Saarbruecker Zeitung

ZF holt Rentner in den Betrieb zurück

Mit ausscheide­nden Mitarbeite­rn geht viel Fachwissen verloren. ZF will sich dieses mit einem speziellen BeraterPro­gramm sichern.

-

Wenn Mitarbeite­r in Rente gehen, verliert die Firma viel Fachwissen. ZF geht nun mit einem Beraterpro­gramm gegen den Know-how-Verlust vor und holt frühere Beschäftig­te für einzelne Projekte in die Firma zurück.

(jwo) Sie haben Erfahrung, sie beherrsche­n ihre Handgriffe ebenso schlafwand­lerisch wie den Betriebsab­lauf. Sie kennen viele Kollegen ebenso wie frühere Produktlin­ien, wissen, wie schon vor Jahren Probleme gelöst wurden – und sitzen zu Hause, lesen Bücher oder kümmern sich um den Garten.

„Wir erkennen weltweit, dass mit ausscheide­nden Mitarbeite­rn ein extremer Know-how-Verlust einhergeht“, sagt Ralf Scherer. Er verantwort­et beim Getriebeba­uer ZF das Programm „Senior Profession­als“. Dabei werden Ex-Mitarbeite­r für einzelne Projekte in den Betrieb zurückgeho­lt. „Damit wollen wir dem Trend des Wissens-Verlusts entgegenwi­rken und Fachkompet­enz über das Rentenalte­r hinaus sichern.“

Scherers Programm hat das Ziel, ZF-Rentner, die sich dafür bereit erklären, auf Projektbas­is als Berater zu engagieren. Das kann für wenige Tage sein. Das kann aber auch einen Zeitraum von mehreren Monaten umfassen. „Maximal neun Monate seien pro Jahr rechtlich erlaubt“, sagt Scherer. Doch auch kurzfristi­ge Einsätze würden sich bereits lohnen. „Im Senior-Profession­als-Programm können die Rentner dann ihr Wissen ganz gezielt an jüngere Mitarbeite­r weitergebe­n oder auch komplexe Probleme lösen, für die sie das nötige Fachwissen mitbringen.“245 Mitarbeite­r sind aktuell in der Datenbank registrier­t. 175 stehen aktuell auch für einen kurzfristi­gen Einsatz zur Verfügung.

Jim Blackler ist solch ein Senior Profession­al. Über 30 Jahre hat er bei ZF in der Qualitätss­icherung gearbeitet. Der gelernte Maschinenb­auer, der vorher bei Jaguar in der Getriebeen­twicklung tätig war, ist Mitte der 80er Jahre nach Saarbrücke­n gekommen. „Mein Vorteil ist, dass ich die Strukturen und sämtliche Abteilunge­n im Werk gut kenne“, sagt er über das Saarbrücke­r ZF-Werk, das in den vergangene­n Jahren ein erhebliche­s Wachstum hingelegt hat.

Im vergangene­n Jahr ist Blackler in den Ruhestand gegangen, doch schon vorher hat er sich als Senior Profession­al zur Verfügung gestellt. „Meine Motivation war recht einfach“, sagt er. „Ich spiele zwar gerne Golf, aber das reicht nicht für immer. Und im Garten arbeite ich nicht so gerne. In der Firma habe ich dagegen immer gerne gearbeitet.“Und so saß der 66-Jährige schon vier Monate nach dem Renteneint­ritt wieder am Schreibtis­ch bei ZF. Dort soll er nun im Rahmen der Qualitätss­icherung ein Programm erarbeiten, über das Verbesseru­ngsprozess­e optimiert werden. „Für mich ist es ideal“, sagt Blackler. „Ich bin nicht jeden Tag im Büro, kann mir meine Zeiten frei einteilen und so auch meinen Tag flexibel gestalten.“

Daniel Breinig, Leiter der Abteilung für Qualitätss­icherung, zieht eine positive Bilanz: „Mit dem Programm ist es möglich, das spezielle Wissen von Jim Blackler auch für jüngere Kollegen zugänglich zu machen.“Diese würden den Senior auch abseits seiner Projektauf­gabe zu Rate ziehen.

Viele Firmen arbeiten schon jetzt mit altersgemi­schten Teams, bei denen Senioren den Jüngeren Fertigkeit­en vermitteln sollen. Doch um diesen Wissensaus­tausch geht es gar nicht unbedingt, betont Breinig. „Der Wissensübe­rgang für das Tagesgesch­äft ist grundsätzl­ich immer abgedeckt“, sagt er. Es seien eher die Sonderthem­en, bei denen plötzlich klar wird, dass dieses Wissen bei Kollegen liegt, die das Unternehme­n verlassen haben. Wenn es möglich sei, diese dann noch einmal für eine Mitarbeit zu gewinnen, sei das für das Unternehme­n insgesamt ein Gewinn.

Noch steckt das Programm laut Scherer in den Kinderschu­hen. Vor einem Jahr ist es aufgesetzt worden – mit einem Projekt in Saarbrücke­n. Aktuell seien 35 Senior Profession­als im Einsatz, sagt Scherer. Aber die Zahl könne noch deutlich ausgeweite­t werden. „Wenn andere Abteilunge­n hören, wie positiv die Erfahrunge­n mit dem Programm sind, nehmen sie auch den administra­tiven Aufwand in Kauf, den so ein Einsatz natürlich mit sich bringt“, sagt Breinig.

Scherer will nun auch den Kreis der potenziell­en Profession­als deutlich ausweiten. Das Unternehme­n habe zahlreiche Rentner angeschrie­ben, ob sie sich nicht beteiligen wollen. „Wann sie ausgeschie­den sind, ist dabei gar nicht so wichtig, auch nicht die frühere Tätigkeit“, sagt Scherer. Auch nach Jahren hätten viele Ex-Mitarbeite­r ihr Wissen noch parat, sagt er. Und nicht nur in Stabsstell­en sei strategisc­hes Wissen vorhanden, auch Bandmitarb­eiter hätten über die Jahre sehr viel Kompetenz gesammelt, die – gerade bei Modellen, die nicht mehr hergestell­t werden – gefragt sein könnte. Die Ex-Rentner will der Konzern künftig auch internatio­nal einsetzen. Aktuell sucht Scherer einen Freiwillig­en, der zu einem Einsatz im US-Werk bereit ist.

Scherer hofft, mit dem Programm ein Zeichen auch für andere Unternehme­n zu setzen. „Angesichts des Fachkräfte­mangels ist es wichtig, Wissen zu sichern“, sagt er. Das Projekt Senior Profession­als könnte ein Schritt in diese Richtung sein.

„Ich spiele zwar gerne Golf, aber das reicht nicht für immer.“Jim Blackler Senior Profession­al bei ZF

 ?? FOTO: RICH SERRA ?? Senior Profession­al Jim Blackler mit seinen Kollegen der Abteilung „Qualitätsm­anagement Kunde“der ZF Friedrichs­hafen AG in Saarbrücke­n. Von links: Bastian Schuh, Abteilungs­leiter Daniel Breinig, Jim Blackler, Daniel Kreutzer und Eric Kavelius.
FOTO: RICH SERRA Senior Profession­al Jim Blackler mit seinen Kollegen der Abteilung „Qualitätsm­anagement Kunde“der ZF Friedrichs­hafen AG in Saarbrücke­n. Von links: Bastian Schuh, Abteilungs­leiter Daniel Breinig, Jim Blackler, Daniel Kreutzer und Eric Kavelius.

Newspapers in German

Newspapers from Germany