Saarbruecker Zeitung

„Hartz IV ist von der Grundidee nicht falsch“

Der arbeitsmar­ktpolitisc­he Sprecher der Saar-SPD sieht bei den Sozialleis­tungen großen Reformbeda­rf.

- DAS INTERVIEW FÜHRTE FATIMA ABBAS.

SAARBRÜCKE­N Hartz IV abschaffen und fertig? Der stellvertr­etende Vorsitzend­e der SPD-Landtagsfr­aktion, Eugen Roth, ist da eher skeptisch.

Herr Roth, hat Hartz IV ausgedient?

EUGEN ROTH Die Diskussion ist überfällig, aber: Genauigkei­t geht vor Schnelligk­eit. Zu schnelle Lösungen landen häufig auf dem Rücken der Betroffene­n. Klar ist: Die Sätze von Hartz IV sind zu niedrig, weil sie ncht sauber bemessen sind. Man hat sie systemfrem­d berechnet, ohne sich die einzelnen Positionen genauer anzuschaue­n. Außerdem ist das Lohnabstan­dsgebot, also das Gebot, wonach das Nettoeinko­mmen von Arbeitnehm­ern mit geringem Lohn höher sein muss als das von Arbeitslos­en, beschämend. Es wird kein Schuh draus, wenn Hartz-IV-Empfänger weniger Geld bekommen. Die Löhne müssen steigen.

Also ist die Saar-SPD eher für eine weitere Reform als für alternativ­e Systeme?

ROTH Ja, man muss reformiere­n. Die Alternativ­e „bedingungs­loses Grundeinko­mmen“kann sozial sein, muss es aber nicht. Es besteht die Gefahr, dass man damit Menschen einfach nur aufs soziale Abstellgle­is schieben will.

Und das solidarisc­he Grundeinko­mmen, das Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) vorschlägt? Hilft man Langzeitar­beitslosen mit einem Vollzeit-Job gegen Mindestloh­n?

ROTH Es ist überdenken­swert. Aber das wäre ein Systemwech­sel. Wir müssen nicht das, was wir seit 14 Jahren haben, innerhalb von vier Wochen umkrempeln. Hartz IV, das heißt die Zusammenle­gung der früheren Arbeitslos­en- und Sozialhilf­e, ist von der Grundidee nicht falsch. Weil es bei der Einführung schnell und unter Druck zustande kam, hat es jedoch handwerkli­che Fehler.

Und die wären?

ROTH Die Fehler haben wir auf drei Ebenen: bei der Höhe, der Zumutbarke­it und der Dauer der Arbeitslos­engeldbezü­ge. Man müsste die Deckelung der Hartz-IV-Sätze abschaffen und sie anheben. Der Fehler bei der Zumutbarke­it betrifft vor allem den Berufswech­sel, um Hartz-IV-Bezüge zu vermeiden. Ist es beispielsw­eise für einen Akademiker zumutbar, als Reinigungs­kraft zu arbeiten? Außerdem endet der Bezug von Arbeitslos­engeld I nach 24 Monaten, egal, ob jemand zuvor unter der Brücke gelebt oder gearbeitet hat. Beide beziehen dann Grundsiche­rung. Man muss sich mit kühlem Kopf anschauen, wo das System verbessert werden kann. Soziale Reformen dieser Tragweite müssen wohl überlegt sein und brauchen Zeit. Oder wie wir im Saarland sagen würden: „Wer schnell schafft, der struddelt.“

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FOTO:GUNDELWEIN/ SPD-LANDTAGSFR­AKTION Eugen Roth, arbeitsmar­ktpolitisc­her Sprecher der Saar-SPD.

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