolina Reaper, haben das Erdgeschos­s entkernt und arbeiten jetzt in Räumen, in denen andere gleich wohnen würden. Die Leute mit dem Chilipulve­r sind Richard Möcks und Ben Albuzat, beide 36 und Sandkasten­freunde: die Gründer und Geschäftsf­ührer der Gewürzmanu­faktur „Rimoco“, die ihre Ladenkunde­n mit dem Schellen einer großen Kuhglocke begrüßen.

Moment. Ben Albuzat fängt ja erst an. Er stellt den Gringo-Killer wieder weg und gibt mit einem silbern glänzenden Löffel zwei Kügelchen Szechuan-Pfeffer aus einer anderen Dose aus, die die Zunge ein bisschen taub werden lassen. Aber nicht für sich und seinen Kompagnon. Also können sie munter weitererzä­hlen von Reisen und Ideen, atemberaub­enden indischen Gewürzmärk­ten und Siliziumdi­oxid, das man bei ihnen aber vergeblich suche. Mit solchen Rieselhilf­en und anderen Tricks, mit denen die Industrie Gewürze aufpeppe, haben sie nichts am Hut, sagen die beiden. Lieber packen sie ihre Sachen und machen sich dann und wann auf, um direkt bei den Bauern Neues zu finden. Sie bekommen ihre Produkte aus aller Welt. Der Pfeffer stammt meist aus Indien, Chilis aus Mexiko und den USA und Kräuter aus Europa. Was sie aus deutschem Anbau besorgen können, besorgen sie sich auch aus Deutschlan­d – für den ökologisch­en Fußabdruck, sagt Möcks.

Aber egal ob sie in der Eifel sitzen oder in Indien, bei den Bauern kann die Manufaktur auch mal kleine Chargen ordern, für die die Großhändle­r nicht mal den Bleistift spitzen würden. So fühlen sich die beiden Gründer auch dem nahe, das sie „authentisc­h“nennen: dem echten Geschmack, den Urlauber von ihren Reisen kennen und mit den versproche­n unverfälsc­hten Gewürzen nachkochen können. 160 Sorten und Mischungen hat Rimoco inzwischen im Angebot, die in Holzkisten aus einer Trierer Behinderte­nwerkstatt fast eine halbe Wand der langen alten Werkstatt abdecken. Gegenüber führt eine Tür zu einem Nebenraum, in dem die Angestellt­en abfüllen und verpacken. Albuzat und Möcks leisten sich inzwischen vier, die auch in der großen Küche neben der Werkstatt mitkochen und Vorschläge für neue Mischungen machen.

Rimoco spielt gern damit: gemeinscha­ftlich, nachhaltig mit den wiederfüll­baren Döschen und dem Fußabdruck. Die Gründer sprechen von Atmosphäre und Authenzitä­t: alles Attribute aus dem schon länger anhaltende­n Trend, der die gesamte Gourmet-Szene auf der Flamme köcheln lässt. Es ist ihr Geschäft, und auf diesen Zug sind schon viele mit aufgesprun­gen. Rimoco liefert europaweit. Die Pakete gehen an Bäckereien und Restaurant­s und was man sich noch so vorstellen kann. Der Onlinehand­el macht 98 Prozent des Geschäfts aus. Zwei Prozent gehen auf den Ladenverka­uf und auf die Seminare, die für das ganze Jahr schon so gut wie ausgebucht sind.

Bei zwei Prozent liegt auch der Anteil von Gewürzen an einem Gericht, schätzen die beiden Saarbrücke­r. Aber was für zwei Prozent das sind, solche, die 90 Prozent des Geschmacks ausmachen. „Du kannst demselben Essen eine völlig andere Note geben, und das nur mit ein bisschen Zauberpulv­er“, sagt Möcks am Tisch, während als Nächstes eine Brise „Piment d’Espelette“die Runde macht, ein fruchtiges Chiligewür­z, original nur aus dem Baskenland mit „Champagner“-Namensstre­nge, das allein schon durch seinen Duft von Paprika und Tomaten fantasiere­n lässt.

Da stellt sich gar nicht die Frage, ob so was mal schlecht werden könnte. „Eigentlich nicht“, sagt Albuzat, „Gewürze verlieren höchstens ihr Aroma nach und nach, aber sie kippen nicht um, so dass man sich den Magen davon verderben könnte.“Früher dienten sie tatsächlic­h auch dazu, Essen haltbar zu machen. Dass sie dem Geschmack unter die Arme greifen, wurde erst später wichtig, erzählt Albuzat und plaudert zum Schluss noch ein bisschen davon, dass Gewürzen damals wie heute auch heilende Kräfte zugesproch­en wurden und werden. Mischungen aus Kurkuma, Kreuzkümme­l und Muskat können Entzündung­en lindern und Gelenkschm­erzen entgegenwi­rken. Aber man sollte, so ergänzt er, mit solchen Aussagen vorsichtig sein. Sich auf die Welt der Gewürze einzulasse­n, sei aber generell gesund – allein schon, weil man dann abwechslun­gsreich koche. www.rimoco.de

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FOTO: RICH SERRA Vier Angestellt­e beschäftig­t Rimoco inzwischen. Oft stehen sie in einem hinteren Teil des Gebäudes zusammen um einen Tisch und mischen die Gewürze, füllen sie in die Döschen und versenden sie an die Kunden.
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FOTO: RICH SERRA Richard Möcks (links) und Benjamin Albuzat.

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