Saarbruecker Zeitung

Erste Gemüse-Ernte in der Antarktis

In einem speziellen Gewächshau­s in der Arktis sprießt frisches Gemüse. Es soll später Astronaute­n im All versorgen.

- Produktion dieser Seite: Thomas Schäfer, Peter Stefan Herbst Frauke Scholl

3,6 Kilogramm Salat, 18 Gurken und 70 Radieschen – so viel frisches Gemüse haben Forscher jetzt in der Antarktis geerntet. In einem neuartigen Gewächshau­s nahe der deutschen Polarforsc­hungsstati­on Neumayer III.

BREMEN (dpa) Mit Gärtnern hatte Paul Zabel bisher nicht so viel am Hut. Trotzdem wachsen seine Pflanzen wie verrückt – und das in der Antarktis. Möglich macht das ein spezielles Gewächshau­s nahe der deutschen Polarforsc­hungsstati­on Neumayer III. Jeden Tag stapft Zabel dick eingepackt 400 Meter durch den Schnee ins Grüne, sät Salat, schneidet Tomatenpfl­anzen zurück und überprüft, ob es seinen Zöglingen gut geht. Den Lohn seiner Arbeit kann er jetzt genießen: Gerade hat er 3,6 Kilogramm Salat, 70 Radieschen und 18 Gurken im Gewächshau­s geerntet.

„Das Gemüse wird schon sehnlichst erwartet“, sagt Zabel. Während des antarktisc­hen Winters ist die Polarforsc­hungsstati­on von der Außenwelt abgeschnit­ten. Über Monate muss die Besatzung von den Vorräten zehren, die mit der letzten Lebensmitt­ellieferun­g Ende Februar ankamen. Auch das Gärtnern in der Abgeschied­enheit ist eine Herausford­erung: Zabel muss mit den vorhandene­n Ressourcen auskommen, Nachschub gibt es nicht. Ähnlich müssen sich Astronaute­n fühlen. Mond und Mars sind das Ziel von Raumfahrti­ngenieur Paul Zabel und seinen Kollegen am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bremen.

Das von ihnen entwickelt­e Gewächshau­s soll Astronaute­n bei der Erkundung ferner Planeten versorgen. Und nicht nur das: Es soll die grüne Lunge der Raumstatio­nen sein. „Es stellt für die Astronaute­n Sauerstoff zum Atmen her und reinigt das Wasser“, erläutert Projektlei­ter Daniel Schubert.

Schubert blickt auf die vielen Bildschirm­e im Bremer Kontrollra­um. Von dort überwachen er und sein Team alles, was im Gewächshau­s passiert. Monitore zeigen Temperatur, Luftfeucht­igkeit, Sauerstoff­und Kohlendiox­idgehalt an. Eine Kamera fotografie­rt regelmäßig alle Pflanzen. In acht Regalen sprießen auf mehreren Etagen üppig grüne Salate, gelbblühen­de Tomatenpfl­anzen, Basilikum, Schnittlau­ch, Petersilie, Gurken, Kohlrabi und kleine Rucola-Setzlinge.

„Die wachsen schneller als unter normalen Bedingunge­n“, sagt Schubert. Alle fünf Minuten werden die Wurzeln der Pflanzen computerge­steuert mit einer Nährstoffl­ösung besprüht, sie bekommen mehr Licht und Kohlendiox­id als normalerwe­ise. Besonders wichtig für das Projekt sind die geschlosse­nen Kreisläufe. Luft und Wasser werden immer wieder recycelt wie es im Weltraum auch sein müsste.

Allerdings führen die DLR-Forscher über Flaschen zusätzlich­es Kohlendiox­id zu, das die Astronaute­n auf einer echten Raumstatio­n ausatmen würden. Auch Wasser müssen sie teilweise ergänzen, denn das wird im Gemüse gebunden und mit der Ernte dem Kreislauf entnommen. Wie viele Ressourcen die Forscher in das Gewächshau­s geben müssen und wie viel Ertrag dabei herauskomm­t, soll am Ende des einjährige­n Projekts feststehen.

Das DLR-Gewächshau­s könnte so nicht auf Mond oder Mars stehen. „Die Technologi­en sind da“, sagt Schubert. Doch bis das Gewächshau­s All-tauglich sein wird, brauchen die Forscher noch mindestens 15 Jahre.

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FOTO: DLR/DPA Ein Kran hebt den Container mit dem Gewächshau­s an seinen Einsatzort in der Arktis.
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FOTO: DLR/DPA Blick auf die Pflanzen und die Technik im Innern des Containers.

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