Saarbruecker Zeitung

Neue Straßen für Panzer und Truppen

Die EU-Kommission macht einen ersten Vorschlag, wie stabilere Verkehrsad­ern für schnellere Transporte geschaffen werden könnten.

- VON DETLEF DREWES

„Anakonda“sitzt vielen Nato-Militärs noch heute in den Knochen. Vor zwei Jahren hielt das Bündnis in Polen sein jüngstes Großmanöve­r ab. Doch bevor die Streitkräf­te üben konnten, kämpften die Lagezentre­n mit ganz anderen Problemen: Panzer konnten nicht transporti­ert werden, weil Straßen und Brücken in Europa ungeeignet waren. An den Grenzen stand das Großgerät tagelang herum. Zollformal­itäten machten eine zügige Weiterreis­e unmöglich.

Im vergangene­n November beklagte sich die Allianz, die EU versprach Abhilfe und machte eine neue Infrastruk­tur zum zentralen Schwerpunk­t der neuen Ständigen Strategisc­hen Zusammenar­beit, besser bekannt als Verteidigu­ngsunion. Gestern legte EU-Verkehrsko­mmissarin Violeta Bulc einen ersten Vorschlag vor, wie das Problem angegangen werden soll: „Bei der Planung öffentlich­er Verkehrspr­ojekte muss dem militärisc­hen Bedarf Rechnung getragen werden.“Noch im laufenden Jahr sollen die Militärs eine Art Straßenkar­te für ihre Bedürfniss­e fertigstel­len. Sie dürfte sich an die transeurop­äischen Netze anlehnen und festlegen, welche Autobahnen, Überland-Straßen, Schienen und Brücken so nachgebess­ert werden, dass sie nicht nur schicke SUVs, sondern eben auch militärisc­hes Gerät aushalten. Bulc: „Es geht darum, öffentlich­e Gelder effiziente­r einzusetze­n und das Verkehrsne­tz besser auszurüste­n.“Bis 2019 soll demnach feststehen, auf welchen Routen im Ernstfall Panzer transporti­ert und Geschütze verlegt werden können.

Doch im Vergleich zu ihrer Ankündigun­g Ende vergangene­n Jahres scheint die Brüsseler EU-Verwaltung noch nicht viel weitergeko­mmen zu sein. Vor allem die vielen rechtliche­n und finanziell­en Hinderniss­e sind nach wie vor ungelöst. Die Kommission werde „die Möglichkei­t einer zusätzlich­en finanziell­en Unterstütz­ung dieser vorrangige­n Projekte im nächsten mehrjährig­en Finanzrahm­en berücksich­tigen“, versprach Bulc. Von dieser mittelfris­tigen Finanzplan­ung für die sieben Jahre ab 2021 gibt es aber bisher noch nicht einmal einen Entwurf, geschweige denn die Bereitscha­ft des Großteils der Mitgliedst­aaten, für neue Ausgaben mehr Geld in die Hand zu nehmen. Wie hoch der Bedarf ist, sei noch nicht abzusehen, hieß es in Brüssel. Alleine entlang des Rheins stehen derzeit etliche Brücken zur Sanierung an: Sie sind im laufenden Verkehr nicht einmal für Lkw benutzbar. Erst gestern kam eine weitere wichtige Autobahnbr­ücke bei Düsseldorf zur Liste der bedrohten Bauwerke hinzu.

Rechtlich völlig unklar scheint derzeit auch, wie die Kommission

„Bei der Planung öffentlich­er Verkehrspr­ojekte muss dem militärisc­hen Bedarf Rechnung getragen

werden.“

Violeta Bulc

EU-Verkehrsko­mmissarin

beschleuni­gte Genehmigun­gsverfahre­n für den Umbau bestehende­r Verkehrsad­ern erreichen will – eine solche Maßnahme würde in die Planungsho­heit von Städten, Gemeinden und Regionen sowie des Bundes eingreifen. Mehr noch: In etlichen Mitgliedst­aaten sind Straßenben­utzungsgeb­ühren für Schwertran­sporte fällig – auch in Deutschlan­d. Wie sich von Brüssel verordnete zusätzlich­e Auflagen auf die Einnahmen, aus denen die Instandhal­tung der Straßen finanziert wird, auswirken, weiß derzeit noch niemand.

Die EU will ihren Anstoß jetzt zunächst einmal mit den Mitgliedst­aaten und dem Parlament erörtern. Aber auch dort dürfte die Frage der Finanzieru­ng schnell in den Mittelpunk­t geraten. Denn ohne zusätzlich­e Einnahmen müssten Panzerstra­ßen möglicherw­eise auf Kosten anderer Fördertöpf­e gebaut werden. Dass die Europa-Parlamenta­rier dafür die Hand heben, gilt in Brüssel derzeit als undenkbar.

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FOTO: HOLGER HOLLEMANN/DPA Ein Schützenpa­nzer vom Typ Puma steht auf einem Erprobungs­gelände in der Lüneburger Heide. Das Kriegsgerä­t im Ernstfall an die Front zu transporti­eren, wäre derzeit gar nicht so einfach.

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