Präsident Putin peilt vierte Amtszeit an
Wladimir Putin kandidiert am Sonntag für eine vierte Amtszeit. Wirkliche Konkurrenz muss der Amtsinhaber nicht fürchten.
Bei der Präsidentenwahl in Russland strebt Wladimir Putin eine vierte Amtszeit an. Sein Sieg am Sonntag gilt als sicher. Dennoch schaut der Westen genau hin – in Zeiten vieler Konflikte mit Moskau.
MOSKAU (afp/dpa) Während sich in Großbritannien ein Agentenkrimi mit russischen Hauptfiguren abspielt, ist der Präsidentschaftswahlkampf in Russland alles andere als spannend: Ganz bequem kann sich Wladimir Putin bei der Wahl an diesem Sonntag in seine vierte Amtszeit wählen lassen. 69 Prozent der Stimmen sagen Umfragen dem 65-jährigen Amtsinhaber voraus, die Gegenkandidaten sind chancenlos. Der Kreml konzentriert sich vor allem darauf, eine hohe Wahlbeteiligung zu erreichen.
Seit 18 Jahren beherrscht der Arbeitersohn aus St. Petersburg das größte Land der Erde und steuert weitere sechs Jahre im Kreml an. Der wachsende Druck durch Konflikte mit dem Westen überschattet die Wahl. Doch er passt zum Ton, den Putin selbst vor seiner allseits erwarteten Wiederwahl angeschlagen hat. Er gab nicht den Reformer, er ließ vor allem die Muskeln spielen und berichtete von neuen Atomwaffen. Nach außen sandte er ein beunruhigendes Signal: Russland fühlt sich bedroht, für die nächsten Jahre wird das Verhältnis konfliktträchtig bleiben. Das Signal nach innen: In der Not muss sich das Volk um den Oberbefehlshaber scharen.
Dabei ist die Einstellung der Russen zu ihrem Langzeitpräsidenten vielschichtig. Die vom Westen als Völkerrechtsbruch verurteilte Einverleibung der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 hat seine Popularität hochgetrieben. Die Wahl ist auf den symbolträchtigen vierten Jahrestag des Anschlusses gelegt worden. Weniger beliebt ist das Eingreifen in Syrien. Uneinigkeit auch in der Innenpolitik: Russland modernisiert sich zwar in den großen Städten. Doch die fetten Jahre zu Anfang der Regierung Putin, getragen vom hohen Ölpreis, sind vorbei. Die Wirtschaft ist über Jahre geschrumpft und hat erst 2017 wieder ein kleines Wachstum erreicht. Hohe Ausgaben für Rüstung und Sicherheit sind zulasten von Bildung und Gesundheitswesen gegangen. Der Ärger über Korruption, über Behördenwillkür und Ungerechtigkeit ist groß. Aber die Kritik richtet sich gegen die Regierung, Beamte und Polizisten, gegen Oligarchen – nicht gegen den Präsidenten. Putin hat viele Russen von seiner Unersetzlichkeit überzeugt. „Die Hauptbotschaft von Wladimir Wladimirowitsch ist ziemlich einfach: Ohne mich zerfällt alles! Deshalb lasst uns die Stabilität wahren und nichts ändern!“, sagt der Politologe Nikita Issajew.
Doch selbst auf diesem Polster ist der Wahlkampf kein Selbstläufer. Sorgen bereitet dem Kreml die Unlust der Wähler. 2012 nahmen offiziell nur 65,2 Prozent der Wähler teil, Putin siegte mit 63,6 Prozent der Stimmen. Diesmal werden Wähler daher nicht nur mit Konzerten oder der Verlosung von Smartphones in die Wahllokale gelockt. Es gibt Hinweise, dass Druck ausgeübt wird auf Firmenbelegschaften, Studenten oder Soldaten, zu wählen – und zwar Putin.
Auch die Opposition macht dem Kreml Sorgen, die Unzufriedenheit vor allem unter jungen Leuten. Der Anti-Korruptions-Aktivist Alexej Nawalny (41), der viele Proteste anführte, ist zur Wahl nicht zuzulassen. Mit einer juristisch fragwürdigen Vorstrafe wurde er ferngehalten. Nawalny ruft deshalb zu einem Boykott der Wahl auf.
Die sieben zugelassenen Gegenkandidaten agieren im gesteckten Rahmen. Die staatlichen Medien betonen, wie zwergenhaft tief sie unter dem Amtsinhaber stehen. Trotzdem gibt es bemerkenswerte Zeichen. So sprach die 36-jährige Bewerberin Xenia Sobtschak, ein TV-Star, im Wahlkampf Dinge aus, die in Russland sonst tabu sind. Sie nannte die Übergriffe auf die Ukraine ein Unrecht.
Die Abstimmung in dem Land, das sich über elf Zeitzonen erstreckt, läuft nach mitteleuropäischer Zeit von Samstag- bis Sonntagabend. Danach steht Putin laut Verfassung vor seiner letzten Amtszeit, bis 2024: Dem US-Sender NBC sagte er, keine Verfassungsänderung anzustreben, um an der Macht zu bleiben. Die kommenden sechs Jahre könnte er also darauf verwenden, seinen Nachfolger aufzubauen. Viele werden das mit Spannung verfolgen.