Saarbruecker Zeitung

Jürgen Klopp greift nach Europas Fußball-Krone

Der FC Liverpool demontiert den Titelfavor­iten der Champions League, Manchester City, im Viertelfin­al-Hinspiel mit 3:0.

- VON RUBEN STARK

LIVERPOOL (sid) Für den sonst so aufbrausen­den und leidenscha­ftlichen Jürgen Klopp war das ungewöhnli­ch. Um den Trainer des FC Liverpool tobte an der Anfield Road ein gigantisch­er Stimmungso­rkan. Man musste schon fast Sorge haben, dass der legendäre Fußballtem­pel dem Jubelsturm überhaupt standhält, doch Klopp blieb vor seiner Bank beinahe regungslos. Dabei geschah gerade Unfassbare­s.

Drei Gegentreff­er für Manchester City in nur 19 Minuten. Schiere Fassungslo­sigkeit bei Star-Trainer Pep Guardiola. Mit 3:0 (3:0) fegten die Reds das scheinbar übermächti­ge, aber an diesem Abend wehrlose Team des stolzen Katalanen vom Platz und stehen kurz vor dem Halbfinal-Einzug in der Champions League. Klopp nahm die Tore so hin, als spiele Liverpool gerade gegen Watford oder Stoke City. Es war aber der große Favorit in der Königsklas­se, gerade weil er die Premier League auf der Insel nahezu uneinholba­r anführt und an diesem Samstag frühzeitig Meister werden kann.

Wenn der FC Bayern beim FC Sevilla mit 2:1 gewinnt, wird das zur Kenntnis genommen. Das 4:1 des FC Barcelona gegen AS Rom, es lässt aufhorchen. Und setzt sich Real Madrid bei Juventus Turin mit 3:0 durch, hebt mancher Experte die Augenbraue. Aber Liverpools Erfolg und die Art und Weise – das ist eine unerwartet­e Sensation.

„Das war in der ersten Hälfte kurz vor der Perfektion“, sagte Klopp über einen ersten Durchgang, in dessen Verlauf Guardiola Hören und Sehen verging. Das Erstaunlic­he: Liverpool hatte gegen den ehemaligen Bayern-Trainer das bessere taktische Konzept. Zum siebten Mal im 13. Duell Klopp gegen Guardiola düpierte der frühere Dortmunder seinen spanischen Widersache­r, der seine Champions-League-Seuche anscheinen­d aus München mitgenomme­n hat. In den vergangene­n vier Spielzeite­n gab es für Guardiola im wichtigste­n Wettbewerb jeweils ein Ausscheide­n vor dem Finale.

Die London Times störte sich an der Aufstellun­g des wirkungslo­sen deutschen Nationalsp­ielers Ilkay Gündogan. Es sei ein „schrecklic­her taktischer Fehler“von Guardiola gewesen, das Blatt verglich Gündogan mit der „Feder in einer Windmaschi­ne“. Auch Leroy Sané hatte nichts

„Keiner glaubt mehr an uns, aber wir werden

es versuchen.“

Pep Guardiola

Trainer von Manchester City

entgegenzu­setzen, wenngleich der Telegraph meinte, der Ex-Schalker sei bei City der einzige gewesen, der annähernd gut gespielt hätte. Dabei leitete Sané das 0:1 mit einem schlampige­n Zuspiel ein.

Vernichten­d für Guardiola fiel das Urteil der Boulevardz­eitung Sun aus. Liverpool habe ein „meisterhaf­tes Beispiel“dafür abgegeben, „wie man eine technisch überlegene Mannschaft wie City besiegt, mundtot macht, kastriert und besitzt“. Der Traum vom Henkelpott sei für die Sky Blues „in einer Wolke aus rotem Rauch“aufgegange­n, meinte der Mirror.

Doch trotz aller Begeisteru­ng fand Klopp, dass die Tore von Mohamed Salah (12. Minute), Alex Oxlade-Chamberlai­n (21.) und Sadio Mané (31.) mitnichten die halbe Miete sind. „Das Rückspiel wird uns noch mal richtig Energie kosten. Jetzt führen wir mit 3:0. Aber es ist noch nichts entschiede­n“, merkte der 50-Jährige an. Nun ja, die Reds haben unter Klopp im September 0:5 bei City verloren, aber ein zweites Mal? „Keiner glaubt mehr an uns, aber wir werden es versuchen“, sagte Guardiola.

Was die Ereignisse dieses imposanten Fußballabe­nds trübte, war der Angriff von Liverpoole­r Fans auf den Teambus von City mit Flaschen und Feuerwerks­körpern vor dem Spiel. Guardiola erinnerte an den Bombenansc­hlag auf den Bus von Borussia Dortmund vor einem Jahr und kritisiert­e die Sicherheit­sbehörden. „Normalerwe­ise, wenn die Polizei weiß, dass es passieren wird, verhindern sie so etwas. Ich verstehe das nicht“, sagte Guardiola. Klopp entschuldi­gte sich für das Verhalten den Anhänger. Die Uefa ermittelt mit einem Disziplina­rverfahren gegen Liverpool.

 ?? FOTO: BYRNE/DPA ?? Und plötzlich schwingt sich der FC Liverpool zum Champions-League-Favoriten auf. Hier jubelt Mohamed Salah (Mitte) über sein Tor zum 1:0.
FOTO: BYRNE/DPA Und plötzlich schwingt sich der FC Liverpool zum Champions-League-Favoriten auf. Hier jubelt Mohamed Salah (Mitte) über sein Tor zum 1:0.
 ?? FOTO: THOMPSON/AP/DPA ?? Vier Gegentreff­er waren es nicht, „nur“drei. Der enttäuscht­e Pep Guardiola (rechts) gestikulie­rt, Jürgen Klopp steht im Hintergrun­d.
FOTO: THOMPSON/AP/DPA Vier Gegentreff­er waren es nicht, „nur“drei. Der enttäuscht­e Pep Guardiola (rechts) gestikulie­rt, Jürgen Klopp steht im Hintergrun­d.

Newspapers in German

Newspapers from Germany