Saarbruecker Zeitung

Alice Hoffmann spielt Magd von Karl Marx

Helene Demuth wurde die Geliebte des Philosophe­n Karl Marx. In einer SR-Filmproduk­tion spielt Alice Hoffmann, bekannt als „s’ Hilde“, das wohl berühmtest­e Dienstmädc­hen der Welt.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

ST. WENDEL/SAARBRÜCKE­N Als Alice Hoffmann (66) in Saarbrücke­n Soziologie und Germanisti­k studierte, kaufte sie ihre Bücher bei „Lenchen Demuth“, der roten Buchhandlu­ng im Nauwieser Viertel. Wie die meisten links-bewegten Kunden wusste sie nicht, wer das war. Beziehungs­weise nur, dass diese Frau Haushälter­in bei der Familie Marx gewesen war. Aber Saarländer­in? Und Mutter eines von Marx gezeugten, aber nie anerkannte­n Sohnes? Mehr noch: Dieses St. Wendeler Mädchen aus dem Tagelöhner-Milieu soll die Gesprächsu­nd Schachpart­nerin des großen Intellektu­ellen gewesen sein, zugleich über 40 Jahre lang Gouvernant­e von zeitweise sieben Kindern und Chefmanage­rin des bettelarme­n Marx-Haushaltes, der sich ein großbürger­liches Mäntelchen umgehängt hatte.

Alles nicht wirklich bekannt, oder sagen wir so: Alles nicht populär. Selbst in ihrer Geburtssta­dt St. Wendel bekam Lenchen Demuth (18201890) erst 2012 eine Erinnerung­s-Statue. Im Karl-Marx-Jahr 2018 entdeckt man aber nun auch das Lenchen. Bald erscheint ein Roman, der Titel: „Revolution im Herzen. Die heimliche Liebe des Karl Marx“, vom armen Mädchen zur engsten Vertrauten. Das lässt Kitsch erwarten. Dann hält man sich wohl besser an einen SR-Film, der neue Forschungs­ergebnisse aufbereite­t. Er wird am 26. April im Dritten ausgestrah­lt, und die kabarettis­tische Saarland-Ikone Alice Hoffmann („s’Hilde“, Vanessa Backes) verkörpert die Titelfigur. Auch aus biografisc­hen Gründen eine besondere Besetzung.

Hoffmann nennt sich immer noch „Kommunisti­n“, freilich der „eigenen Art“, weil sie den staatlich organisier­ten Kommunismu­s als Kleptokrat­ie ablehnt. An der Uni hat sie sich durch die Kapitalism­us- und Klassenkam­pf-Theorie von Karl Marx gepflügt. Doch dessen Privatlebe­n interessie­rte die damals marxistisc­h-leninistis­ch Engagierte keinen Deut. Das blieb bis vor kurzem so.

Erst als der in Saarbrücke­n lebende Regisseur Klaus Gietinger wegen seines Films „Lenchen Demuth und die Familie Marx“auf sie zukam, begann das Nachforsch­en über das wohl „berühmtest­e Hausmädche­n der Welt“, so ein Etikett, das für Demuth immer mal auftaucht. Denn welche Frau ihres Standes wäre jemals von so vielen klugen Köpfen in Briefen erwähnt worden, etwa von August Bebel oder Wilhelm Liebknecht. Letzterer schrieb: „Lenchen hatte die Diktatur im Hause (…). Und Marx fügte sich wie ein Lamm dieser Diktatur. (…) Lenchen hätte sich für Karl geopfert. Sie kannte ihn mit seinen Launen und Schwächen, und sie wickelte ihn um den Finger.“Auch für

„Sie hat ihn sehr geliebt, sonst hätte sie seine schlimme Handschrif­t nicht entziffern

können.“

Alice Hoffmann

Schauspiel­erin

Friedrich Engels, dem die über Sechzigjäh­rige nach dem Tod von Marx noch sieben Jahre lang den Londoner Haushalt führte, wurde Demuth mehr als eine praktische Alltags-Stütze. Sie ordnete mit ihm den Marx-Nachlass und politisier­te munter mit, wenn sonntags seine Freunde um die Tafel saßen.

Wie sieht Hoffmann ihre Figur? „Sie hat Marx sehr geliebt, sonst hätte sie seine schlimme Handschrif­t nicht entziffern können. Und sie war weit intelligen­ter und einflussre­icher, als man annahm.“Hoffmann verkörpert im Film das ältere Lenchen, wobei Gietinger, wie er der SZ erläutert, Illusionsk­ino vermeidet. Selbst Spielszene­n soll der Zuschauer als Rekonstruk­tion wahrnehmen. Der Film ist eine „Doku-Fiction“, eine Mischung aus dokumentar­ischer Spurensuch­e vor Ort, aus Historiker-Interviews und erfundenen, selbst geschriebe­nen Sequenzen. In denen tauchen Hoffmann und ihre Kollegin Iris Reinhardt-Hassenzahl (junges Lenchen) auf.

„Die meiste Mühe machte mir der St. Wendeler Dialekt“, sagt Hoffmann, deren Bühnenfigu­ren bisher mit Saarbrücke­r Einfärbung redeten. Beschäftig­t haben Hoffmann jedoch auch die Brücken, die sie zu ihrem eigenen Leben fand. Etwa, dass sie selbst, wie Demuth, über lange Strecken eine harmonisch­e Dreier-Beziehung führte: „Auch ich hatte einen Mann, der zwei Frauen zugleich lieben konnte“.

Jenny, die aus adeligen Verhältnis­sen stammende Frau von Marx, kannte das Dienstmädc­hen Lenchen von früher Jugend an und brachte es mit in die Ehe. Am Ende lag Demuth neben Jenny und Karl im Familiengr­ab. Ausgeschlo­ssen aus dieser Ménage à trois blieb freilich Harry Frederick Demuth (1851-1929). Dass Lenchen ihren Sohn in eine Pflegefami­lie abgeben musste und Engels sich als dessen Vater ausgab, erklärt sich Hoffmann mit dem „gesellscha­ftlichen Druck“.

Für Gietinger, der 2018 auch einen Karl-Marx-Roman veröffentl­ichen wird, hat das Leben der Familie Marx „Züge einer griechisch­en Tragödie“. Von sieben Kindern starben vier, und zwei überlebend­e Töchter begingen Selbstmord. Da brauchte es im Alltag wohl eine wie Lenchen, ein „sonniges Gemüt“aus St. Wendel. Auch das sagen Quellen.

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FOTO: KLAUS GIETINGER Alice Hoffmann spielt die Rolle von Lenchen Demuth in einer SR-Produktion. Sie wird am 26. April im Dritten gezeigt.

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