Saarland bekommt internationale Schule
Die Landesregierung will dem Wunsch von Spitzenforschern und der Saar-Wirtschaft Folge leisten.
SAARBRÜCKEN Zur Anwerbung ausländischer Spitzenforscher und von Fachkräften für die Wirtschaft soll in Saarbrücken oder in unmittelbarer Nähe eine internationale Schule entstehen. Das Kabinett will einen entsprechenden Beschluss für eine englisch-deutsche Bildungseinrichtung fassen, wie Regierungssprecherin Anne Funk der SZ gestern bestätigte. Es sei Wunsch von Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) und Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD), das Thema gemeinsam voranzutreiben. Fragen wie die Kosten und der Bedarf an Plätzen sind aber noch nicht geklärt.
Zuvor hatte sich der Chef des im Aufbau befindlichen Helmholtz-Zentrums für Informationssicherheit, Professor Michael Backes, per Brief an Regierungschef Hans gewandt. In dem Schreiben, das der SZ vorliegt und auch im Namen des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken sowie der führenden Wirtschaftsverbände des Landes verfasst ist, bittet Backes den Ministerpräsidenten, das Thema zur Chefsache zu machen. „Dieses Thema beschäftigt uns im Alltag sehr. Beim Anwerben von Arbeitskräften aus dem Ausland taucht regelmäßig die Nachfrage nach einer englischsprachigen Bildungseinrichtung auf“, schreibt Backes. Das gelte sowohl für die Saar-Wirtschaft als auch für die Wissenschaftseinrichtungen.
Die internationale Schule sollte aus Sicht der Spitzenforscher und der Saar-Wirtschaft offen sein für alle saarländischen Schüler und neben einem international anerkannten Abschluss auch das saarländische Zentralabitur anbieten. Englisch soll erste Unterrichtssprache sein. Denkbar sei die Einrichtung eines englischsprachigen Zweigs an einer bestehenden Schule oder der Aufbau einer Schule nach dem Vorbild des Schengen-Lyzeums. „Im besten Fall“, so heißt es in dem Brief weiter, solle die Einrichtung ein Ganztagsangebot bereithalten und bereits im Krippen-Alter ansetzen.
SAARBRÜCKEN Professor Michael Backes hat Großes vor. Der Informatiker mit saarländischen Wurzeln baut im Saarbrücker Stadtwald gerade das Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit auf. Wenn es 2026 komplett fertig ist, soll es eine Einrichtung von Weltrang sein und rund 800 Wissenschaftler aus aller Welt beschäftigen. Experten aus Indien oder den USA nach Saarbrücken zu locken, könnte schwierig werden, wenn das Saarland ihnen und ihren Familien nichts bietet. Wo sollen zum Beispiel die Kinder der internationalen Wissenschaftler in die Kita oder zur Schule gehen?
Das Problem ist in der Landespolitik erkannt. Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) erläuterte kürzlich in seiner ersten Regierungserklärung, mit den neuen Forschern entstehe im Umfeld der Saar-Uni „so etwas wie ein großes Global Village, für das wir natürlich auch die entsprechende Infrastruktur mit ausreichendem Wohnraum und internationalen Kita- und Schulangeboten bereitstellen müssen“.
Wie wichtig dies ist, macht IT-Professor Backes dem Regierungschef nun in einem Brief („Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Tobias“) klar. Zu seiner Allianz für eine internationale Schule, in dessen Namen er den Brief schrieb, gehören auch der Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), Professor Wolfgang Wahlster, sowie die Präsidenten der Industrie- und Handelskammer (IHK), der Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände (VSU) und der Handwerkskammer (HWK), Hanno Dornseifer, Oswald Bubel und Bernd Wegner.
Nach der Vorstellung von Backes & Co. soll die Schule bereits ab dem Schuljahr 2019/20 eingerichtet werden. Dies ist jedoch äußerst ambitioniert und dürfte schwierig werden. Räumlich soll sie im Umfeld des Helmholtz-Zentrums liegen, maximal 15 Autominuten entfernt. Infrage kämen also die Saarbrücker City, Stadtteile wie Dudweiler und Scheidt oder auch St. Ingbert. Spekuliert wird etwa über die Nutzung des ehemaligen Dudweiler Gymnasiums, in dem seit 30 Jahren das Landesinstitut für Pädagogik und Medien (LPM) einquartiert ist. Backes kann sich den Aufbau einer Schule nach dem Modell des deutsch-luxemburgischen Schengen-Lyzeums vorstellen, aber auch die Einrichtung eines englischsprachigen Zweigs an einer vorhandenen Bildungseinrichtung.
In der Saar-Wirtschaft fällt daher der Name Rotenbühl-Gymnasium. Dort gibt es bereits einen bilingualen Englischzweig, in dem Erdkunde, Geschichte und Biologie vorwiegend in englischer Sprache unterrichtet wird. An der Schule, wie sie Backes und seinen Unterstützern vorschwebt, soll Englisch erste Unterrichtssprache sein.
Backes und seine Mitstreiter haben eine klare Erwartungshaltung an Hans formuliert: Der Ministerpräsident möge die Einrichtung einer internationalen Schule „im Interesse unserer Kinder und Kindeskinder zur Chefsache“machen und einen entsprechenden Kabinettsbeschluss herbeiführen. Letzteres hat die Staatskanzlei gestern in Aussicht gestellt.
Den Bedarf an Plätzen in einer solchen Schule will die Saar-Wirtschaft in Kürze per Umfrage unter mehreren tausend Unternehmen im Land ermitteln. IHK-Hauptgeschäftsführer Heino Klingen sieht die Schule auch als Angebot für Mitarbeiter größerer Unternehmen, in denen Englisch bereits Firmensprache ist. Man brauche aber erst eine belastbare Zahlenbasis.
Das Handwerk setzt ebenfalls auf eine solche Schule: Wenn hunderte Wissenschaftler ihren Lebensmittelpunkt ins Saarland verlegten, sagt HWK-Präsident Bernd Wegner, „dann ist das für uns ein wirtschaftlicher Faktor“. Denn auch diese (in der Regel solventen) Menschen müssen mal in die Autowerkstatt, brauchen einen Elektriker oder kaufen beim Metzger ein.
In deutschen Großstädten, auch in Luxemburg, gibt es längst internationale Schulen, die aber in privater Hand sind. Plätze kosten dort schnell um die 15 000 Euro im Jahr. Das passt schlecht zum Saarland, das mit seinen vergleichsweise geringen Lebenshaltungskosten wirbt. Zumal die Helmholtz-Forscher, für die der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes gilt, keine Manager-Gehälter verdienen: Ein Wissenschaftler in der Gehaltsklasse eines W2-Professors erhält um die 70 000 Euro im Jahr. Deshalb ist klar, dass eine internationale Schule nur als öffentliche Einrichtung denkbar ist. Das größte Problem dürfte dann aber die Finanzierung sein. An Ideen hat es im Saarland noch selten gemangelt.
Die Saar-Wirtschaft will in Kürze bei den Unternehmen ermitteln, wie
groß der Bedarf ist.