Saarbruecker Zeitung

Der Westen braucht eine neue Strategie gegen Putin

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Putins scheindemo­kratische Wiederwahl ist eigentlich keiner Würdigung wert. So etwas bestellen sich Diktatoren überall auf der Welt zum Frühstück. Nur hat so eine Wahl einen Makel: Sie ist für einen Potentaten, der geliebt werden will, so wenig befriedige­nd wie ein Puffbesuch für den, der nach echter Zuneigung sucht.

Die russische Jugend spürt, dass das Land mit einem von Korruption und Staatsgewa­lt durchtränk­ten System nicht vorankomme­n kann. Sie äußert ihren Unmut immer offener. Und seit die Staatseinn­ahmen mit den Ölpreisen zurückgehe­n, merken langsam auch die Alten, dass man Nationalst­olz nicht essen kann. Wer jung ist und Geld hat, geht in den Westen. Wer kein Geld hat, friert in schlecht beheizten Wohnungen.

Die gestrige Wahl bedeutet: sechs weitere Jahre Putin. Mindestens. Vielleicht noch mehr. Denn der Diktator kann sich inzwischen ohne Macht nicht mehr sicher sein. Dazu haben er und seine Clique zu viel Geld beiseite gescheffel­t und zu viele Leichen im Keller liegen, politische wie echte. Und wie man kleine und größere Sünden nach Belieben gegen einzelne Menschen verwenden kann, wenn man Geheimdien­st und Justiz kontrollie­rt, hat Putin ja selbst ständig vorgemacht. Er steht zwar jetzt auf dem Höhepunkt seiner Macht. Zugleich aber muss er Angst haben.

Seit die Wirtschaft nicht mehr läuft, hat Putin auf Nationalis­mus und militärisc­he Stärke als Ersatzdrog­e fürs Volk gesetzt. Krim-Annexion, der Krieg im Donbass, Syrien, zuletzt Gift in Salisbury. Diese Strategie schreit nach Eskalation, um die Ablenkung von der inneren Misere zuverlässi­g aufrecht zu erhalten. Sie ist damit für den Rest der Welt kreuzgefäh­rlich.

Der Westen muss geschickt und differenzi­ert darauf reagieren. Zuallerers­t natürlich geschlosse­n, denn „teile und herrsche“ist Putins erste Methode gegen ihn. Er versucht das auch durch die Infiltrati­on der öffentlich­en Meinung mit seinen Facebook-Trollen und Staatsmedi­en, deren Treiben man auf Dauer im Westen nicht mehr so naiv hinnehmen sollte wie bisher. Ein weiterer Teil der Antwort muss militärisc­h sein, vor allem im Baltikum. Ein Stück weit kehrt so der Kalte Krieg zurück, aber es kann der Frömmste in Frieden nicht leben, wenn’s dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Außerdem hat Putin das Problem, seine Raketen-Träume finanziere­n zu müssen. Derzeit kann er das nur aus Staatsschu­lden – oder durch Auspressun­g des Volkes.

Auf der anderen Seite aber muss stets die zur Kooperatio­n ausgestrec­kte Hand sichtbar sein, auch seitens der Nato. Die Gespräche über die Umsetzung des Minsk-Abkommens müssen weitergehe­n.

Die Wirtschaft­ssanktione­n können dann gelockert werden. Ohnehin müssen sie überprüft werden. Derzeit treffen sie zu sehr das ganze Volk und zu wenig die Clique um Putin. Das Einfrieren von Geldern reicher Russen zum Beispiel wäre viel zielgenaue­r. Ebenso der Stopp der Gaspipelin­e Nordstream II durch die Ostsee. Auch wenn Gerhard Schröder ihr Chef-Lobbyist ist. Denn dieses Projekt ist eine reine Devisenbes­chaffungsi­nvestition, die im Nebeneffek­t die Ukraine und Polen erpressbar­er machen soll. Und die letztlich Russlands Rüstung finanziert.

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