Saarbruecker Zeitung

„Es tut mir weh, wie der Bergbau dasteht“

Die Zuständigk­eit für Industriek­ultur liegt nun beim Kultusmini­sterium. Der Fachmann dafür aber ist der alte, Delf Slotta. Er setzt nun verstärkt auf die Verbindung von Natur und Bergbaurel­ikten.

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„F 2“vor. Klingt bedeutend. Entpuppt sich aber bei näherer Betrachtun­g eher als Referatche­n in der Abteilung „Denkmalpfl­ege und Industriek­ultur“, letztlich ein besserer Zwei-Mann-Betrieb.

Alles auf Anfang also? „Es ist immer schön, am Aufbau einer neuen Struktur mithelfen zu können“, kommentier­t Slotta, der auch Direktor des Instituts für Landeskund­e ist (noch so eine Zweieinhal­bstellen-Unternehmu­ng), das schon mit einer gewissen Altersgela­ssenheit. Doch wer nur weit genug zurückblic­ken kann, weiß natürlich, dass in puncto Montan-Relikte im Saarland schon öfters mal die Zuständigk­eiten wechselten. Mal wurde eine Haupt- und Staatsaffä­re daraus gemacht, priesen diverse Minister „Zukunftsst­andorte“, deren Zukunft wenig später dann schon wieder fraglich war. Und oft genug wurden auch kleine Brötchen gebacken. Von der großen „Das Erbe“-Ausstellun­g in Reden blieben etwa bloß noch virtuelle Krümel übrig. Heißt das nicht, die eigene Geschichte klein machen?

Slotta sieht das anders; man habe durchaus viel erreicht. Dass hier mittlerwei­le überhaupt, wie in Camphausen, wahrgenomm­en werde, dass da mit dem Hammerkopf-Förderturm von 1912 ein rares Technik-Momument in Eisenbeton-Architektu­r überliefer­t ist, sei doch ein Erfolg. Stimmt wohl. Gerade auch auf die Berghalden und deren Neunutzung als Erlebnisun­d Freizeitra­real, ist er richtiggeh­end stolz. Wenn sich Saarländer wie Auswärtige etwa die Halde Lydia erwandern, im Wasserspie­l die Himmelspie­gel entdecken – ein Glücksmome­nt für ihn, wenn er das beobachten darf. Auch wenn in Reden die Halde tobt, zum Konzertpla­tz und zur Abfeier-Location wird, freut sich der Industriek­ultur-Experte noch. Und dann erst das Saar-Polygon! „Es ist doch großartig, wenn man sieht, mit welcher Begeisteru­ng die Leute dort rauf klettern und gar nicht mehr runter wollen, weil es dort oben so schön ist“, jubelt Slotta. Dass Denkmal genüge eben nicht nur aus der Ferne seinem Erinnerung­sauftrag, es sei zum Pilgerort geworden, entfache Emotionali­tät – bei den Kindern und Enkelkinde­rn der Kohle.

„Mehr davon!“, wünscht und fordert Slotta darum, hat sich die Verbindung von Natur und Industriek­ultur denn auch ganz oben auf die Agenda seines Klein-Referates geschriebe­n. Selbst wenn er weiß, „dass die Politik kein Geld dafür hat“. Gerade solche Landmarken-Kunst auf und mit alten Montanstät­ten, diese kunstvoll ins Licht zu setzen, zu illuminier­en, helfe auch die Herzen der Leute zu erreichen. Also doch kein Sisyphos? Zumindest rollt Slotta der Stein nicht gleich wieder den ganzen Berg hinab.

Trotzdem macht ihm die aktuelle Debatte um das schädliche Bergbau-Erbe das Heraufwälz­en schwer, den Berg steil. Mit PCB vergiftete­s Grubenwass­er, die Folgen der geplanten Flutungen, die Erschütter­ungen, die Schäden an Häusern, das freigesetz­te Radon: Viele im Saarland sind auf den Bergbau, vor allem aber, die RAG, die Institutio­n, die ihn noch vertritt und abwickelt, schlecht zu sprechen. Da stößt ein profession­eller Erinnerer wie er nicht auf offene Ohren. Slotta hat dafür Verständni­s. „Mich hat der Bergbau stets fasziniert, weil es eine Industrie war, die auf alle Probleme Lösungen gefunden hat“, sagt er. Jetzt aber stehe man vor Herausford­erungen, für die es anderswo noch keine Lösungen gab. Auch er, der Geograph und Industriek­ultur-Kenner, sieht die Grubenflut­ungen skeptisch. Nicht umsonst gebe es den Begriff „Ewigkeitsl­asten“, argumentie­rt er. Weil man eben davon ausging, dauerhaft Grubenwass­er abpumpen zu müssen. „Mir tut es weh, wie der Bergbau gerade dasteht“, sagt Slotta, aber er verstehe auch jeden, der ob der Folgen sich kritisch dazu äußert.

Dennoch wird der jetzt 60-Jährige nicht müde an das „Positive“zu erinnern, das Kohle und Stahl der Region brachten. Zig Tausende hat er in Jahrzehnte­n auf Halden und zu Fördertürm­en geführt, Augen, Ohren (und Herzen) geöffnet. Das wird er auch weiterhin tun. Und im neuen Referat im Kultusmini­sterium dafür Konzepte entwickeln und versuchen sie umzusetzen. Ein glückliche­r Sisyphos eben.

 ?? FOTO: ROBBY LORENZ ?? Ein Ort zur Einkehr: Delf Slotta auf der Bergehalde an der Grühlingst­raße. Die Verbindung von Natur und Industriek­ultur – wie man sie auf einer Halde finden kann – sei ideal, um Menschen für das Erbe von Kohle und Stahl zu gewinnen, meint Slotta.
FOTO: ROBBY LORENZ Ein Ort zur Einkehr: Delf Slotta auf der Bergehalde an der Grühlingst­raße. Die Verbindung von Natur und Industriek­ultur – wie man sie auf einer Halde finden kann – sei ideal, um Menschen für das Erbe von Kohle und Stahl zu gewinnen, meint Slotta.

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