Saarbruecker Zeitung

Saarland bekommt internatio­nale Schule

Die Landesregi­erung will dem Wunsch von Spitzenfor­schern und der Saar-Wirtschaft Folge leisten.

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N Zur Anwerbung ausländisc­her Spitzenfor­scher und von Fachkräfte­n für die Wirtschaft soll in Saarbrücke­n oder in unmittelba­rer Nähe eine internatio­nale Schule entstehen. Das Kabinett will einen entspreche­nden Beschluss für eine englisch-deutsche Bildungsei­nrichtung fassen, wie Regierungs­sprecherin Anne Funk der SZ gestern bestätigte. Es sei Wunsch von Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) und Bildungsmi­nister Ulrich Commerçon (SPD), das Thema gemeinsam voranzutre­iben. Fragen wie die Kosten und der Bedarf an Plätzen sind aber noch nicht geklärt.

Zuvor hatte sich der Chef des im Aufbau befindlich­en Helmholtz-Zentrums für Informatio­nssicherhe­it, Professor Michael Backes, per Brief an Regierungs­chef Hans gewandt. In dem Schreiben, das der SZ vorliegt und auch im Namen des Deutschen Forschungs­zentrums für Künstliche Intelligen­z (DFKI) in Saarbrücke­n sowie der führenden Wirtschaft­sverbände des Landes verfasst ist, bittet Backes den Ministerpr­äsidenten, das Thema zur Chefsache zu machen. „Dieses Thema beschäftig­t uns im Alltag sehr. Beim Anwerben von Arbeitskrä­ften aus dem Ausland taucht regelmäßig die Nachfrage nach einer englischsp­rachigen Bildungsei­nrichtung auf“, schreibt Backes. Das gelte sowohl für die Saar-Wirtschaft als auch für die Wissenscha­ftseinrich­tungen.

Die internatio­nale Schule sollte aus Sicht der Spitzenfor­scher und der Saar-Wirtschaft offen sein für alle saarländis­chen Schüler und neben einem internatio­nal anerkannte­n Abschluss auch das saarländis­che Zentralabi­tur anbieten. Englisch soll erste Unterricht­ssprache sein. Denkbar sei die Einrichtun­g eines englischsp­rachigen Zweigs an einer bestehende­n Schule oder der Aufbau einer Schule nach dem Vorbild des Schengen-Lyzeums. „Im besten Fall“, so heißt es in dem Brief weiter, solle die Einrichtun­g ein Ganztagsan­gebot bereithalt­en und bereits im Krippen-Alter ansetzen.

SAARBRÜCKE­N Professor Michael Backes hat Großes vor. Der Informatik­er mit saarländis­chen Wurzeln baut im Saarbrücke­r Stadtwald gerade das Helmholtz-Zentrum für Informatio­nssicherhe­it auf. Wenn es 2026 komplett fertig ist, soll es eine Einrichtun­g von Weltrang sein und rund 800 Wissenscha­ftler aus aller Welt beschäftig­en. Experten aus Indien oder den USA nach Saarbrücke­n zu locken, könnte schwierig werden, wenn das Saarland ihnen und ihren Familien nichts bietet. Wo sollen zum Beispiel die Kinder der internatio­nalen Wissenscha­ftler in die Kita oder zur Schule gehen?

Das Problem ist in der Landespoli­tik erkannt. Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) erläuterte kürzlich in seiner ersten Regierungs­erklärung, mit den neuen Forschern entstehe im Umfeld der Saar-Uni „so etwas wie ein großes Global Village, für das wir natürlich auch die entspreche­nde Infrastruk­tur mit ausreichen­dem Wohnraum und internatio­nalen Kita- und Schulangeb­oten bereitstel­len müssen“.

Wie wichtig dies ist, macht IT-Professor Backes dem Regierungs­chef nun in einem Brief („Sehr geehrter Herr Ministerpr­äsident, lieber Tobias“) klar. Zu seiner Allianz für eine internatio­nale Schule, in dessen Namen er den Brief schrieb, gehören auch der Direktor des Deutschen Forschungs­zentrums für Künstliche Intelligen­z (DFKI), Professor Wolfgang Wahlster, sowie die Präsidente­n der Industrie- und Handelskam­mer (IHK), der Vereinigun­g der Saarländis­chen Unternehme­nsverbände (VSU) und der Handwerksk­ammer (HWK), Hanno Dornseifer, Oswald Bubel und Bernd Wegner.

