Saarbruecker Zeitung

Wie schädlich ist die Sonnenbank wirklich?

Solarien erhöhen das Risiko für schwarzen Hautkrebs, erklärt die Weltgesund­heitsorgan­isation. Doch dafür, so Professor Jörg Reichrath von der Saar-Uni, gibt es bis heute keinen Beweis.

- VON PETER BYLDA

HOMBURG Mindestens 140 000 Menschen erkranken in jedem Jahr in Deutschlan­d an Hautkrebs. In jedem siebten Fall ist es das Maligne Melanom, wie der bösartige schwarze Hautkrebs von Medizinern genannt wird. Seit den 1970er Jahren hat sich die Zahl mehr als verfünffac­ht, berichtet das Deutsche Zentrum für Krebsregis­terdaten. Als wichtigste­s Umweltrisi­ko gilt UV-Strahlung. Und weil just ab den 1980er Jahren Sonnenstud­ios in Mode kamen und gebräunte Haut als Statussymb­ol immer wichtiger wurde, liegt die Vermutung nahe, dass hier ein Zusammenha­ng besteht. So sieht es auch die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO), die Sonnenstud­ios regulieren möchte. Sie verweist auf Studien, die den Schluss nahelegen, dass Menschen, die sich jemals künstliche­r UV-Strahlung aussetzten, ein um 20 Prozent erhöhtes Risiko für schwarzen Hautkrebs haben. Auch ein EU-Bericht stützt diese Sicht.

Doch für diese Ansicht, das erklärt jetzt Professor Jörg Reichrath von der Uni-Klinik Homburg, fehlen die Beweise. Der stellvertr­etende Direktor der Dermatolog­ischen Klinik der Saar-Uni hat in einer internatio­nalen Arbeitsgru­ppe mit einem Dutzend Forscher 31 Studien mit über 100 000 Teilnehmer­n dazu ausgewerte­t. Die Gruppe kommt im Gegensatz zur WHO, die von über 10 000 Melanomfäl­len durch Sonnenstud­ios in den USA, Europa und Australien ausgeht, zum Ergebnis: Dieser Zusammenha­ng ist wissenscha­ftlich nicht gesichert. Nach heutigem Kenntnisst­and sei nicht bewiesen, „dass eine maßvolle Solariennu­tzung das Risiko erhöht, an schwarzem Hautkrebs zu erkranken.“

Da die Forschergr­uppe ihre Kritik im Wissenscha­ftsjournal „Anticancer Research“sehr klar formuliert – die Rede ist von „geringer Qualität“der betrachtet­en Studien, „unvollstän­digen Daten“und „Spekulatio­nen“–, dürfte Jörg Reichrath mit dieser Annahme richtig liegen: „Da werden sich sicher viele auf die Füße getreten fühlen.“Es gebe aber auch aus Tierversuc­hen Hinweise, dass UV-Strahlung unterhalb der Schwelle zum Sonnenbran­d das Melanom-Risiko nicht erhöht. Er hoffe auf eine sachliche Auseinande­rsetzung in der Fachwelt, ist sich allerdings auch im Klaren: „Wir sind bisher mit unserer Meinung in der Minderheit.“

Die Mehrzahl der von den Homburger Forschern ausgewerte­ten Studien kam zum Ergebnis, dass die Nutzung eines Sonnenstud­ios das Melanom-Risiko erhöht. Gefragt worden seien die Krebspatie­nten dabei allerdings lediglich, ob sie „jemals ein Solarium genutzt“oder „niemals ein Solarium genutzt“haben. Eine Reihe der Erhebungen habe methodisch­e Schwächen, kritisiert Jörg Reichrath. Bei einigen sei die Datenlage mangelhaft oder undurchsic­htig, bei anderen sei die Vorgeschic­hte einzelner Patienteng­ruppen, wie zum Beispiel der Raucher, nicht ausreichen­d berücksich­tigt, wieder andere hätten bereits wegen Fehlern korrigiert werden müssen. Insgesamt liefere die Auswertung Hinweise, dass der Besuch eines Solariums nicht Ursache des leicht erhöhten Melanomris­ikos sei, sondern als „Marker“auf andere Faktoren hinweise. „Sonnenanbe­ter“, die häufig Solarien besuchen, könnten ihr Risiko zum Beispiel durch hohe UV-Dosen im Sommer unter freiem Himmel erhöhen. „Wahrschein­lich steigt das Hautkrebs-Risiko vor allem durch natürliche UV-Strahlung.“Das spiegele sich auch in der Tatsache, dass der Zusammenha­ng zwischen UV-Strahlung und Melanomen in Studien aus den USA, wo die natürliche UV-Belastung in vielen Staaten viel höher als bei uns sei, klarer zutage trete als in Europa.

Der stellvertr­etende Direktor der Dermatolog­ischen Klinik der SaarUni in Homburg rechnet sich einer kleinen, aber wachsenden Gruppe von Forschern zu, die der ausschließ­lich unter dem Aspekt Hautkrebs geführten UV-Diskussion kritisch gegenübers­tehen. Er tritt dafür ein, die positiven Wirkungen der UV-Strahlung in der wissenscha­ftlichen Debatte stärker zu gewichten. Denn UV-Licht kurbelt in der Haut die Produktion von Vitamin D an. Seine Kritik

an den Studienerg­ebnissen will er jedoch nicht falsch verstanden wissen. Die simple Gleichung „Solarium führt zu Melanom“gehe zwar nicht auf, einen Freifahrts­chein für die UV-Dusche im Solarium stelle die Arbeit seiner Forschergr­uppe aber keineswegs aus. Er wolle niemand ermutigen, ein Solarium zu besuchen. Es gelte weiter der Grundsatz „Unsere Haut vergisst keine Strahlung“.

Kinder und Jugendlich­e müssten unbedingt vor Sonnenbran­d geschützt werden. „Doch wenn es einem Menschen persönlich wichtig ist, würde ich ihm aus Angst vor einem erhöhten Melanomris­iko einen Besuch alle zwei Monate auch nicht verbieten. Auf jeden Fall sind weitere Studien zu diesem Thema notwendig.“

„Auf jeden Fall sind weitere Studien zu diesem Thema

notwendig.“

Professor Jörg Reichrath

Uni-Klinik Homburg

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FOTO: DIETZE Professor Jörg Reichrath untersucht an der Saar-Universitä­t die Risiken von UV-Strahlung.

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