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Die Internationale Raumstation überwacht künftig mit Sendern ausgerüstete Zugvögel aus der Umlaufbahn.
RADOLFZELL (np/us) Die Internationale Raumstation (ISS) bekommt eine neue Aufgabe. Sie soll zu einer Beobachtungsplattform für Ornithologen aufgerüstet werden. Mit einem von Wissenschaftlern der Max-Planck-Gesellschaft und der Uni Konstanz entwickelten Computersystem sollen unter anderem die Flugstrecken von Zugvögeln aus der Umlaufbahn untersucht werden. Eine knapp 200 Kilogramm schwere Spezialantenne, die mit einem russischen Progress-Transporter zur ISS geschickt wurde, sei ein Schlüsselelement dieses weltweiten Überwachssystems, erklärt Martin Wikelski, Direktor des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfzell und Leiter der sogenannten Icarus-Mission.
Die zur ISS transportierten Sendeund Empfangsmodule können mit über 15 Millionen Miniatursendern an jedem Ort der Erde kommunizieren. Mit diesen fünf Gramm leichten Messgeräten sollen Zugvögel ausgestattet werden, um mehr über ihre Flugstrecken zu erfahren. In einem ersten Test sollen im Frühsommer 300 Amseln an 35 Orten in Deutschland die Minisender erhalten, kündigt Wikelski an.
Von einzelnen Zugvögeln, wie dem nur acht Gramm schweren Fitislaubsänger ist bekannt, dass er Flugstrecken von mehreren tausend Kilometern zurücklegen kann. Das Gros der Zugvögel kann die Wissenschaft während ihrer langen Reisen aber nicht verfolgen, erklärt das Max-Planck-Institut für Ornithologie. Außer Milliarden Singvögel bewältigen auch viele Fledermaus- und unzählige Insektenarten große Strecken und wechseln dabei möglicherweise ebenfalls zwischen den Kontinenten. Dieses Wissen ist wichtig. Es spielt zum Beispiel eine große Rolle, wenn es um die Verbreitung von Krankheitserregern geht. Die Icarus-Antenne könne mit ihren beiden faltbaren Flügeln Funksignale aus einem 30 mal 800 Kilometer großen Gebiet empfangen, erklärt das Max-Planck-Institut.
Da sich die Flugbahn der ISS bei jedem ihrer 93 Minuten dauernden Orbits um 2500 Kilometer nach Westen verschiebt, deckten die Empfangsantennen an einem Tag bis zu drei Viertel der Erdoberfläche ab. Das Sendemodul der Icarus-Antenne schickt dabei den Minisendern Konfigurationskommandos und Informationen, wann sie zum nächsten Mal in den Empfangsbereich des Empfängers der Station kommen werden.
Wenn die Installation der Antenne reibungslos gelingt, könnte Icarus ab Herbst den wissenschaftlichen Betrieb aufnehmen, erklärt das Max-Planck-Institut für Ornithologie. Weltweit wollen dann Wissenschaftler in 150 Forschungsprojekten Wanderungen vieler Tierarten untersuchen. Neben Vögeln sind darunter auch Meeresschildkröten, Raubkatzen und Fledermäuse. Die Forscher erhoffen sich von den Daten Erkenntnisse zu den Auswirkungen des Klimawandels, der Ausbreitung von Epidemien und zur Katastrophenvorhersage.
In den kommenden fünf Jahren ist geplant, das Gewicht der sogenannten Animal-Tracker auf ein Gramm zu reduzieren. Damit wäre es theoretisch möglich, sogar Insekten wie Heuschrecken über große Distanzen aus dem All zu verfolgen. An der Auswertung der Daten wollen die Forscher in Zukunft auch die Öffentlichkeit teilhaben lassen. Mit einem Smartphone-Programm können „Citizen Scientists“(Bürgerwissenschaftler) Beobachtungen in das elektronische Netzwerk einspeisen. https://www.tiersensoren.mpg.de/ 4100/citizen-science
„Ab Juni werden wir an 35 Orten in Deutschland 300 Amseln mit unseren Minisendern ausstatten.“
Martin Wikelski
Max-Planck-Institut für Ornithologie