Saarbruecker Zeitung

Die Polizei auf Patrouille im Internet

Um in sozialen Netzwerken Präsenz zu zeigen, bauen immer mehr Kriminalbe­hörden in Deutschlan­d Spezialein­heiten auf.

- VON KRISTIN KRUTHAUP

BERLIN (dpa) Seit Jahren gibt es das Phänomen, dass manche Nutzer in den sozialen Netzwerken alle Hemmungen verlieren und Gerüchte, Hasskommen­tare und Beleidigun­gen verbreiten. Die Polizeibeh­örden reagieren und zeigen in den sozialen Netzwerken immer häufiger mit eigenen Seiten Präsenz.

Laut Erhebungen der Fachhochsc­hule der Polizei des Landes Brandenbur­g hat es Anfang 2017 bundesweit 216 Social-Media-Accounts der Polizei gegeben. „Inzwischen schätze ich, dass es rund 300 sind“, sagt Kriminolog­e ThomasGabr­iel Rüdiger von der Fachhochsc­hule. Präsent sei die Polizei vor allem auf Facebook und Twitter, aber immer häufiger auch auf Instagram.

Bei der Berliner Polizei gibt es seit 2015 ein Social-Media-Team. Die Amtsstube unterschei­det sich kaum von anderen. Schreibtis­che mit Computern, eine Zimmerpfla­nze, ein altes Sofa. „Wir berichten über Einsätze, machen Prävention­sarbeit und veröffentl­ichen Fahndungsa­ufrufe und helfen bei der Nachwuchss­uche“, erklärt Leiterin Yvonne Tamborini die Aufgaben. Sechs ausgebilde­te Polizisten gehören zur Truppe.

Ermittlung­sarbeit macht das Team nicht, strafrecht­lich relevante Fälle gibt es an den Staatsschu­tz weiter. Im Jahr 2016 leitete der Berliner Staatsschu­tz nach Polizeiang­aben 179 Verfahren wegen Hassbeiträ­gen ein. 2017 waren es bis September 149.

Die Berliner Polizei ist auf Twitter, Facebook und Snapchat präsent. Noch in diesem Jahr soll ein Instagram-Kanal folgen. Mit der 24-Stunden-Kampagne #24hPolizei twittern die Beamten regelmäßig über alle Einsätze an einem Tag.

Als eine der ersten war die Polizei in Niedersach­sen im Netz unterwegs. 2016 bekamen die Beamten der bayerische­n Polizei in München viel Anerkennun­g für ihre Arbeit in den sozialen Netzwerken während des Amoklaufs in einem Einkaufsze­ntrum.

Das Besondere an der Öffentlich­keitsarbei­t im Netz sei, dass es immer gleich Rückmeldun­g gebe, sagt Tamborini. Die Nutzer könnten jede Veröffentl­ichung kommentier­en. Auf ihre Reaktion zu einem Tweet des Pegida-Gründers Lutz Bachmann zum Beispiel bekam die Polizei 4391 Kommentare. In solchen Fällen tippt sich das sechsköpfi­ge Team die Finger wund. Die Beamten versuchen, auf so viele Kommentare wie möglich zu antworten. „Wenn du schweigst, bleiben negative Kommentare einfach stehen“, sagt Tamborini.

Die Polizei stellt das vor Herausford­erungen. Die sozialen Medien sind extrem schnell. Um als Behörde zügig reagieren zu können, hat das Social-Media-Team deswegen große Freiheiten. Nur im Einzelfall brauchte es für einen Tweet das Okay von oben.

Die Gefahr, sich im Ton zu vergreifen oder auch etwas Falsches zu schreiben, sei allerdings immer gegeben, sagt Tamborini. Und manchmal brauchten Kollegen auch eine Pause. „Das tendenziös­e, negative Grundrausc­hen im Netz ist nicht immer leicht zu ertragen.“

Yvonne Tamborini

Leiterin des Social-Media-Teams der

Berliner Polizei

Die Arbeit der Berliner Polizisten ist nach Ansicht des Kriminolog­en Rüdiger nur ein Anfang: „Wir brauchen eine höhere Sichtbarke­it der Polizei im Netz“, fordert er. Auch einzelne Polizisten sollen in sozialen Netzwerken dienstlich­e Accounts haben, so seine Idee. Nur dann könne die Polizei Grenzübers­chreitunge­n im Netz Einhalt gebieten. Gut findet er auch die Idee einer Internetst­reife.

Diese Idee wird in Sachsen-Anhalt schon umgesetzt. Seit Dezember 2017 patrouilli­eren dort zwölf Beamte im Netz. Sie suchen nach strafbaren Inhalten und sorgen dafür, dass ein Ermittlung­sverfahren gegen die Nutzer eingeleite­t wird.

„Wir wollten nicht nur auf Hinweise reagieren, sondern wie auf der Straße auch im Netz Streife fahren“, sagt Andreas von Koß vom Landeskrim­inalamt Sachsen-Anhalt. Zahlen zum Erfolg des Projekts gibt es noch nicht.

Datenschut­zrechtlich­e Bedenken gegen eine Internet-Streife in dieser Form gebe es dabei nicht, sagt Thomas Petri, Datenschut­zbeauftrag­ter in Bayern. „Wenn jemand seine Aussagen in sozialen Netzwerken öffentlich stellt, muss er damit rechnen, dass die Polizei sie zur Kenntnis nimmt.“In strafrecht­lich relevanten Fällen müssten Nutzer dann eben auch mit Konsequenz­en rechnen.

„Das tendenziös­e, negative Grundrausc­hen im Netz ist nicht immer

leicht zu ertragen.“

Facebook wegen Weitergabe von Daten unter Druck

WASHINGTON (dpa) Nach Berichten, dass eine Datenanaly­se-Firma im Wahlkampf von Donald Trump sich unerlaubt Zugang zu Daten von über 50 Millionen Nutzern von Facebook verschaffe­n konnte, gerät das soziale Netzwerk unter politische­n Druck. Die Aussagen von Unternehme­nssprecher­n, dass dabei keine Facebook-Systeme gehackt wurden, sondern rechtmäßig erhaltene Daten illegal weitergege­ben wurden, ließen Rufe nach mehr Regulierun­g für Online-Plattforme­n lauter werden.

Facebook hatte am Wochenende die Datenanaly­se-Firma Cambridge Analytica ausgesperr­t, die seinerzeit dem Wahlkampft­eam von US-Präsident Trump geholfen hatte. Cambridge Analytica hatte die Nutzerdate­n von dem britischen Professor Aleksandr Kogan bekommen, der bei Facebook eine Umfrage durchgefüh­rt hatte. Sie war beim Online-Netzwerk als wissenscha­ftliche Persönlich­keitsforsc­hung angemeldet worden.

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FOTO: PAUL ZINKEN/DPA Bei der Berliner Polizei gibt es seit 2015 ein Social-Media-Team. Insgesamt gehören sechs Polizisten zur Truppe.

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