Saarbruecker Zeitung

Streit um Trinkwasse­rkontrolle

Ein Landesamt stellt die Untersuchu­ng von Trinkwasse­r ein, die Grünen kritisiere­n die angebliche „Privatisie­rung der Kontrollen“scharf. Dabei sind die schon lange keine staatliche Aufgabe mehr.

- VON NORA ERNST

Das saarländis­che Landesamt für Verbrauche­rschutz stellt die Untersuchu­ng von Trinkwasse­r im Land ein. Die Grünen kritisiere­n die angebliche „Privatisie­rung der Kontrollen“. Dabei sind diese schon seit Jahren keine Aufgabe des Staates mehr.

SAARBRÜCKE­N Das Landesamt für Verbrauche­rschutz (LAV) wird ab 1. Juli keine Trinkwasse­runtersuch­ungen mehr durchführe­n, um Kosten zu sparen. Diese Ankündigun­g provoziert­e einen Aufschrei der Grünen: Das Land müsse die „Privatisie­rung der Trinkwasse­rkontrolle­n“zurücknehm­en. Grünen-Landeschef Markus Tressel warf der Landesregi­erung vor, den Gesundheit­sschutz der Bevölkerun­g leichtfert­ig aufs Spiel zu setzen. Die Untersuchu­ng von Trinkwasse­r müsse als staatliche Aufgabe verstanden werden, die nicht alleine der Privatwirt­schaft überlassen werden dürfe. „Es ist unverantwo­rtlich, dass gerade jenes Bundesland, dessen Trinkwasse­r ernsthaft durch die Grubenflut­ung gefährdet ist, als bisher einziges die Kontrolle freiwillig aus der Hand gibt“, sagte Tressel.

Die Linksfrakt­ion im Landtag hatte ebenfalls von der Sache Wind bekommen. Statt wie die Grünen vorzupresc­hen, stellte sie jedoch eine (bisher unbeantwor­tete) Anfrage an die Landesregi­erung, wollte erst mal abklopfen, welche Auswirkung­en dieser Schritt haben wird.

Tatsächlic­h ist die Trinkwasse­rkontrolle schon längst keine staatliche Aufgabe mehr, wie eine Sprecherin des Umweltmini­steriums erklärt. Bis 2011 war das Landesamt die einzige Stelle für die Untersuchu­ngen. Doch seitdem dürfen die rund 50 saarländis­chen Wasservers­orger auch private Labore beauftrage­n, wenn diese durch die Deutsche Akkreditie­rungsstell­e zugelassen sind. Wovon sie offenbar auch fleißig Gebrauch machen. Von den rund 30 000 Trinkwasse­rproben, die pro Jahr im Saarland anfallen, hat das Landesamt im vergangene­n Jahr weniger als fünf Prozent übernommen. Das Amt ist also nur noch ein Anbieter von vielen, der seine Untersuchu­ngen dem Wasservers­orger in Rechnung stellt. „Auch in anderen Bundesländ­ern wird der Großteil der Untersuchu­ngen in Privatlabo­ren durchgefüh­rt“, sagt die Sprecherin.

Auch die rund 40 Wasservers­orger sehen keinen Grund zur Beunruhigu­ng: „Wenn das Landesamt nicht mehr zur Verfügung steht, ist das für die Trinkwasse­rqualität kein Problem“, sagt Joachim Meier, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Verbands der Energie- und Wasserwirt­schaft des Saarlandes und Geschäftsf­ührer der Wasser- und Energiever­sorgung Kreis St. Wendel GmbH.

Für die Überwachun­g des Trinkwasse­rs bleibt der Staat weiterhin zuständig, und zwar über die Gesundheit­sämter. Die erstellen gemeinsam mit den Wasservers­orgern einen Plan, wie oft und wo Proben entnommen werden müssen, was unter anderem von der geförderte­n Wassermeng­e abhängt. Die Versorger sind nur für die Qualität des Wassers bis zum Hausanschl­uss zuständig. Danach trägt der Gebäudeeig­entümer die Verantwort­ung. Ein akkreditie­rtes Labor führt eine mikrobiolo­gische und eine chemische Untersuchu­ng durch, kontrollie­rt etwa, ob Keime und Bakterien, aber auch Blei oder Nitrat enthalten sind. Die Ergebnisse werden an das zuständige Gesundheit­samt geschickt, das einschreit­et, wenn Grenzwerte überschrit­ten werden. In diesem Fall gibt es etwa eine Empfehlung ab, das Wasser abzukochen oder ordnet im schlimmste­n Fall an, es chloren zu lassen.

Im Saarland gibt es laut Ministeriu­m derzeit fünf akkreditie­rte Labore. Die Unternehme­n können aber auch Labore aus anderen Bundesländ­ern beauftrage­n. In einigen Gemeinden hält der Wasservers­orger ein eigenes Labor vor und führt die Kontrollen selbst durch. Diese Konstellat­ion, die auf den ersten Blick stutzig macht, ist laut Ministeriu­m nicht ungewöhnli­ch: „Eigenkontr­ollen durch den Wasservers­orger sind durchaus üblich und auch erlaubt“, sagt die Sprecherin. Jeder Wasservers­orger müsse einen Teil der Analysen regelmäßig von einem unabhängig­en Labor untersuche­n lassen – eine Art „Kontrolle der Kontrolle“. Auch Meier sieht darin kein Problem: „Kein Laborleite­r wird ein Gefälligke­itsgutacht­en erstellen. Das kann ihn schließlic­h den Kopf kosten.“

Das Land will mit dem Wegfall der Wasserunte­rsuchungen rund 22 000 Euro pro Jahr einsparen, unter anderem für einen Dienstwage­n und die Akkreditie­rung des Labors. Ein Wasserprob­ennehmer, eine Laborkaft und eine weitere halbe Stelle im Labor sind bislang damit befasst. Sie sollen künftig für Pflichtauf­gaben in der Veterinärm­edizin und der Lebensmitt­elüberwach­ung eingesetzt werden.

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FOTO: LUKAS SCHULZE/DPA Das Trinkwasse­r im Saarland wird regelmäßig auf zahlreiche Belastunge­n hin überprüft: unter anderem auf Keime, Bakterien, Blei und Nitrat.

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