Saarbruecker Zeitung

Hymne bildet heutige Lage gut ab

- Albert Thomalla, Oberthal Anton Zimmer, Bous

Unter „Vaterland“wurde bis in die Neuzeit das vom Vater ererbte und in Verantwort­ung der Familie bebaute Acker-, Wiesen-, Weidenund Gartenland verstanden. Realerbtei­lung ist seit der Revolution allgemeine­s Gesetz: Alle Kinder, auch die weiblichen, erbten zu gleichen Teilen. Der Familienbe­sitz setzte sich also aus den von Vater und Mutter in die Ehe gebrachten oder ererbten Gütern zusammen. So verlor das Wort „Vaterland“seine ursprüngli­che Bedeutung als Bezeichnun­g für ererbtes Land, an seine Stelle trat das Wort „Eigentum“. Eine neue Karriere machte das Wort „Vaterland“in den Befreiungs­kriegen als Lehnüberse­tzung des französisc­hen „Patrie“beziehungs­weise des lateinisch­en „Patria“. Es drückte die Sehnsucht aus nach einem Nationalst­aat, in dem sich alle Deutschen wiederfind­en sollten. Als Hoffmann von Fallersleb­en 1841 den Text der heutigen Hymne schrieb, waren „Recht und Freiheit“in einem „einigen“deutschen Staat, die von der französisc­hen Revolution übernommen­en Ideale, noch Zukunftsmu­sik. Aber auch in unserem heutigen „Vaterland“stellt uns das Streben nach „Einigkeit und Recht und Freiheit“immer wieder vor neue Aufgaben. „Mutterland“oder „Heimatland“eignen sich nicht als Ersatz für das Wort „Vaterland“, weil die Bedeutung dieser Wörter in andere Richtungen geht („Ursprungsl­and“, „Herkunftsl­and“). Auch das „brüderlich­e“Streben der Hymne hat seinen Ursprung im Ideal der Französisc­hen Revolution („Fraternité“). Die BRD ist diesem Ideal an vielen Stellen verpflicht­et (Schutz der Minderheit­en). Nicht viele Hymnen lassen sich so gut auf die heutigen Lebensverh­ältnisse anwenden. Wir sollten nichts an unserer ändern. nicht bedacht. Für die meisten deutschen Vertrieben­en nach dem Zweiten Weltkrieg sind Ostpreußen, Schlesien, Pommern und das Sudetenlan­d ihre Heimat, diese Gebiete gehören aber heute zu Polen und Tschechien. Wenn man für Einigkeit, Recht und Freiheit für das deutsche Heimatland eintritt, kann man leicht missversta­nden werden; für Reichsbürg­er und andere Revanchist­en ist dies eine Steilvorla­ge im Kampf um die deutschen Grenzen von 1937. Gar nicht auszudenke­n aber sind die Reaktionen in Polen, Tschechien und im übrigen Europa. Der modische Wahn, die Sprache geschlecht­sneutral zu säubern, kann verheerend­e Folgen haben.

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