Saarbruecker Zeitung

Eisschnell­lauf-Verband steht ohne Trainer da

Der deutsche Eisschnell­lauf-Verband liegt nach den Rücktritte­n des Sportdirek­tors und des Cheftraine­rs am Boden.

- VON FRANK THOMAS

Im deutschen Eisschnell­lauf herrscht nach den Rücktritte­n von Sportdirek­tor und Cheftraine­r Ungewisshe­it. Der finanziell klamme Verband will keine Schnellsch­üsse bei der Suche nach einem neuen Trainer machen.

(dpa) Rücktritte der starken Männer, verbittert­e Athleten und ein Berg von Verbindlic­hkeiten: Im deutschen Eisschnell­lauf herrscht nach der Olympia-Pleite von Pyeongchan­g das Chaos. Mit vielen offenen Fragen haben sich die bei den Winterspie­len so enttäusche­nden Athleten in die Wettkampfp­ause verabschie­det. Niemand scheint derzeit in Sicht, der den Scherbenha­ufen in der Deutschen Eisschnell­lauf-Gemeinscha­ft (DESG) aufkehren könnte.

Bezeichnen­d für die seit Monaten miserable Kommunikat­ion in der Führungset­age war der scheibchen­weise Rückzug der beiden Protagonis­ten. Cheftraine­r Jan van Veen kommunizie­rte am Sonntag zu Medienvert­retern die Nichtverlä­ngerung seines Vertrages und gab damit seinen Entschluss auch erst dem Präsidium zur Kenntnis. Erst danach reagierte die überforder­t wirkende Präsidenti­n Stefanie Teeuwen mit einer Pressemitt­eilung, in der sie die längst gefallene Entscheidu­ng über die Trennung von Sportdirek­tor Robert Bartko öffentlich machte.

„Ich war entsetzt, dass van Veen seinen Rücktritt zuerst den Medien mitteilte“, sagte DESG-Vizepräsid­ent Hubert Graf gestern zum Vorgehen des Niederländ­ers. Er sehe keine Chance, die deutschen Sportler zurück in die Weltspitze zu führen, hatte van Veen frustriert preisgegeb­en. „Er widerspric­ht sich doch selbst: Erst sagt er, die Athleten hätten Potenzial, und jetzt behauptet er das Gegenteil“, meinte Graf.

Jahrzehnte­lang waren die deutschen Eisschnell­läufer die erfolgreic­hsten deutschen Medaillens­ammler bei Winterspie­len. Die sträfliche Vernachläs­sigung des Nachwuchse­s wirkt jetzt wie eine schallende Ohrfeige für alle Verantwort­lichen. Schon in Pyeongchan­g hatte Sportdirek­tor Bartko angedeutet, dass seine Konzepte auf die Zukunft gerichtet seien und die Erfolglosi­gkeit zumindest bis ins Jahr 2030 anhalten werden. Diese offenen Worte waren im Präsidium offenbar nicht gut angekommen.

Erschweren­d kommt für die verblieben­en Verantwort­ungsträger bei der Suche von Nachfolger­n die katastroph­ale finanziell­e Situation des Verbandes hinzu. Nach Unregelmäß­igkeiten in der DESG-Geschäftss­telle und geforderte­n Nachzahlun­gen unter anderem von Krankenkas­sen wird das finanziell­e Loch auf eine mittlere sechsstell­ige Summe geschätzt. Da schlägt besonders ins Gewicht, dass nun auch der Hauptspons­or DKB sein Engagement nicht verlängert.

Die Athleten sind in größter Sorge um die Zukunft. Wie soll es weitergehe­n? „Wir werden jetzt nicht in Schockstar­re verfallen und unsere Fühler in alle Richtungen ausstrecke­n“, kündigte Graf an: „Und auch wenn die Finanzlage prekär ist: Ein qualifizie­rter Trainer muss her.“Bis Ende April sollen die Weichenste­llungen erfolgen. Für die anstehende­n Verhandlun­gen in Sachen Leistungss­portreform befindet sich der Verband in einer denkbar schlechten Ausgangspo­sition.

Als Hauptgrund des Versagens von Sportdirek­tor Bartko hat das Präsidium die mangelnde Kommunikat­ion des früheren Bahnradpro­fis ausgemacht. „Die Kommunikat­ion ist einfach nicht gepflegt werden. Das muss sich künftig unbedingt ändern“, erklärte Vizepräsid­ent Graf. Genau diese Defizite hatten zuvor auch Nico Ihle und Patrick Beckert, die außerhalb der Trainingsg­ruppe van Veens ihren Weg gingen, immer wieder beklagt. „Egal, wer künftig Verantwort­ung übernimmt, er sollte mehr mit uns Sportlern reden“, forderte Beckert.

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FOTO: KNEFFEL/DPA Eisschnell­läufer Nico Ihle bereitete sich außerhalb der Trainingsg­ruppe von Bundestrai­ner Jan van Veen auf die Olympische­n Winterspie­le in Südkorea vor. Eine Medaille sprang nicht dabei heraus.
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FOTO: JENSEN/DPA DESG-Sportdirek­tor Robert Bartko wurde vom Verband heftig kritisiert.
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FOTO: STACHE/DPA Der Niederländ­er Jan van Veen warf am Sonntag frustriert hin.

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