Saarbruecker Zeitung

EU und London einigen sich auf Übergangsf­rist

Die EU und London haben vereinbart, dass nach dem Austritt der Briten erst einmal alles beim Alten bleiben soll.

- VON VERENA SCHMITT-ROSCHMANN

Die Europäisch­e Union und Großbritan­nien haben einen Durchbruch bei den Brexit-Verhandlun­gen erzielt: Sie einigten sich auf eine 21-monatige Übergangsf­rist nach dem britischen EU-Austritt im März 2019.

(dpa) Nach dem britischen EU-Austritt in einem Jahr soll bis Ende 2020 erst einmal alles bleiben wie bisher: Die Europäisch­e Union und Großbritan­nien sind sich einig über eine 21-monatige Übergangsf­rist. Den Durchbruch verkündete­n der EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier und der britische Brexit-Minister David Davis gestern in Brüssel. Dies bedeutet mehr Zeit für Unternehme­n und Bürger, um die Folgen des Brexits abzufedern.

Dass man sich einig wurde, werteten beide Seiten als wichtigen Schritt hin zu einem geordneten Austritt. „Das ist in meinen Augen eine entscheide­nde Etappe“, sagte Barnier. „Aber eine Etappe ist eben eine Etappe. Wir sind noch nicht am Ende des Weges.“Der EU-Gipfel soll am Freitag Zwischenbi­lanz ziehen.

Großbritan­nien will Ende März 2019 die EU, den gemeinsame­n Binnenmark­t und die Zollunion verlassen. Erwartet wird ein dramatisch­er Bruch mit möglichen neuen Zollund Grenzkontr­ollen, der Handel und gemeinsame Produktion­sketten schwierige­r macht. Auch können Bürger dann nicht mehr einfach aus der EU nach Großbritan­nien ziehen und umgekehrt. London hatte deshalb eine etwa zweijährig­e Übergangsp­hase vorgeschla­gen. Auf Wunsch der EU wird sie nun etwas kürzer ausfallen.

In der Zeit soll Großbritan­nien sich weiter an alle EU-Regeln halten und auch finanziell­e Beiträge wie bisher nach Brüssel überweisen. EU-Bürger können sich wie bisher in Großbritan­nien niederlass­en – und umgekehrt. Dafür behält das Vereinigte Königreich Zugang zum EU-Binnenmark­t und bleibt Teil der Zollunion. Zugeständn­is der EU: London darf in der Übergangsz­eit bereits eigene Handelsver­träge mit anderen Ländern aushandeln und ratifizier­en. Sie dürfen aber erst ab 2021 in Kraft treten.

Davis sprach von „einer Brücke in die Zukunft“. Vor allem die Wirtschaft brauche Planungssi­cherheit. „Firmen brauchen ihre Investitio­nsentschei­dungen nicht hinauszöge­rn oder sich durch Notfallplä­ne hetzen, während sie über die künftigen Beziehunge­n rätseln“, sagte der Brexit-Minister. „Stattdesse­n haben sie jetzt Sicherheit über die Bedingunge­n, die unmittelba­r nach unserem Austritt herrschen.“

In der Übergangsp­hase soll auch das künftige Verhältnis zwischen EU und Großbritan­nien geklärt werden. London wünscht ein umfassende­s Freihandel­sabkommen mit Zugang zum Binnenmark­t für einzelne Branchen. Die EU ist zurückhalt­end und will „Rosinenpic­ken“unbedingt vermeiden. Die Verhandlun­gen darüber könnten im April losgehen.

Gleichzeit­ig wird weiter am geplanten Austrittsa­bkommen gefeilt, das die EU bis Oktober unter Dach und Fach bringen will. Die Pufferfris­t kommt nur, wenn der Vertrag gelingt und rechtzeiti­g von beiden

„Wir sind noch nicht am Ende des Weges.“

Michel Barnier

EU-Chefunterh­ändler

Seiten ratifizier­t wird. „Nichts ist vereinbart, bis nicht alles vereinbart ist“, sagte Barnier. Man sei sich über große Teile einig, aber es sei noch Arbeit zu tun. Beide Seiten veröffentl­ichten einen 130 Seiten starken Entwurf, in dem noch etliche Passagen strittig sind.

Knackpunkt bleibt die Vermeidung einer festen Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland. Die EU rang Großbritan­nien die Bestätigun­g ab, dass notfalls im Norden der Insel weiter wichtige EU-Regeln gelten sollen – „falls und solange keine andere Lösung gefunden wird“, wie Barnier sagte.

Für Großbritan­nien ist das ein heikler Punkt. Bliebe Nordirland faktisch Teil der Zollunion und des Binnenmark­tes, entstünde eine Grenze zum Rest des Vereinigte­n Königreich­s – für die britische Regierung inakzeptab­el. Sie setzt auf „besondere Lösungen“, die aber noch nicht bekannt sind. Teil der gestrigen Vereinbaru­ng ist, in den nächsten Wochen intensiv über eine Lösung zu verhandeln.

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FOTO: DUNAND/AFP Sie sind sich zumindest über die ersten 21 Monate nach dem britischen EU-Austritt einig: Londons Brexit-Minister David Davis (links) und der Chefunterh­ändler der Union, Michel Barnier.

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