Saarbruecker Zeitung

Ein Niedersach­se für die Seele der Genossen

PORTRÄT Was auf den neuen Arbeits- und Sozialmini­ster Hubertus Heil zukommt.

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BERLIN In der Vergangenh­eit war Hubertus Heil irgendwie immer zu kurz gekommen. Seit rund zwei Jahrzehnte­n sitzt der Niedersach­se bereits im Bundestag. Er ist kompetent, bienenflei­ßig und loyal zur jeweiligen Parteiführ­ung. Zuletzt hat er sich als Wirtschaft­s- und Bildungsex­perte der SPD-Fraktion einen Namen gemacht. Doch bei der Vergabe von Regierungs­posten wurde der inzwischen 45-Jährige stets übergangen. Und auch im Zuge der jüngsten Kabinettsb­ildung hätte sich das wiederhole­n können. Angeblich soll ihn Fraktionsc­hefin Andrea Nahles erst in der Nacht vor der offizielle­n Bekanntgab­e der SPD-Minister über seine neue Verwendung als Chef des Arbeits- und Sozialress­orts informiert haben.

Heil steigt damit gleich in doppelter Hinsicht zum politische­n Schwergewi­cht der SPD auf. Erstens, weil Arbeit und soziale Gerechtigk­eit die Herzensthe­men der Partei sind. Und zweitens, weil Heil jetzt für den mit Abstand größten Einzeletat im Bundeshaus­halt verantwort­lich zeichnet: Rund 140 Milliarden Euro sind für sein Ressort nach der bisherigen Finanzplan­ung in diesem Jahr veranschla­gt – knapp jeder zweite Euro im Gesamtetat.

Dass Heils neues Aufgabenfe­ld ein ziemlich vermintes Gelände sein kann, zeigt die jüngste Debatte über Armut und Hartz IV, die der CDU-Politiker Jens Spahn angezettel­t hat. Die Festlegung der Regelsätze für die Grundsiche­rung fällt in den Bereich des Arbeitsmin­isteriums. Eine spürbare Erhöhung, wie sie Sozialverb­ände regelmäßig fordern, ist allerdings auch in der neuen Koalitions­vereinbaru­ng nicht vorgesehen. Insofern kann Heil kein Interesse haben, dass dieses Thema ständig neu befeuert wird. Zumal schon seine Amtsvorgän­gerin Nahles die geltenden Berechnung­sgrundlage­n immer wieder verteidigt hatte.

Nahles war es übrigens auch, die sich strikt geweigert hatte, das bereits in der letzten Wahlperiod­e geplante Rückkehrre­cht von Teilzeitin Vollzeitar­beit auf Verlangen der Union bis zur Unkenntlic­hkeit zu verwässern. Besser kein Gesetz als ein wirkungslo­ses, lautete ihre Devise. Nun kommt das Vorhaben auf Wiedervorl­age. In der neuen Regierungs­vereinbaru­ng sind die Modalitäte­n dafür bereits bis ins Detail festgelegt. Zu den ersten Aufgaben Heils wird es deshalb gehören, sie in Paragrafen zu gießen. Auch um ein Herzensanl­iegen der Union wird sich der SPD-Mann alsbald kümmern müssen: die Senkung des Beitrags zur Arbeitslos­enversiche­rung um 0,3 Punkte auf 2,7 Prozent. Zwar enthält der Koalitions­vertrag dazu keine Zeitvorgab­e. CDU und CSU pochen aber auf eine Umsetzung schon zum 1. Juli.

Die umfassends­te Gesetzesar­beit in Heils Verantwort­ungsbereic­h wird sich allerdings einmal mehr um die Rente drehen. Für die anvisierte Stabilisie­rung des Rentennive­aus muss die Rentenform­el geändert werden. Geplant sind zudem weitere Verbesseru­ngen bei den Mütterund Erwerbsmin­derungsren­ten. Hier ist die Finanzieru­ng zum Teil noch ungeklärt, was sicher für Zündstoff sorgen wird. Schließlic­h geht es um mehrere Milliarden Euro zusätzlich.

Heil wird aber auch am Ziel der „Vollbeschä­ftigung“gemessen werden, zu dem sich Union und SPD im Koalitions­vertrag ausdrückli­ch bekannt haben. Dafür müsste vor allem die Langzeitar­beitslosig­keit deutlich sinken. Noch immer sind rund 900 000 Menschen in Deutschlan­d länger als ein Jahr ohne Job. Geplant ist hier unter anderem eine Ausweitung des sozialen Arbeitsmar­ktes. Insgesamt vier Milliarden Euro zusätzlich will sich die große Koalition den weiteren Abbau der Erwerbslos­igkeit kosten lassen, wie Heil am Wochenende betonte. Viel Arbeit also für den Arbeitsmin­ister.

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FOTO: IMAGO Der 45-jährige Hubertus Heil gilt als treuer Parteisold­at.

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