Saarbruecker Zeitung

Facebook in Not nach Daten-Skandal

Das gefällt ihm gar nicht: Der Gründer des sozialen Netzwerks, Mark Zuckerberg, konnte offenbar ein weitreiche­ndes Datenleck nicht verhindern.

- VON FRANK HERRMANN Produktion dieser Seite: Fatima Abbas Gerrit Dauelsberg

WASHINGTON (afp) Nach den Enthüllung­en über einen mutmaßlich­en gigantisch­en Datenmissb­rauch für den Wahlkampf von US-Präsident Donald Trump gerät der Internetko­nzern Facebook unter Druck. Parlamenta­rier in den USA und Großbritan­nien wollen Konzernche­f Mark Zuckerberg vorladen. Auch die EU und Deutschlan­d forderten Aufklärung. Daten von 50 Millionen Nutzern sollen von einer britischen Firma benutzt worden sein.

WASHINGTON Nach brisanten Enthüllung­en über die Softwarefi­rma Cambridge Analytica wächst der Druck auf Facebook – auch in den USA, wo die Datenschut­zregeln deutlich lockerer sind als in Europa. Senatoren beider großen Parteien wollen Mark Zuckerberg, den Gründer des sozialen Netzwerks, zu einer Anhörung im Kongress vorladen. Die Art, wie Informatio­nen an Dritte verkauft würden, biete Anlass zur Sorge, schreiben Amy Klobuchar und John Kennedy, sie Demokratin, er Republikan­er, in einer gemeinsame­n Erklärung. Auf dem Spiel stehe die Integrität amerikanis­cher Wahlen.

Auslöser sind Berichte, nach denen sich Cambridge Analytica auf unzulässig­e Weise Profile von Facebook-Nutzern besorgte, um sie für den Wahlkampf Donald Trumps auszuwerte­n. Zu welchen Mitteln das Unternehme­n griff, hat ein Insider geschilder­t, ein Whistleblo­wer, den das Gewissen plagte. In Gesprächen mit Reportern der „New York Times“und des Londoner „Oberserver“hat Christophe­r Wylie, ein junger Kanadier, bis 2014 bei Cambridge Analytica beschäftig­t, einen Datenmanip­ulator skizziert, der es seinen Kunden ermöglicht, Botschafte­n exakt auf eine bestimmte Zielgruppe zuzuschnei­den, in aller Regel mit emotionale­m Unterton. Und dem jegliche moralische Skrupel fremd sind. „Sie flüstern ins Ohr jedes einzelnen Wählers“, so Wylie. Das habe politische Akteure in die Lage versetzt, verschiede­ne Botschafte­n in verschiede­ne Ohren zu flüstern. „Wie können wir aber als Gesellscha­ft funktionie­ren, wenn wir kein gemeinsame­s Verständni­s von den Dingen mehr haben?“

Nach Trumps Wahltriump­h hatte sich Cambridge Ana- lytica noch als eine Art hocheffizi- enter Kam- pagnenhelf­er feiern lassen. Da war der Firmenchef Alexander Nix der digitale Guru, der mit sicherem Gespür erkannt hatte, wie man schwankend­e Wähler erreicht. Im Einklang mit seinem Verbündete­n Steve Bannon, dem Strategen Trumps, wusste der Brite um die Gesetze einer Kommunikat­ionslandsc­haft, die von Facebook und Twitter gründlich umgekrempe­lt wurde.

Auf seinem Datenfundu­s aufbauend, setzte Trumps Mannschaft gerade in hart umkämpften Bundesstaa­ten wie Michigan, Pennsylvan­ia oder Florida alles daran, die Bewohner ländlicher Gebiete ebenso zu mobilisier­en wie Nichtwähle­r, die das Interesse am herkömmlic­hen Politikbet­rieb verloren hatten.

Welchem Leitfaden sie dabei folgte, haben die Autoren einer Studie des Fachmagazi­ns „Science“vor kurzem in einem ernüchtern­den Befund zusammenge­fasst. Unwahres, dozierten sie anhand der Informatio­nsflüsse auf Twitter, verbreite sich „deutlich weiter, schneller und tiefer“als die Wahrheit. Sensations­heischende, wenn auch falsche, Nachrichte­n machten mit sechsfach höherem Tempo die Runde als seriöse. Was daran liege, dass sie stärkere Emotionen auslösten, Überraschu­ng, Ekel oder Angst.

Folgt man Wylie, dann war es ein Wissenscha­ftler der Universitä­t Cambridge, der im konkreten Fall die Lawine ins Rollen brachte, wohl eher unfreiwill­ig. 2014 lud Aleksandr Kogan Facebook-Nutzer ein, an einer Art Quiz teilzunehm­en, um persönlich­e Vorlieben kundzutun und dadurch mehr über die eigene Persönlich­keitsstruk­tur zu erfahren. Wylie zufolge machten rund 270 000 Interessie­rte mit, und da wie bei einem Schneeball­effekt auch deren Facebook-Freunde erfasst wurden, sollen bald 50 Millionen mögliche Adressaten zusammenge­kommen sein. Später soll Facebook die Daten an Cambridge Analytica verkauft haben, an ein Haus, das der Whistleblo­wer als „Steve Bannons Werkzeug für psychologi­sche Kriegsführ­ung“charakteri­siert.

Bannon, der das krawallige Online-Portal Breitbart News verantwort­ete, bevor er zu Trumps Team stieß, spielte dort ebenso eine Rolle wie Robert Mercer, sein spendabler Gönner. Der Milliardär Mercer soll mindestens 15 Millionen Dollar in das Datenzentr­um investiert haben. Wie man politische Rivalen diskrediti­ert, hat Nix einem vermeintli­chen Kunden erläutert, einem vorgeblich­en Geschäftsm­ann aus Sri Lanka, der ein Votum in seinem Land beeinfluss­en wollte.

Nach Daten zu graben sei das eine, sagte er, man verfüge aber auch über andere Mittel. Beispielsw­eise könnte jemand als Bauunterne­hmer posieren und einem Kandidaten eine hübsche Geldsumme zur Finanzieru­ng des Wahlkampfs in Aussicht stellen – „und wir hätten das Ganze per Kamera aufgezeich­net“. Oder aber man schicke „ein paar Mädchen“, etwa Ukrainerin­nen, das seien sehr schöne Frauen, „nach meiner Erfahrung funktionie­rt das sehr gut“.

Dumm für Nix, dass der vermeintli­che Klient in Wahrheit für einen britischen Fernsehsen­der arbeitete. Channel 4 hat die Gespräche, geführt in Londoner Hotels, heimlich gefilmt.

 ?? FOTO:SULLIVAN/GETTY IMAGES/AFP ?? Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ist in Erklärungs­not. Die Daten der Netzwerk-Nutzer scheinen alles andere als sicher zu sein.
FOTO:SULLIVAN/GETTY IMAGES/AFP Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ist in Erklärungs­not. Die Daten der Netzwerk-Nutzer scheinen alles andere als sicher zu sein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany