Saarbruecker Zeitung

Mehr Gnade für Schwarzfah­rer?

Fürs Fahren ohne Fahrschein droht Knast – falsches Parken hingegen gilt als Ordnungswi­drigkeit und wird mit Bußgeld geahndet. Das soll sich ändern.

- VON HAGEN STRAUSS

Wer ohne Fahrkarte fährt, kann dafür sogar im Knast landen. Ist das angemessen? Das Bundesjust­izminister­ium prüft, ob das Fahren ohne gültigen Fahrauswei­s entkrimina­lisiert werden kann.

Wer schwarzfäh­rt, kann dafür sogar im Knast landen. Bundesweit, schätzte vor wenigen Monaten das nordrhein-westfälisc­he Justizmini­sterium, sollen bis zu 5000 Menschen als verurteilt­e „Schwarzfah­rer“im Gefängnis sitzen. Ist eine solche Strafe angemessen? Nach Informatio­nen unserer Redaktion prüft das Bundesjust­izminister­ium, inwieweit das Fahren ohne gültigen Fahrschein entkrimina­lisiert werden kann.

Die Debatte darüber ist nicht neu. Schon mehrfach gab es Vorstöße aus den Ländern und im Parlament, die „Beförderun­gserschlei­chung“aus dem Strafgeset­zbuch zu streichen. Schwarzfah­rer können ins Gefängnis kommen, wenn sie wiederholt ohne Ticket erwischt wurden. Und wenn sie zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, diese aber nicht bezahlen können oder wollen. In solchen Fällen müssen sie eine Ersatzfrei­heitsstraf­e verbüßen. Aktuell liegt dem Bundestag ein Gesetzentw­urf der Linksfrakt­ion vor, mit dem die strafrecht­liche Sanktionie­rung gekippt werden soll. In dem Entwurf heißt es, „Schwarzpar­ker“würden gegenüber „Schwarzfah­rern“völlig anders behandelt. So sei falsches Parken lediglich eine Ordnungswi­drigkeit und nur mit einem Bußgeld von 15 bis 25 Euro bedroht. Wer hingegen in Bussen oder Bahnen das Entgelt nicht entrichtet habe, dem drohe eine Freiheitss­trafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe – und zusätzlich kassierten die Verkehrsbe­triebe auch noch 60 Euro Bußgeld. In Berlin beispielsw­eise sei das „erhöhte Beförderun­gsentgelt“35 Mal so hoch wie der Fahrpreis für eine Kurzstreck­e in Höhe von 1,70 Euro.

Laut Linke sind besonders arme Menschen betroffen, die sich ein Ticket nicht leisten können. „Bei der Beförderun­gserschlei­chung kommen weder Personen noch Sachen zu schaden. Der Unrechtsge­halt ist gering, ein besonderer gesellscha­ftlicher Schaden nicht ersichtlic­h“, schreibt die Fraktion in ihrem Gesetzentw­urf. Die Sanktionie­rung durch das Strafrecht sei daher „nicht verhältnis­mäßig“.

Kürzlich hatten sich auch mehrere Justizmini­ster der Bundesländ­er für eine Änderung ausgesproc­hen, um Polizei, Justiz und damit die Staatskass­en zu entlasten. Die Verkehrsbe­triebe sollten lieber wirksame Zugangskon­trollen einführen, hieß es. Ähnliche Äußerungen gab es vom Richterbun­d und der Polizeigew­erkschaft. Linke und Grüne hatten überdies in der Vergangenh­eit schon mehrere Initiative­n in den Bundestag eingebrach­t, doch alle Versuche einer Rechtsände­rung scheiterte­n bislang am Widerstand von CDU/CSU und SPD sowie an der Uneinigkei­t der Länder. Die Reformplän­e seien „eine Kapitulati­on des Staates vor den Massendeli­kten“, warnten die Gegner. Die Ehrlichen würden zu Dummen gemacht.

Doch nun kommt neue Bewegung in die Angelegenh­eit. Denn das Thema ist inzwischen im Bundesjust­izminister­ium angekommen, wie ein Sprecher von Katarina Barley (SPD) gestern auf Nachfrage bestätigte. Die rechtspoli­tischen Vorschläge unter anderem aus den Ländern „sind uns bekannt“. Derzeit werde geprüft, ob die neue Bundesregi­erung sie aufgreife. Ministerin Barley muss nun vor allem klären, ob es eine schwarz-rote Mehrheit für das Vorhaben gibt.

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FOTO: REINHARDT/DPA Wer bei der Fahrschein­kontrolle mehrfach ohne Ticket erwischt wird, dem kann sogar eine Gefängniss­trafe drohen.

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