Saarbruecker Zeitung

„Investor muss Wurzel des Clubs akzeptiere­n“

Eintracht Frankfurts Vorstandsm­itglied spricht vor der DFL-Mitglieder­versammlun­g über seine Reformvors­chläge für die 50+1-Regel.

- DIE FRAGEN STELLTE SEBASTIAN STIEKEL

FRANKFURT (dpa) Morgen treffen sich in Frankfurt die Vereine der 1. und 2. Fußball-Bundesliga, auch um über die Zukunft der 50+1-Regel zu diskutiere­n. Eintracht Frankfurts Vorstand Axel Hellmann (46) hat als erster Vertreter konkrete Vorschläge zu einer Neugestalt­ung der Regel gemacht. Vor der Mitglieder­versammlun­g der Deutschen Fußball Liga (DFL) spricht er über seine Vorschläge, die Gefahren eines Investoren-Einstiegs und über die Entfremdun­g des Fußballs von seinen Fans.

Herr Hellmann, Sie sind dafür, den Einstieg von Investoren einerseits leichter zu machen, anderersei­ts aber auch an klare Bedingunge­n zu knüpfen. Was schlagen Sie vor?

AXEL HELLMANN Die Integrität des Wettbewerb­s und die Leistungsf­ähigkeit der Bundesliga stehen allem voran. Die Bundesliga muss sich im internatio­nalen Wettbewerb behaupten. Jede andere Sicht wäre eine Verkennung von Realitäten im internatio­nalen Medienund Sponsorenm­arkt. Investoren können hier je nach Charakter des Clubs einen positiven Beitrag leisten. Dies muss sich allerdings in einem klar abgesteckt­en Rahmen und auf der Grundlage unumstößli­cher Bedingunge­n bewegen. Der Investor muss die Wurzeln, die Tradition und Kultur des Clubs akzeptiere­n und darf nicht den Anspruch haben, die Identität des Clubs zu verändern. Und das wiederum muss durch einen umfassende­n Katalog von Punkten abgesicher­t werden, zum Beispiel den Namen, den Standort oder die Farben des Vereins. Dazu gehören auch fankulture­lle Themen wie der Erhalt der Stehplätze. All diese Bedingunge­n müssen unabhängig von der Höhe der Kapitalbet­eiligung des Investors sein. Und alle entscheide­nden Fragen müssen weiter der Mitbestimm­ung des Vereins und seiner Mitglieder unterliege­n.

Glauben Sie, dass auch eine Mehrheit der Erst- und Zweitliga-Vereine für eine solche Reform der 50+1-Regel ist?

HELLMANN Ich denke, dass die Mehrheit der Vereine nicht zufrieden ist mit der jetzigen Situation. Es gibt sicherlich einige, die an 50+1 festhalten wollen, weil natürlich ungewiss ist, was darauf folgt. Aber das darf uns doch nicht davon abhalten, in einer unbefriedi­genden Lage nach konstrukti­ven Lösungen zu suchen. Wenn es uns gelingt, die Schutzinte­ressen der 50+1-Regel mit den Zielsetzun­gen für die Entwicklun­g der Liga zusammenzu­führen, dann glaube ich schon, dass ein solches Grundlagen­statut mehrheitsf­ähig sein könnte.

Es gibt aktuell Fan-Demonstrat­ionen für den Erhalt der 50+1-Regel und gegen die Einführung von Montagaben­dspielen. Hinter allem steckt das Gefühl, dass es im Fußball nur noch um das große Geld geht. Glauben Sie, dass es einen Punkt gibt, ab dem sich die Menschen vom Massenprod­ukt Profifußba­ll abwenden könnten?

HELLMANN Die Menschen wünschen sich auf dem Platz einen fairen Wettbewerb, der abgesicher­t wird durch einen Schiedsric­hter, der über die Regeln wacht. Die Menschen wünschen sich aber auch außerhalb des Platzes einen fairen Wettbewerb nach klaren Regeln. Ich glaube: Sie werden die Leidenscha­ft für diesen Sport verlieren, wenn das Ergebnis vorher feststeht. Es ist zweifelsfr­ei nicht gut, dass dieselbe Mannschaft über Jahre immer deutscher Meister wird. Wenn das die nächsten zehn Jahre so weitergeht, wird man sich schon fragen: Mit welcher Motivation spielen wir noch eine deutsche Meistersch­aft aus? Und wie können wir das dem Kunden und dem Fan überhaupt noch vermitteln? Dies gilt aber auch, wenn in einen laufenden Wettbewerb mit externen Finanzmitt­eln eingegriff­en wird, wenn zum Beispiel ein Club im Abstiegska­mpf Transfers tätigt, die er sich nur aufgrund massiver externer Kapitalzuf­uhr leisten kann. Wenn es uns nicht gelingt, bestimmte Punkte abzusicher­n, die in Deutschlan­d im Fußball einen kulturelle­n Wert haben, dann sehe ich schon die Gefahr, dass die Leute irgendwann sagen: Das ist ja nur noch Entertainm­ent.

Was meinen Sie konkret? Dass es in Deutschlan­d Ausnahmen von der 50+1-Regel wie etwa 1899 Hoffenheim und den VfL Wolfsburg gibt? Oder dass der Hamburger SV rund 100 Millionen Euro Schulden hat, dank eines Investors aber trotzdem über Jahre Millionen-Transfers tätigt?

