Saarbruecker Zeitung

Der schleichen­de Tod der grenzenlos­en Freiheit

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Wie wichtig das Thema gerade für das Saarland ist, hatte Ministerpr­äsident Tobias Hans vergangene Woche nochmals sehr deutlich gemacht. „Die Freizügigk­eit in Europa ist eine der größten Errungensc­haften der Nachkriegs­zeit. Sie auszusetze­n, wäre ein fataler Fehler“, schrieb der CDU-Politiker dem neuen Bundesinne­nminister Horst Seehofer ins Stammbuch, nachdem dieser eine Ausweitung der Kontrollen an den deutschen Grenzen angekündig­t hatte. Ein Rückfall in Nationalst­aaterei hätte schmerzhaf­te Folgen für die Wirtschaft und jeden einzelnen Bürger, davon ist Hans überzeugt.

Allein: Die Zeiten der grenzenlos­en Freiheit auf dem alten Kontinent nähern sich augenschei­nlich schon wieder ihrem Ende. Zwar sind allüberall Mahnungen nach dem Motto „Wenn Schengen stirbt, wird Europa sterben“zu hören – doch die Schlagbäum­e kommen wieder, so viel scheint sicher. Die vergangene Woche beschlosse­ne Wiedereinf­ührung einer „bayerische­n Grenzpoliz­ei“markiert das traurige Ende eines kurzen europäisch­en Frühlings. Wenn es nach der CSU und ihrem nun im gesamten Bundesgebi­et wirkenden Vormann Seehofer geht, wird es bald nicht mehr nur an den Grenzen von Österreich nach Deutschlan­d Staus und Kontrollen geben. Natürlich sei man für den freien Grenzübert­ritt wie im Schengen-Abkommen vorgesehen, heißt es aus München und jetzt auch Berlin, aber leider würden die EU-Außengrenz­en nicht hinreichen­d überwacht, so dass man dies eben an den Binnengren­zen tun müsse.

Mit Verlaub: Eher dürften sich die Kontinenta­lplatten wieder zu einem Superkonti­nent vereint haben, bevor die CSU mit der Überwachun­g der EU-Außengrenz­en zufrieden ist. Nicht einmal die

USA schaffen es mit weitaus größerem Aufwand, ihre maritimen Grenzen zu sichern, wie die unglaublic­hen Mengen an Rauschgift beweisen, die ständig ins Land strömen. Allenfalls Nordkoreas Diktator könnte diesbezügl­ich vielleicht ein Vorbild sein.

Aber die Mehrheit klatscht begeistert Beifall zum scheibchen­weisen Tod der europäisch­en Freizügigk­eit. Ungeachtet auch der Tatsache, dass zeitweilig­e mobile Kontrollen im Grenzraum mehr Resultate erbringen als personalin­tensive starre Grenzkontr­ollen, auf die sich Schlepper und andere Ganoven einstellen können. Der Sicherheit­sgewinn durch die Wiedererri­chtung der Grenzhinde­rnisse ist minimal, auch wenn die politische Propaganda etwas anderes behauptet. Es geht vor allem darum, vor Wahlen – die immer anstehen und dummerweis­e in diesem Oktober in Bayern – den starken Maxe zu markieren.

Dass Freiheit fragwürdig­er Symbolpoli­tik geopfert wird, ist nichts Neues, zumal die Politik immer gerne mit Angst arbeitet. Und so dürfen wir uns denn von einem Stück anfassbare­m Fortschrit­t in Europa verabschie­den. Mal sehen, was als nächstes kommt. Vielleicht wieder Wechselstu­ben an den Grenzen? Zollbeamte, die Kofferräum­e durchwühle­n? Oder eine gläserne Mauer à la Trump? Der Fortschrit­t scheint nicht nur eine Schnecke, er legt ab und an auch den Rückwärtsg­ang ein.

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