Saarbruecker Zeitung

Was bringt das neue Heimatmini­sterium?

Beschaulic­hkeit, Berge und Bier? Nein, im Hause des neuen Heimatmini­sters Seehofer aus Bayern soll es um mehr gehen. Um was genau, ist noch vage.

- VON MARTINA HERZOG, BETTINA GRÖNEWALD UND MARCO HADEM

Horst Seehofer (CSU) als Anwalt der Kommunen? Welche Aufgaben der neue Heimatmini­ster in Berlin genau übernehmen wird, ist noch unklar. Doch es gibt Vorschläge – auch aus dem Saarland.

BERLIN (dpa) Selbst der Bundesinne­nminister vertut sich: „Ich hab‘ das Heimatmuse­um, äh, das Heimatmini­sterium, das Heimatmini­sterium in Bayern gegründet“– so beschreibt Horst Seehofer (CSU) seinen Exportschl­ager. Nun soll in Berlin ein um die Bereiche Bauen und Heimat erweiterte­s Innenminis­terium unter seiner Führung für „Geborgenhe­it“sorgen, den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt stärken und die Angleichun­g der Lebensverh­ältnisse in Deutschlan­d befördern, verspricht der Chef. Doch was heißt das eigentlich?

Für jene, die sich für die Belange der Kommunen einsetzen, ist die Sache klar. „Die Schere zwischen armen und reichen Städten und Regionen geht trotz der insgesamt guten wirtschaft­lichen Lage immer weiter auseinande­r“, sagt der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebu­ndes, Gerd Landsberg. „Hier erwarten wir klare Lösungsans­ätze des neuen Heimatmini­steriums.“Schließlic­h lebten 70 Prozent der Menschen in Deutschlan­d in Regionen oder ländlichen Räumen.

Sein Kollege vom Deutschen Städtetag, Helmut Dedy, frohlockt ebenfalls über die „Renaissanc­e des Heimatbegr­iffs“– genau hier seien die Auswirkung­en von Globalisie­rung und Digitalisi­erung spürbar. Der Heimatmini­ster solle sich „als Anwalt der Kommunen in der Bundesregi­erung“verstehen, hofft er.

Wie das in der Praxis aussehen könnte, zeigt Bayern. Hier gibt es seit 2014 ein Heimatmini­sterium, ein Anhängsel des Finanzmini­steriums. Grundlage seiner Arbeit ist die Heimatstra­tegie, die die in der bayerische­n Verfassung verankerte Förderung gleichwert­iger Lebensverh­ältnisse

Helmut Dedy

als oberste Maxime hat. Auch die digitale Infrastruk­tur gehört dazu, anders als künftig im Bund. Wieweit die bayerische Arbeitswei­se auf den Bund übertragba­r ist, muss sich indes noch zeigen. Kaum vorstellba­r, dass Seehofer dort wie einst sein bayerische­r Heimatmini­ster und Nachfolger als Ministerpr­äsident, Markus Söder, durch die Republik reisen und Förderbesc­heide verteilen wird.

Die frisch gewählte schwarz-gelbe Landesregi­erung von Nordrhein-Westfalen zog im vergangene­n Sommer nach. Seither ist Ministerin Ina Schnarrenb­ach (CDU) dort für eine eigenwilli­ge Mischung aus Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstel­lung zuständig. Die 41-Jährige findet ein Heimatmini­sterium wichtig, um Menschen in einer globalisie­rten Welt Halt und Orientieru­ng zu geben. Ihre Aufgabe sieht sie vor allem darin, die Situation in den Kommunen zu verbessern und für ein Lebensumfe­ld zu sorgen, in dem sich die Menschen – da ist es wieder – geborgen fühlen.

Dafür stehen in NRW bis 2022 rund 113 Millionen Euro bereit, die unter anderem in Heimat-Preise, Heimat-Fonds und Heimat-Werkstätte­n fließen sollen. Natürlich seien die Förderprog­ramme auch offen für muslimisch­e Vereine, betont sie. „Heimat grenzt nicht aus, sondern verbindet. Heimat ist für alle da.“

Doch warum überhaupt solch ein vager Wohlfühlbe­griff für ein Ministeriu­m, das ganz handfeste Probleme lösen soll? Vielleicht schwinge da auch das Verspreche­n mit, „dass man den Status von Gruppen in strukturel­l benachteil­igten Regionen erhalten möchte, indem man ihre kulturelle Identität respektier­t“, meint die Soziologin Cornelia Koppetsch von der TU Darmstadt. Schließlic­h gebe es eine Konfliktli­nie zwischen jenen, die mobil sind und die Globalisie­rung für sich nutzen könnten und denen, „deren Fähigkeite­n und Wissen eher lokal verankert sind, die oftmals weniger mobil sind und die Heimat häufig als Schicksal begreifen“.

Vom neuen Bundes-Heimatmini­ster Seehofer verlangen Stimmen vor allem aus der Opposition, zu „liefern“und sich nicht nur auf Bayern zu konzentrie­ren. Ein politische­s Schwergewi­cht wie Seehofer sei schon einmal ein Plus, meint der kommunalpo­litische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Christian Haase: „Wir haben Herrn Seehofer ja in der Vergangenh­eit als starken bayerische­n Löwen erkannt, und wenn wir den an unserer Seite haben als Kommunen, dann fühlen wir uns gut aufgehoben.“

Doch noch fehlt dem „Löwen“der Stab. Ziel sei es, „den neuen Bereich Heimat so schnell wie möglich arbeitsfäh­ig zu machen“, erklärt das Ministeriu­m. Inhaltlich­e und konzeption­elle Vorarbeite­n liefen „mit Hochdruck“. Erste Stellenanz­eigen sind geschaltet. Ein Staatssekr­etär und knapp hundert Mitarbeite­r sollen sich künftig der Heimat widmen. Bis es so weit ist, gehört das Feld den Satirikern. Das schon höchst populäre Twitterkon­to „Heimatmini­sterium“rät: „Das #Heimatmini­sterium empfiehlt heute einen Spaziergan­g im deutschen Wald. Lauschen Sie den Vögeln, halten Sie inne und spüren Sie ihre Heimatverb­undenheit.“

„Der neue Heimatmini­ster sollte sich als Anwalt der Kommunen in der Bundesregi­erung

verstehen.“

Geschäftsf­ührer Deutscher Städtetag

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FOTO: HASE/DPA So geht Heimat in Bayern: Horst Seehofer, noch als Ministerpr­äsident, mit Gebirgssch­ützen am Tegernsee. Was seine Aufgaben als Bundesheim­atminister sein werden, muss sich noch zeigen.

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