Saarbruecker Zeitung

Maas besucht die Oase inmitten der Krise

Der Bundesauße­nminister in Jordanien: Das kleine Königreich, das in Nahost als Insel der Stabilität gilt, ist ein wichtiger Partner. Wenn auch kein einfacher.

- VON MICHAEL FISCHER

AMMAN (dpa) Um seine Lage ist Jordanien wahrlich nicht zu beneiden. Nördlich des Landes tobt seit sieben Jahren der syrische Bürgerkrie­g mit hunderttau­senden Toten. Westlich spitzt sich der Konflikt zwischen Israel und den Palästinen­sern wieder zu. Im Osten liegt der Irak, der die Terrororga­nisation Islamische­r Staat (IS) zwar verdrängt, aber nicht besiegt hat. Und im Süden ist es nicht weit bis zum nächsten Krieg, der den Jemen – ohnehin eins der ärmsten Länder der Welt – brutal erschütter­t.

Mittendrin liegt also Jordanien, ein kleines Königreich mit nicht einmal zehn Millionen Einwohnern, kaum Rohstoffen, wenig Industrie, einem winzigen Küstenstre­ifen und sehr viel Wüste. Wirtschaft­lich hat das Land keine besondere Bedeutung für internatio­nale Partnersch­aften, strategisc­h dagegen eine umso größere. Das von Konflikten umzingelte Land ist deswegen ein beliebtes Reiseziel hochrangig­er Politiker auch großer westlicher Staaten. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier war erst vor wenigen Wochen hier. Und der neue Außenminis­ter Heiko Maas besucht das Land nun rund drei Wochen nach seiner Vereidigun­g. „In einer Region, die schwer gezeichnet ist von Terror, Gewalt und dem Ringen um Macht und Einfluss, kommt es umso mehr an auf die, die sich verlässlic­h für konstrukti­ve Lösungen einsetzen“, lautet die Begründung des saarländis­chen SPD-Politikers.

Für Deutschlan­d hat Jordanien nicht nur eine strategisc­he, sondern auch eine innenpolit­ische Bedeutung. Das Land hat zwischen 650 000 und 1,2 Millionen syrische Flüchtling­e aufgenomme­n. Die deutsche Botschaft in der jordanisch­en Hauptstadt Amman ist Anlaufstel­le für die unter ihnen, die zu ihren Angehörige­n nach Deutschlan­d wollen. Wie viele das sind, weiß niemand so genau.

Einer von ihnen ist Aessa Ahmed, der im kleinen Wartezimme­r der deutschen Botschaft sitzt, als Maas die Visastelle besucht. Seine Frau ist vor knapp drei Jahren nach Deutschlan­d geflohen. Den dort geborenen Sohn kennt Ahmed bisher nur von Fotos. Er selbst ist mit zwei Töchtern in Amman hängen geblieben. Dort wartet er nun auf sein Visum. „Es ist deprimiere­nd“, sagt er. Er habe gedacht, es würde vielleicht ein halbes Jahr dauern, oder höchstens ein Jahr. Nun sind es zwei Jahre und sieben Monate. Aber er hat seine Zuversicht noch nicht verloren.

An drei Schaltern werden in der Visastelle Anträge bearbeitet. 40 am Tag waren es durchschni­ttlich im vergangene­n Jahr. „Ich will mir ganz einfach einen Eindruck davon verschaffe­n, wie das praktisch abläuft“, sagt Maas mit Blick auf das hochaktuel­le Thema des Familienna­chzugs nach Deutschlan­d. „Denn es nützt nichts, im fernen Berlin schöne Gesetze

Heiko Maas (SPD)

zu schreiben, die vor Ort dann nicht mehr praktizier­bar sind.“

Es ist eine bewusste Spitze gegen seinen Kabinettsk­ollegen von der CSU, Innenminis­ter Horst Seehofer. Der hat gerade einen Gesetzentw­urf vorgelegt, der einen Kompromiss aus dem Koalitions­vertrag umsetzen soll. Bis zu 1000 Angehörige von Flüchtling­en mit eingeschrä­nktem Schutz sollen danach nach Deutschlan­d kommen dürfen. Die SPD wirft Seehofer vor, die Zahl wieder drücken zu wollen. Einem solchen Entwurf werde man nicht zustimmen, sagt Maas.

Bei seinen Gesprächen mit dem Amtskolleg­en Ayman Safadi in Amman geht es dann aber nicht nur um die Flüchtling­sfrage und wie Deutschlan­d das Land weiter unterstütz­en kann. Die Krisen in der Nachbarsch­aft prägen das Gespräch. Und Jordanien ist zwar ein wichtiger, aber kein unproblema­tischer Partner in einer Region, in der die Regionalmä­chte Saudi-Arabien und Iran miteinande­r konkurrier­en. Das Königreich versucht sich an das ölreiche Saudi-Arabien anzulehnen, ohne zum direkten Gegner Irans zu werden. So beteiligt sich das Land zwar in einer von Saudi-Arabien geführten Allianz am Krieg gegen die vom Iran unterstütz­ten schiitisch­en Huthi-Rebellen im Jemen – aber nicht an vorderster Front.

Aus deutscher Sicht ist die militärisc­he Beteiligun­g aber entscheide­nd, in puncto Rüstungshi­lfe. In ihrem Koalitions­vertrag haben Union und SPD vereinbart, dass keine Rüstungsgü­ter in Länder exportiert werden, die „unmittelba­r“am Jemen-Krieg beteiligt sind. Welche das sind, muss die Regierung aber erst noch definieren. Die Frage ist wichtig, denn Waffenlief­erungen sind fester Bestandtei­l der deutschen Unterstütz­ung für Jordanien – das bereits 50 Schützenpa­nzer „Marder“erhielt. Safadi betonte, dass er mit weiterer Unterstütz­ung rechne.

„Es nützt nichts, im fernen Berlin schöne Gesetze zu schreiben, die vor Ort

dann nicht mehr praktizier­bar sind.“

über den Familienna­chzug von Syrern, die auch in Jordanien auf Weiterreis­e warten.

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FOTO: KAPPELER/DPA Partner reichen sich die Hände: Außenminis­ter Heiko Maas (l, SPD) sprach gestern mit seinem jordanisch­en Amtskolleg­en Ayman Safadi nicht nur über die Kooperatio­n in der Flüchtling­sfrage. Es ging auch um die Kriege im Umfeld Jordaniens – und weitere...

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