Saarbruecker Zeitung

Dem kontaktlos­en Zahlen per Smartphone stehen viele Deutsche skeptisch gegenüber.

Die Deutschen zahlen im Geschäft am liebsten mit Scheinen und Münzen. Und wo llen das in Zukunft auch weiter so tun. Neuen Möglichkei­ten, etwa einer ko ntaktlo sen Zahlung p er Smartp ho ne, stehen sie hingegen kritisch gegenüber.

- VON FRIEDERIKE MARX UND JÖRN BENDER

FRANKFURT/MAIN (dpa) Neue Bezahlverf­ahren sind im Kommen, zum Beispiel kontaktlos­es Bezahlen per EC-Karte an der Ladenkasse oder mit einer App auf dem Handy. Doch nicht jeder kann oder will auf diese Weise seine Einkäufe bezahlen. Nahezu alle Bundesbürg­er (96 Prozent) befürchten, dass sich beispielsw­eise ältere Menschen in einer Welt ohne Bargeld nicht mehr zurecht finden würden. Das zeigt eine Umfrage der Bundesbank mit knapp 2000 Teilnehmer­n. 88 Prozent der Befragten wünschten sich demnach, ihre Rechnungen auch in Zukunft wie gewohnt mit Scheinen und Münzen begleichen zu können. „Verbrauche­r müssen auch künftig und durchgängi­g die Wahl haben, ob sie mit neuen Technologi­en oder lieber bar zahlen wollen“, fordert Finanzexpe­rte Frank-Christian Pauli vom Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen (vzbv).

Pauli warnt vor einer Entwicklun­g, wie es sie bereits in Schweden gibt. In der Hauptstadt Stockholm seien Schilder mit dem Hinweis „Keine Barzahlung“in Geschäften und Restaurant­s inzwischen keine Seltenheit mehr. Einzelhänd­ler und Firmen dürften dort die Annahme von Bargeld verweigern. Dieser Trend beschäftig­t auch die schwedisch­e Notenbank. „Im Grunde ist der Strukturwa­ndel positiv, aber er muss in einem Takt gehen, der keine Probleme für gewisse gesellscha­ftliche Gruppen schafft oder jemanden vom Zahlungsma­rkt ausschließ­t“, mahnt der Chef der Zentralban­k, Stefan Ingves.

EZB-Direktoriu­msmitglied Yves Mersch versichert, die Europäisch­e Zentralban­k wache aufmerksam darüber, dass die Einsatzmög­lichkeiten von Bargeld nicht eingeschrä­nkt werden – etwa durch die Erhebung einer Zahlungsge­bühr. „Alternativ­e Zahlungsme­thoden können Euro-Bargeld nicht ersetzen, sondern nur ergänzen“, betont Mersch.

Größeres Potenzial sieht die Bundesbank auf absehbarer Zeit vor allem beim kontaktlos­en Bezahlen per EC-Karte an der Ladenkasse. Statt die Geheimnumm­er einzutippe­n oder den Beleg zu unterschre­iben, wird die Karte an ein Terminal gehalten. Möglich ist das – in der Regel für kleinere Beträge bis 20 oder 25 Euro – laut Kartenbetr­eiber Girocard bereits bei Handelsket­ten wie Rewe, Penny, Toom Baumarkt, Lidl, Kaufland, Aldi Süd und Nord, Norma sowie den dm-Drogeriemä­rkten. Allerdings haben noch nicht alle Kreditinst­itute ihre Kunden

mit den neuen Karten ausgestatt­et. Und so ist kontaktlos­es Bezahlen in Deutschlan­d mit gut einem Prozent Umsatz im Handel bislang nur eine Randersche­inung.

Aber auch in den meisten anderen EU-Staaten sieht es nicht wesentlich anders aus: Im Jahr 2016 wurde nach Erhebungen der EZB im Euroraum nur rund ein Prozent aller Zahlungen an der Ladenkasse

„Alternativ­e Zahlungsme­thoden können Euro-Bargeld nicht ersetzen, sondern

nur ergänzen.“

Yves Merch Europäisch­e Zentralban­k

kontaktlos beglichen. Vor allem 25bis 39-Jährige zeigten sich dabei offen für die moderne Technik, am schwersten tat sich die Generation ab 65 Jahren. Und während die Jüngeren im Schnitt 51 Euro Bargeld bei sich tragen, sind es bei den Älteren 84 Euro.

Mit Läden ganz ohne Kasse und damit auch ohne Bargeld experiment­ieren der Online-Händler Amazon und der Elektronik-Händler Saturn. Amazon eröffnete im Januar in Seattle einen Supermarkt, in dem sich der Kunde beim Betreten mit einer App anmelden muss. Danach wird sein Verhalten im Laden von zahllosen Kameras und Sensoren registrier­t. Der Elektronik-Riese Saturn ging jüngst im österreich­ischen Innsbruck mit einer ersten kassenlose Filiale an den Start. Kunden können bei dem Pilotproje­kt das gewünschte Produkt direkt am Regal bezahlen. Ermöglicht wird dies durch eine App, die den Preis der Waren scannt und den Bezahlvorg­ang über Kreditkart­e oder Paypal regelt.

Doch auch in der digitalen Welt müssten Verbrauche­r weiterhin bar bezahlen können, ohne Datenspure­n zu hinterlass­en, fordert Verbrauche­rschützer Pauli: „Stellen Sie sich vor, ein Anbieter kann anhand der Daten erkennen, dass ein Verbrauche­r bereit ist, mehr Geld für bestimmte Produkte auszugeben. Preiserhöh­ungen für diesen Kunden könnten die Folge sein.“

 ?? FOTO: VISA EUROPE 2014/DPA ?? Damit Kunden ihre Rechnungen mit dem Smartphone kontaktlos an der Kasse begleichen können, müssen sie es nur kurz an ein Bezahlterm­inal, das mit einem NFC-Chip ausgestatt­et ist, halten. NFC steht für „Near Field Communicat­ion“(Nahfeldkom­munikation).
FOTO: VISA EUROPE 2014/DPA Damit Kunden ihre Rechnungen mit dem Smartphone kontaktlos an der Kasse begleichen können, müssen sie es nur kurz an ein Bezahlterm­inal, das mit einem NFC-Chip ausgestatt­et ist, halten. NFC steht für „Near Field Communicat­ion“(Nahfeldkom­munikation).

Newspapers in German

Newspapers from Germany