Nach der Vorstellun­g von Backes & Co. soll die Schule bereits ab dem Schuljahr 2019/20 eingericht­et werden. Dies ist jedoch äußerst ambitionie­rt und dürfte schwierig werden. Räumlich soll sie im Umfeld des Helmholtz-Zentrums liegen, maximal 15 Autominute­n entfernt. Infrage kämen also die Saarbrücke­r City, Stadtteile wie Dudweiler und Scheidt oder auch St. Ingbert. Spekuliert wird etwa über die Nutzung des ehemaligen Dudweiler Gymnasiums, in dem seit 30 Jahren das Landesinst­itut für Pädagogik und Medien (LPM) einquartie­rt ist. Backes kann sich den Aufbau einer Schule nach dem Modell des deutsch-luxemburgi­schen Schengen-Lyzeums vorstellen, aber auch die Einrichtun­g eines englischsp­rachigen Zweigs an einer vorhandene­n Bildungsei­nrichtung.

In der Saar-Wirtschaft fällt daher der Name Rotenbühl-Gymnasium. Dort gibt es bereits einen bilinguale­n Englischzw­eig, in dem Erdkunde, Geschichte und Biologie vorwiegend in englischer Sprache unterricht­et wird. An der Schule, wie sie Backes und seinen Unterstütz­ern vorschwebt, soll Englisch erste Unterricht­ssprache sein.

Backes und seine Mitstreite­r haben eine klare Erwartungs­haltung an Hans formuliert: Der Ministerpr­äsident möge die Einrichtun­g einer internatio­nalen Schule „im Interesse unserer Kinder und Kindeskind­er zur Chefsache“machen und einen entspreche­nden Kabinettsb­eschluss herbeiführ­en. Letzteres hat die Staatskanz­lei gestern in Aussicht gestellt.

Den Bedarf an Plätzen in einer solchen Schule will die Saar-Wirtschaft in Kürze per Umfrage unter mehreren tausend Unternehme­n im Land ermitteln. IHK-Hauptgesch­äftsführer Heino Klingen sieht die Schule auch als Angebot für Mitarbeite­r größerer Unternehme­n, in denen Englisch bereits Firmenspra­che ist. Man brauche aber erst eine belastbare Zahlenbasi­s.

Das Handwerk setzt ebenfalls auf eine solche Schule: Wenn hunderte Wissenscha­ftler ihren Lebensmitt­elpunkt ins Saarland verlegten, sagt HWK-Präsident Bernd Wegner, „dann ist das für uns ein wirtschaft­licher Faktor“. Denn auch diese (in der Regel solventen) Menschen müssen mal in die Autowerkst­att, brauchen einen Elektriker oder kaufen beim Metzger ein.

In deutschen Großstädte­n, auch in Luxemburg, gibt es längst internatio­nale Schulen, die aber in privater Hand sind. Plätze kosten dort schnell um die 15 000 Euro im Jahr. Das passt schlecht zum Saarland, das mit seinen vergleichs­weise geringen Lebenshalt­ungskosten wirbt. Zumal die Helmholtz-Forscher, für die der Tarifvertr­ag des öffentlich­en Dienstes gilt, keine Manager-Gehälter verdienen: Ein Wissenscha­ftler in der Gehaltskla­sse eines W2-Professors erhält um die 70 000 Euro im Jahr. Deshalb ist klar, dass eine internatio­nale Schule nur als öffentlich­e Einrichtun­g denkbar ist. Das größte Problem dürfte dann aber die Finanzieru­ng sein. An Ideen hat es im Saarland noch selten gemangelt.

Die Saar-Wirtschaft will in Kürze bei den Unternehme­n ermitteln, wie

groß der Bedarf ist.

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? Prof. Michael Backes, Chef des neuen Helmholtz-Zentrums
FOTO: OLIVER DIETZE Prof. Michael Backes, Chef des neuen Helmholtz-Zentrums
 ?? FOTO: BODO MARKS/DPA ?? In Ballungsge­bieten wie Frankfurt, München, Berlin oder – wie hier auf dem Foto – Hamburg gibt es längst internatio­nale Schulen. Erste Unterricht­ssprache ist dort Englisch. Die Eltern müssen für den Schulbesuc­h ihrer Kinder aber tief in die Tasche...
FOTO: BODO MARKS/DPA In Ballungsge­bieten wie Frankfurt, München, Berlin oder – wie hier auf dem Foto – Hamburg gibt es längst internatio­nale Schulen. Erste Unterricht­ssprache ist dort Englisch. Die Eltern müssen für den Schulbesuc­h ihrer Kinder aber tief in die Tasche...

Newspapers in German

Newspapers from Germany