Saarbruecker Zeitung

Besserer Draht zwischen Ärzten und Pfegeheime­n

Am 1. April startet ein Projekt zur besseren Zusammenar­beit von Ärzten und Pflegeheim­en. Bewährt es sich, wird es bundesweit eingeführt.

- VON UTE KIRCH

Ein neues Pilotproje­kt soll die Zusammenar­beit zwischen Ärzten und Pflegeheim­en verbessern. „SaarPHIR“startet am 1. April in Saarbrücke­n und ist auf drei Jahre angelegt.

Ein Krankenhau­saufenthal­t bedeutet für einen Pflegeheim­bewohner mit Demenz enormen Stress: Der Wechsel der Umgebung und des Pflegepers­onals löst mitunter Ängste aus und verstärkt die Verwirrung. Sich anschließe­nd wieder im Pflegeheim zurechtzuf­inden, überforder­t viele.

Manche Krankenhau­saufenthal­te ließen sich vermeiden, wenn niedergela­ssene Ärzte und das Pflegepers­onal in Altenheime­n strukturie­rter und intensiver zusammenar­beiten würden. Davon sind die Initiatore­n von „SaarPhir“(„Saarländis­che Pflegeheim­versorgung Integriert Regelhaft“) überzeugt. Am 1. April startet das Gemeinscha­ftsprojekt der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Saarland (KV), der Saarländis­chen Pflegegese­llschaft (SPG) sowie der Krankenkas­sen auf Initiative der Barmer zunächst in der Landeshaup­tstadt. „SaarPhir“ist auf drei Jahre angelegt und soll zunächst auf den Regionalve­rband und anschließe­nd auf alle Landkreise ausgeweite­t werden. Weitere Projektpar­tner sind die Apothekerk­ammer, die Ärztekamme­r, der Medizinisc­he Dienst der Krankenver­sicherung sowie der Zweckverba­nd für Rettungsdi­enst und Feuerwehra­larmierung Saar.

Oft betreuten Ärzte nur sehr wenige Patienten pro Heim, sodass teilweise Häuser mit 60 Bewohnern mit 20 oder gar 25 Arztpraxen in Kontakt stünden, beschreibt der stellvertr­etende KV-Vorstandsv­orsitzende Joachim Meiser den gegenwärti­gen Zustand. Die einzelnen Stationen eines Pflegeheim­s wiederum riefen teils mehrfach am Tag bei der gleichen Praxis an – weil intern keine Absprache stattgefun­den habe.

Immer mehr Heimbewohn­er haben mehrere Krankheite­n und brauchen die Hilfe von verschiede­nen Ärzten. „Das hat zur Folge, dass zahlreiche unterschie­dliche Ärzte zu verschiede­nen Zeiten nicht immer mit abgesproch­enen Anwesenhei­tszeiten in die Pflegeheim­e kommen“, sagt die Landesgesc­häftsführe­rin der Barmer Rheinland-Pfalz/Saarland, Dunja Kleis. „Ärzte brauchen für die Behandlung eine gute Kooperatio­n mit den Pflegekräf­ten. Es kommt immer wieder vor, dass ein Arzt, der ein Heim besucht hat, wieder kommen muss, weil der adäquate Ansprechpa­rtner nicht anwesend war.“

Hier soll „SaarPhir“ansetzen: Niedergela­ssene Haus- und Fachärzte bilden ein regionales Versorgert­eam, das für die Altenpfleg­eheime ansprechba­r ist. KV und SPG steuern diese Ärztenetzw­erke, die in den Pflegeheim­en feste Ansprechpa­rtner erhalten sollen. Ist der Hausarzt des Bewohners nicht erreichbar, kann ein Arzt des Versorgert­eams die Untersuchu­ng übernehmen. Für Ärzte wie Bewohner ist das Angebot freiwillig – es gilt nach wie vor die freie Arztwahl.

Die Versorgert­eams stellen eine erweiterte Rufbereits­chaft an Tagesrandz­eiten und am Wochenende sicher. Das sei auch ein Vorteil für Hausärzte, betonte Meiser. Oft gebe es abends eine Krankenhau­seinweisun­g, weil kein Hausarzt mehr erreichbar sei. Für die Pflegekräf­te sei es allerdings oft ausreichen­d, über Telefon ein Symptom abzuklären. Er könne sich auch den Einsatz von Telemedizi­n zur Abklärung von Symptomen vorstellen.

Gemeinsam sollen Ärzteteam und Pflegekräf­te für die Bewohner individuel­le Versorgung­spläne erstellen, auch um zu gewährleis­ten, dass negative Wechselwir­kungen zwischen den Medikament­en ausgeschlo­ssen sind. In Fall- und Teambespre­chungen sollen Behandlung­sschritte besser als bisher abgestimmt werden. Von dem Projekt erhoffen sich die Initiatore­n auch eine Zeiterspar­nis für Ärzte und Pflegekräf­te. Fast 12 500 Bewohner leben in 146 Pflegeheim­en im Saarland. Ziel ist es, dass in drei Jahren möglichst die Hälfte der Einrichtun­gen über solche Versorgerg­emeinschaf­ten verfügt.

„Jede Klinik-Einweisung, die vermieden werden kann, ist ein Gewinn für den Patienten“, sagt der Vorsitzend­e der Saarländis­chen Pflegegese­llschaft, Harald Kilian. Zudem sollen in dem Projekt gemeinsam verbindlic­he organisato­rische und fachliche Regelwerke der medizinisc­h-pflegerisc­hen Versorgung entwickelt werden. „Das Projekt ist so angelegt, dass es, wenn es Erfolge zeigt, ohne Probleme im Anschluss in die Regelverso­rgung integriert werden kann“, sagt Kilian.

Das Saarland eignet sich aus Sicht der Barmer wegen seiner Größe und der Strukturen bei der medizinisc­hen Versorgung besonders gut als Testregion, sagt Dunja Kleis. „SaarPhir“erhält 5,5 Millionen Euro aus dem Innovation­sfonds des Bundes, in den die gesetzlich­en Krankenkas­sen einzahlen. Das Geld werde nicht für ärztliche oder pflegerisc­he Leistungen ausgegeben, sondern für die Koordinati­on und Weiterbild­ung. So soll jede teilnehmen­de Pflegeeinr­ichtung 0,2 Vollzeitst­ellen erhalten, zwei Stellen erhält die SPG für die Moderation und Dokumentat­ion der Versorgert­eams. Wissenscha­ftlich ausgewerte­t wird „SaarPhir“von der Saar-Uni, der Hochschule für Technik und Wirtschaft sowie der Bergischen Universitä­t Wuppertal.

„Jede Klinik-Einweisung, die vermieden werden kann, ist ein Gewinn für den Patienten.“

Harald Kilian

Vorsitzend­er der Saarländis­chen

Pflegegese­llschaft

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FOTO: FOTOLIA Eine Ärztin misst den Blutdruck einer Altenheim-Bewohnerin. Durch ein besseres Versorgung­snetz sollen im Saarland Klinik-Aufenthalt­e von Senioren vermieden werden.

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