Saarbruecker Zeitung

„Maas ist ein Anfängerfe­hler passiert“

Der Grünen-Außenpolit­iker kritisiert die Ausweisung russischer Botschafte­r aus 16 EU-Staaten als leichtfert­ig und voreilig.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE HAGEN STRAUSS

BERLIN Die Ausweisung russischer Diplomaten schlägt hohe Wellen. Für den Grünen-Außenpolit­iker Jürgen Trittin ist das Vorgehen Deutschlan­ds und anderer EU-Staaten leichtfert­ig, weil es noch keine Beweise gebe, dass Moskau die Verantwort­ung für den Giftanschl­ag auf den Ex-Doppelagen­ten Sergej Skripal in Großbritan­nien trage. Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) habe einen Fehler begangen, meint der ehemalige Bundesumwe­ltminister.

Herr Trittin, über die Ausweisung russischer Diplomaten wird jetzt heftig gestritten. Wie bewerten Sie das europäisch­e Vorgehen?

TRITTIN Wenn es belastbare Belege für Russlands Verantwort­ung für den Giftanschl­ag auf Skripal geben würde, dann wäre das eine angemessen­e Reaktion gewesen. Aber auf der Basis von Plausibili­täten die Krise zwischen Russland und der EU zu verschärfe­n, ist leichtfert­ig und voreilig.

Aber die Front gegen Moskau ist groß - können so viele Staaten irren?

TRITTIN 16 von 28 EU-Ländern beteiligen sich an der Ausweisung russischer Diplomaten, da kann man nicht von europäisch­er Einigkeit sprechen. Es ging einfach darum, für die Regierung May gegen Russland ein Zeichen zu setzen. So verständli­ch das ist, richtig ist ein solches Vorgehen trotzdem nicht.

Sind Sie ein Russland-Versteher?

TRITTIN Nein. Aber gerade als Russlandkr­itiker muss man sich an internatio­nale Verfahren halten. Und das ist nicht passiert. Übrigens halte auch ich es für möglich, dass dieser Anschlag von Moskau in Auftrag gegeben worden ist; oder, dass er ohne Kenntnis der russischen Führung mit dort herumvagab­undierende­m Material durchgefüh­rt wurde. Aber das ist nun mal zum jetzigen Zeitpunkt alles unklar. Wir befinden uns im Bereich der Vermutunge­n und Wahrschein­lichkeiten.

Das heißt also, Bundesauße­nminister Heiko Maas hätte sich einem solchen Schritt widersetze­n müssen?

TRITTIN Ja. Ich glaube, ihm ist ein Anfängerfe­hler passiert. Maas hat, wie die anderen EU-Länder auch, negative Reaktionen Moskaus provoziert. Hoffentlic­h wird er nicht ernsthaft glauben, mit dieser Maßnahme die Aufklärung im Fall Skripal zu befördern. Das Gegenteil ist der Fall.

Wäre Sigmar Gabriel, also Maas‘ Vorgänger, ein solcher Fehler nicht unterlaufe­n?

TRITTIN Das weiß ich nicht. Es kann auch sein, dass die Kanzlerin die Aktion gegen Russland vereinbart hat. Sollte dem so sein, dann hatte Maas freilich nicht das Kreuz, nein zu sagen.

Beide Seiten drehen immer weiter an der Eskalation­sspirale. Wie kommen Russland und die EU da wieder raus?

TRITTIN Mit Angeboten, die konditioni­ert sind. Das heißt: Für bestimmte Maßnahmen von russischer Seite können auch bestimmte Gegenleist­ungen erbracht werden. Aber ich sehe da von beiden Seiten keine Bewegung. Bisher habe ich auch immer geglaubt, dass die Europäer in dieser Frage klüger sind als die Amerikaner, die den Ukraine-Konflikt mit Waffenlief­erungen anheizen. Nun haben sie sich für Solidaritä­t mit Theresa May entschiede­n, die aus innenpolit­ischen Gründen ein hartes Vorgehen gegen Russland demonstrie­rt. Das ist alles andere als klug, wenn man die Krise in der Ostukraine überwinden will.

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FOTO: VON JUTRCZENKA/DPA Jürgen Trittin ist Mitglied im Auswärtige­n Ausschuss des Bundestags.

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