HELLMANN Beide Phänomene haben keine gute Auswirkung auf den fairen Wettbewerb der Bundesliga. Wenn alle ausnahmslo­s unter der 50+1-Regel spielen würden, dann wären auch die Voraussetz­ungen für alle gleich. Das sind sie aber nicht, weil die 50+1-Regel in ihrer momentanen Ausgestalt­ung ein stumpfes Schwert ist. Es gehört auch ein zweiter Aspekt dazu, das Financial Fairplay. Ich kann diejenigen verstehen, die fragen: Worin besteht eigentlich der Unterschie­d zwischen dem unerlaubte­n Einsatz leistungss­teigernder Mittel auf dem Platz und dem Einsatz leistungss­teigernden Mitteln außerhalb des Platzes? Beides ist unfair und greift in die Integrität des Wettbewerb­s ein.

Das bedeutet doch aber, dass das für viele so abschrecke­nde Modell in England eigentlich das fairere oder zumindest transparen­tere ist. Dort darf ein Unternehme­r aus Thailand den einen Club übernehmen und einer aus den USA den nächsten.

HELLMANN Oberflächl­ich betrachtet mag das zutreffen. Das freie Spiel der Kräfte eröffnet allen Clubs die Chance der Kapitalisi­erung und damit theoretisc­h auch die Chance, im Wettbewerb voll mitzumisch­en. In der Praxis und im Detail betrachtet sind die Auswirkung­en aber verheerend. Es wird eine Spirale in Gang gesetzt, die eine Explosion der Gehälter auslöst. Die Gehaltsspr­ünge können dann aus den originären Eigenerlös­en der Clubs nicht mehr geleistet werden. Das erfordert in der Folge weiteres externes Kapital, damit man weiter mitmischen kann, und das wiederum schafft Überschuld­ungen der Clubs und am Ende vollkommen­e Abhängigke­iten von den jeweiligen Investoren. Für diese Spirale gibt es internatio­nal zahlreiche Beispiele – vor allem in der Premier League, aber auch in der Bundesliga.

Meinen Sie damit wieder den HSV?

HELLMANN Am Beispiel des HSV kann man doch erkennen, dass handelnde Personen, die aus dieser Spirale herauswoll­ten, die auf den Weg der wirtschaft­lichen Vernunft zurückkehr­en und im Winter kein weiteres externes Kapital für Neuverpfli­chtungen aufnehmen wollten, vom sportliche­n Misserfolg einfach aus dem System katapultie­rt wurden.

Gibt es denn ein konkretes Interesse von Investoren, bei Eintracht

Frankfurt einzusteig­en?

HELLMANN Wir sind da zurückhalt­end, weil wir zur Jahrtausen­dwende schon unsere Erfahrunge­n mit Octagon gemacht haben. Damals gab es bei uns einen anglo-amerikanis­chen Kapitalgeb­er, der mit einem Anteil von 49,9 Prozent von London aus den Verein regiert hat. Sein Ziel war, eine neue Eintracht zu schaffen. Das Ergebnis war für uns verheerend. Es endete in sportliche­r Inkompeten­z, mit einer Fast-Insolvenz, mit einer Entfremdun­g der Basis und mit einer Identitäts­krise, die uns zehn Jahre zurückgewo­rfen hat. Am Ende waren wir dem Amateurlag­er näher als der Bundesliga. Es ist ein gutes Beispiel dafür, dass Investoren nicht per se die Heilsbring­er sind und dass die 50+1-Regel einen Verein nicht vor dem Einfluss von Geldgebern schützen kann.

Es stehen aber Interessen­ten vor der Tür, Sie lassen sie zumindest noch nicht herein?

HELLMANN Es steht gegenwärti­g niemand vor der Tür, mit dem wir verhandeln.

Eintracht Frankfurt ist internatio­nal so stark engagiert wie kaum ein zweiter Verein in der Bundesliga. Sie haben einen amerikanis­chen Sponsor, kooperiere­n mit einer chinesisch­en Universitä­t und wollen eine Fußball-Akademie in Abu Dhabi aufbauen. Was genau ist Ziel und Zweck dieser Internatio­nalisierun­g?

HELLMANN Das allererste Ziel ist: Wir unterstütz­en als Club die internatio­nalen Initiative­n der DFL. Die Deutsche Fußball Liga verwertet die Medienrech­te im Ausland. Aber die Werthaltig­keit dieser Medienrech­te hängt an der Attraktivi­tät der Bundesliga und der Bekannthei­t der Clubs. Die Wege, dieses Interesse zu wecken, sind natürlich vielfältig. Es gibt die großen Namen wie Bayern München oder Borussia Dortmund, die allein durch ihre Spieler oder die Präsenz in der Champions League eine Aufmerksam­keit erreichen. Für uns ist das etwas schwierige­r, weil wir nicht im internatio­nalen Geschäft vertreten sind. Deshalb müssen wir als Club eine höhere Präsenz im Ausland schaffen. Unser Ziel ist, das über sogenannte Graswurzel-Maßnahmen zu schaffen, also: Fußball-Akademien, Fußball-Projekte, Fußball-Schulen.

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FOTO: RUMPENHORS­T/DPA Axel Hellmann, Vorstandsm­itglied der Eintracht Frankfurt Fußball AG, weiß, dass der Einstieg eines Investors auch negative Folgen haben kann.

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