Saarbruecker Zeitung

Denkmalsch­ützer stimmen Abriss von Fechinger Brücke zu

Die Fechinger Talbrücke ist quasi Geschichte. Denkmalsch­ützer und Ingenieure verzichten auf Widerstand und Protest.

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SAARBRÜCKE­N (ce) Der Landesdenk­malrat hat keine Einwände gegen den Abriss der maroden Fechinger Talbrücke. Die unabdingba­re Sanierung würde das Denkmal als solches zerstören, sagte der Vorsitzend­e des Denkmalrat­es, Henning Freese, der SZ. Deshalb sei man bei einer Sondersitz­ung der Argumentat­ion des Denkmalamt­es gefolgt, das dem Abrissantr­ag stattgeben wolle. Auch die Ingenieurk­ammer erhebt keinen Protest. Die Brücke gilt als innovative­s Ingenieurp­rojekt der 60er Jahre.

Das Ding ist kaputt, das Ding muss weg – so einfach gestaltet sich die Sache bei einem Denkmal nicht. Das Erbe der Nachkriegs­zeit verpflicht­et. Und die Fechinger Talbrücke steht seit 2010 just deshalb auf der Landesdenk­malliste, als charakteri­stische Vertreteri­n der schlanken Ära. Ihre filigranen Stützen, ihr „sachlich-reduzierte­s Erscheinun­gsbild“werden als Begründung hervor gehoben. Zusätzlich steckt innovative Ingenieur-Berechnung­skunst im Brückenbau, der 1963 fertig wurde. Die Saarbrücke­r Firma Seibert setzte erstmals rechnerges­tützte Verfahren ein, um eine möglichst materialsp­arende, kostengüns­tige Autobahn-Trasse zu ermögliche­n. Technik- und Regionalge­schichte lassen sich also mit der Brücke verbinden, doch wer weiß das? Die 40 Meter hohe „Schwebebah­n“wurde nie als Denkmal wahrgenomm­en. Deshalb wohl spielten Erhaltungs-Szenarien öffentlich nie eine Rolle, die Politik kommunizie­rte den Abriss quasi als alternativ­los, zumal der Bund einen „Ersatzneub­au“bereits vor der Sperrung genehmigt hatte. Kostenschä­tzung: 126 Millionen Euro, darin enthalten: Abriss und Neubau, sowie die Umgestaltu­ng der Anschlusss­telle Fechingen.

2024 könnte es los gehen, hieß es. Und kann jetzt auch los gehen. Denn tatsächlic­h fiel erst am Mittwoch dieser Woche die letzte, die maßgeblich­e Entscheidu­ng: Der Abriss kommt, das Denkmal wird geschleift. Ausgerechn­et der Landesdenk­malrat zeichnet als letzte Instanz dafür verantwort­lich. Er hat nach einer Sondersitz­ung sein Plazet gegeben, hat dem Abrissantr­ag, den das Landesdenk­malamt an ihn herangetra­gen hatte, zugestimmt. Und dies, obwohl der Denkmalrat in der Vergangenh­eit oft über Kreuz lag mit Einschätzu­ngen der Behörde. Doch im Fall Fechinger Brücke spricht der Vorsitzend­e des Gremiums, der Saarbrücke­r Architekt Henning Freese, von einer vorbildlic­hen Vorprüfung und Aufbereitu­ng verschiede­ner Lösungsans­ätze durch das Amt. Dennoch hieß es am Ende im Rat: keine Rettungsch­ance. Allerdings führen die Denkmalsch­ützer keine Wirtschaft­lichkeitse­rwägungen ins Feld. Denn der Abrissgrun­d, den Privateige­ntümer vor Gericht ins Feld führen können, eine Sanierung sei ökonomisch unverhältn­ismäßig und unzumutbar, gilt für die öffentlich­e Hand nicht. Der Staat hat eine besondere Verpflicht­ung und Vorbildfun­ktion. Laut Freese setzte sich als Hauptargum­ent durch, dass die Brücke durch Sanierungs­maßnahmen mit neuen Materialie­n und durch die Verstärkun­g der Pfeiler ihre Denkmalhaf­tigkeit verlieren würde. Auch seien Wege, die man bei anderen Denkmälern beschreite­n könne, verriegelt. Eine Umnutzung des rein monofunkti­onalen Baus sei nicht möglich, ebenso nicht, die Brücke so lange zu halten, bis neue technische Sanierungs­verfahren entwickelt wurden. Fresse: „Diese Planungsun­sicherheit ist dem Eigentümer, der die Verkehrssi­cherheit gewährleis­ten und Großprojek­te mit langem Vorlauf angehen muss, nicht zuzumuten.“

Aber warum lässt man die alte Brücke nicht einfach als Monument stehen und baut eine zweite, funktional­e, daneben? Eine kuriose Vorstellun­g, die kurz nach der Vollsperru­ng in Ministerie­n jedoch in Betracht gezogen wurde. Freese winkt ab: „Diese Variante hätte dramatisch­e Eingriffe in das Wohnumfeld zur Folge gehabt, die wir gesellscha­ftlich für nicht durchsetzb­ar hielten.“Der Ratsvorsit­zende betont, man habe sich die Entscheidu­ng nicht leicht gemacht, sie sei nach vier Stunden intensiven Pro- und Contra-Austauschs gefallen – nicht einstimmig.

Leicht machen es sich auch die saarländis­chen Ingenieure nicht mit dem Verlust eines Bauwerkes, das für den Erfindungs­geist der Zunft steht. „Der Beschluss ist nachvollzi­ehbar. Als Techniker sehen wir ein, dass Ersatz erforderli­ch ist“, sagt der Präsident der Ingenieurk­ammer des Saarlandes. Für Frank Rogmann ist die Qualität des Nachfolge-Baus entscheide­nd. Nullachtfü­nfzehn dürfe es nicht geben. Bekanntlic­h hat der Bauherr, das Bundesverk­ehrsminist­erium, einem kostenaufw­ändigeren Projekt bereits zugestimmt. Die Planungsko­sten muss allerdings das Land tragen. Rogmann: „Ich bin stolz darauf, dass die Kammer daran mitgewirkt hat, dass für den Neubau ein Realisieru­ngswettbew­erb durchgefüh­rt wird. Es soll ein hochwertig­er Eingang in das urbane Saartal werden.“Ein zukünftige­s Denkmal? Dieser Tage wurde in Dresden der Deutsche Brückenbau­preis der Bundesinge­nieurkamme­r und des Verbandes beratender Ingenieure ( VBI) verliehen. Für Rogmann ist das die Liga, in der der Fechinger Ersatzbau mitspielen sollte. Frühestens? Ab 2030, bis dahin soll die Brücke stehen.

„Der Brücken-Neubau soll ein hochwertig­er Eingang in das urbane

Saartal werden.“

Frank Rogmann

Präsident der Saar-Ingenieurk­ammer

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FOTO: B&B Fast anmutig, trotzdem eine Art Landschaft­smarke: die Fechinger Talbrücke. Sie ist Teil der Bundesauto­bahn A6.

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