Saarbruecker Zeitung

Wenn der Alltag an der Uni zur Qual wird

Immer mehr Studenten leiden unter psychische­n Erkrankung­en. Die Hochschule­n im Saarland stellen dabei keine Ausnahme dar.

-

berichtet Meier. Sein Studiengan­g habe absolut nicht dem entsproche­n, was die Uni versproche­n habe. „Das Studium ist eine reine Mogelpacku­ng“, sagt Meier. Seine Dozenten hätten zum Großteil kein Interesse an der Lehre und an ihren Studenten, es fehle zudem wegen Geldmangel am Nötigsten. „Die Probleme sind an der Uni längst bekannt, aber keiner tut etwas dagegen. Da fühlt man sich als Student einfach nicht ernst genommen.“

Die Situation an der Uni habe ihn völlig fertiggema­cht, sagt Meier. „Ich hatte schon vorher psychische Probleme, durch das Studium wurde es dann richtig schlimm“, so der Student. „Als ich aus der Schule kam, dachte ich, jetzt wird alles anders, aber es ging an der Uni genauso weiter.“Seine Probleme hätten sich in schweren Depression­en manifestie­rt. „Im ersten Semester war ich noch voll motiviert, gute Noten zu schreiben“, erzählt Meier. „Aber als ich gesehen habe, wie das hier abläuft, wollte ich das Studium nur noch möglichst schnell hinter mich bringen, einfach, um einen Abschluss zu haben.“Er habe daher mehr Kurse gewählt, als die Regelstudi­enzeit vorsehe, was die Probleme noch verschlimm­ert habe. „Irgendwann saß ich in der Bibliothek, um vier Referate gleichzeit­ig vorzuberei­ten“, so der 22-Jährige. „Dann wurde mir klar, dass ich mich aktiv mit Dingen beschäftig­e, die ich hasse und die mich nicht interessie­ren.“In dieser Phase hätten sich die Panikattac­ken verschlimm­ert, bis er irgendwann den Weg zur Uni nicht mehr geschafft habe.

Die wachsende Verzweiflu­ng des jungen Mannes gipfelte dann schlussend­lich in einem Suizidvers­uch. „Danach war ich dann zwei Monate in einer psychiatri­schen Klink“, erzählt er. „Ich war so festgefahr­en in dem Gedanken, möglichst schnell fertig werden zu müssen, jetzt brauche ich erstmal etwas Abstand.“

Ob er im Sommerseme­ster weiter studieren werde, weiß Meier noch nicht. Er habe aber wichtige Erkenntnis­se für sich gewonnen. „Ich würde heute jedem ans Herz legen, nicht zu versuchen, vor seinen Problemen wegzulaufe­n“, so sein Rat. Er selbst habe seine Verfassung viel zu lange versteckt. „Ich hatte anfangs große Probleme, darüber zu sprechen, auch im Freundeskr­eis“, berichtet er. „Es ist nun mal nicht so, als erzähle man von einer Erkältung. Psychische Erkrankung­en sind leider noch immer kein salonfähig­es Thema.“

Diese Angst vor Ablehnung sei allerdings unbegründe­t gewesen, sagt Meier. „Ich bin immer davon ausgegange­n, mit meinen Problemen allein zu sein, als ich dann endlich offen darüber geredet habe, haben meine Freunde total locker und verständni­svoll reagiert.“Er habe erst dann realisiert, dass es vielen anderen Studenten ähnlich wie ihm gehe. „Ich hätte viel früher offen darüber reden sollen, dann wäre es wohl nie so weit gekommen“, sagt er heute.

Für Studenten an den saarländis­chen Hochschule­n gibt es die Psychologi­sch-Psychother­apeutische Beratungss­telle (PPB) auf dem Campus der Saar-Uni. Dort werden Einzelgesp­räche und Gruppenwor­kshops für häufig auftretend­e Probleme angeboten. Die Nachfrage hat sich laut PPB seit Anfang der 1990er-Jahre fast verdoppelt. Rund 500 Studenten ließen sich pro Jahr in Einzelgesp­rächen beraten. Diese reichten vom wenige Minuten andauernde­n Gespräch bis hin zur mehrmonati­gen psychother­apeutische­n Begleitung bei Depression­en und anderen schweren psychologi­schen Beeinträch­tigungen, so das PPB.

Die Hilfesuche­nden seien in der Regel sehr jung. Vier Fünftel seien unter 30 Jahre alt, der überwiegen­de Teil studiere in den ersten drei Semestern. Die meisten fühlten sich überforder­t vom Studium, hinzu kämen häufig noch persönlich­e Schwierigk­eiten, unter anderem alterstypi­sche Selbstwert- und Identitäts­probleme. Hier könne auch eine Verbesseru­ng in der Studienorg­anisation unterstütz­end wirken, so die Einschätzu­ng des PPB.

Auch bundesweit ist die Nachfrage ungebroche­n hoch: Laut DSW haben 2016 in Deutschlan­d rund 32 000 Studierend­e Einzel- und etwa 45 000 Gruppenges­präche in Anspruch genommen.

Das DSW sieht vor allem die Politik in der Pflicht: „Die konstant hohe Nachfrage der Beratungsa­ngebote zeigt, wie wichtig es ist, diese ausreichen­d zu finanziere­n“, sagt DSW-Generalsek­retär Achim Meyer auf der Heyde. „Das Deutsche Studentenw­erk fordert deshalb von Bund und Ländern seit Langem einen Hochschuls­ozialpakt zur sozialen Infrastruk­tur, um die Qualität der Beratungsa­ngebote zu erhalten und der sich wandelnden Studienrea­lität anzupassen.“

 ?? FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA ?? Viele Studenten fühlen sich mit ihren Problemen alleingela­ssen. Doch die Universitä­ten bieten psychologi­sche Beratungen an.
FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Viele Studenten fühlen sich mit ihren Problemen alleingela­ssen. Doch die Universitä­ten bieten psychologi­sche Beratungen an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany