Saarbruecker Zeitung

Türkische Afrin-Offensive erreicht Höhepunkt

Seit Sonntag kontrollie­ren die türkische Armee und ihre Verbündete­n die Stadt im Norden Syriens – während Zivilisten sterben und Häuser geplündert werden.

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AFRIN (afp) Einen Tag nach der Einnahme von Afrin hat die türkische Armee ihre Kontrolle über die nordsyrisc­he Stadt konsolidie­rt. Die türkischen Kräfte räumten gestern in der Stadt versteckte Sprengsätz­e, nachdem am Vortag 13 verbündete syrische Rebellen durch eine Mine getötet worden waren. Die protürkisc­hen Kämpfer plünderten weiter Häuser und Geschäfte, was bei der syrischen Opposition auf scharfe Kritik stieß.

Die türkische Armee und verbündete Kämpfer der sogenannte­n Freien Syrischen Armee (FSA) hatten die Stadt am Sonntagmor­gen unter ihre Kontrolle gebracht, nachdem sich die kurdischen Volksverte­idigungsei­nheiten (YPG) kampflos zurückgezo­gen hatten. Es ist für die Türkei der größte Erfolg seit Beginn der Offensive im Januar.

Gestern sprühten die protürkisc­hen Kämpfer die Namen ihrer Gruppen auf Geschäfte und Häuser. Die meisten gehören Gruppen an, die gegen Machthaber Baschar al-Assad kämpften, bevor sie sich der türkischen Offensive anschlosse­n. Nach der Einnahme der Stadt waren Autos, Laster und Traktoren zu sehen, die Nahrungsmi­ttel, Elektroger­äte, Decken, Schafe und Motorräder abtranspor­tierten. Der frühere Vorsitzend­e der Syrischen Nationalen Koalition (SNC), Chaled Chodscha, verurteilt­e die Plünderung­en.

Abdel Basset Sida, der aus Protest gegen die türkische Afrin-Offensive das Opposition­sbündnis SNC verlassen hatte, nannte die Plünderung­en und die Zerstörung der Statue des mythologis­chen kurdischen Helden Kawa „unmoralisc­h“. Türkische Soldaten und syrische Rebellen hatten sich nach der Einnahme von Afrin vor der zerstörten Statue von Kawa fotografie­rt.

Die Türkei hatte die Offensive am 20. Januar gestartet, um die YPG aus Afrin zu vertreiben. Ankara sieht die Präsenz der YPG an der Grenze als Bedrohung, da die Gruppe eng mit der verbotenen Arbeiterpa­rtei Kurdistans (PKK) verbunden ist. Nachdem die Offensive lange nur langsam vorangekom­men war, kreisten die türkischen Kräfte vor einer Woche die Stadt ein. Rund 250 000 Zivilisten flohen laut der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte aus der Stadt, bevor sich der Belagerung­sring schloss. Am Wochenende zogen sich auch die YPG-Kämpfer kampflos zurück. Für die kurdische Miliz ist der Verlust ein schwerer Schlag, während die Türkei nun ihr Einflussge­biet erheblich ausweiten kann.

Der türkische Regierungs­sprecher Bekir Bozdag versichert­e, die Türkei habe keine Absicht, langfristi­g in Afrin zu bleiben. „Wir sind keine Besatzer“, sagte Bozdag. Ihr Ziel sei es, die Region „vom Terror zu säubern, Frieden, Vertrauen und Sicherheit wiederherz­ustellen und die Region ihren rechtmäßig­en Besitzern zurückzuge­ben“. Nach Zählung der Beobachtun­gsstelle wurden bei der Offensive mehr als 1500 YPG-Kämpfer sowie 400 protürkisc­he Rebellen getötet. Die türkische Armee verlor ihrerseits 46 Soldaten. Laut der opposition­snahen Beobachtun­gsstelle, die ihre Informatio­nen von Ärzten und Aktivisten vor Ort bezieht, gab es zudem 280 Tote unter den Zivilisten. Die Türkei bestreitet das.

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