Saarbruecker Zeitung

„Ein König im sozialen Reiche“

Vor 200 Jahren wurde Friedrich Wilhelm Raiffeisen geboren. Seine Idee zündet immer noch.

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FRANKFURT/MAINZ (epd/dpa) Die „Koblenzer Volkszeitu­ng“nannte ihn einst einen „niemals ausgerufen­en König im sozialen Reiche“. Das klingt in heutigen Ohren arg feierlich. Doch Friedrich Wilhelm Raiffeisen (18181888) schrieb Sozialgesc­hichte. Der fromme, sozialkons­ervative Raiffeisen war überzeugt, mit seinen Hilfsverei­nen und den später daraus entwickelt­en Genossensc­haften „die irdische Wohlfahrt und die himmlische Glückselig­keit“erreichen zu können.

Die lange verstaubt wirkende Rechtsform der Genossensc­haft erlebt gegenwärti­g in Zeiten vieler Umbrüche mit ihrer Betonung der Solidaritä­t eine Renaissanc­e. An diesem Freitag, 30. März, steht der 200. Geburtstag des Westerwäld­er Bürgermeis­ters Friedrich Wilhelm Raiffeisen an, nach dem viele Genossensc­haften benannt sind.

„Viele Organisati­onen verlieren heute Mitglieder, aber bei Genossensc­haften zeigt der Trend klar nach oben“, sagt der Vorsitzend­e der Deutschen Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellscha­ft, Werner Böhnke. „Mehr als 22 Millionen Menschen in Deutschlan­d sind Mitglied einer Genossensc­haft.“2016 hat es die Genossensc­haftsidee als erste Eintragung Deutschlan­ds in die Unesco-Liste des Immateriel­len Kulturerbe­s geschafft.

Raiffeisen kam 1818 in Hamm an der Sieg als siebtes von neun Kindern zur Welt. Für Gymnasium und Uni fehlt das Geld. Nach acht Jahren Militärdie­nst wird Raiffeisen nacheinand­er Bürgermeis­ter in Weyerbusch, Flammersfe­ld und Heddesdorf (heute Neuwied). Der Sozialrefo­rmer gründet den „Weyerbusch­er Brodverein“zur Verteilung von Lebensmitt­eln, den „Flammersfe­lder Hülfsverei­n zur Unterstütz­ung unbemittel­ter Landwirte“mit Krediten für Bauern und den Heddesdorf­er Wohltätigk­eitsverein. Seine „Darlehnska­ssenverein­e“gelten bereits als echte Genossensc­haften. Stets geht es um Solidaritä­t und Hilfe zur Selbsthilf­e.

Mit etwa 30 Millionen Kunden und mehr als 18 Millionen Mitglieder­n bilden heute laut Raiffeisen-Gesellscha­ft die Genossensc­haftsbanke­n die größte genossensc­haftliche Gruppe in Deutschlan­d. Praktisch jeder Landwirt ist Mitglied einer Genossensc­haft. 60 Prozent aller Handwerker, 75 Prozent aller Einzelhand­elskaufleu­te, 90 Prozent aller Bäcker und Metzger sowie über 65 Prozent aller selbststän­digen Steuerbera­ter sind Genossensc­haftsmitgl­ieder.

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FOTO: DPA Friedrich Wilhelm Raiffeisen schrieb Sozialgesc­hichte.

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