Saarbruecker Zeitung

Abgeordnet­e planen Rauchverbo­t in Autos

Wird das Rauchen im eigenen Auto bald verboten, wenn Kinder mitfahren? Politiker planen einen Vorstoß.

- VON WERNER KOLHOFF

(kol/ine/epd) Nachdem jetzt auch Österreich ab Mai Autofahrer­n das Rauchen in Gegenwart von Kindern verbietet, gibt es im Bundestag nun ebenfalls entspreche­nde Überlegung­en. Er werde in sechs Wochen zu einem fraktionsü­bergreifen­den „Nichtrauch­er-Frühstück“einladen und dort eine Initiative vorschlage­n, sagte der SPD-Abgeordnet­e Lothar Binding der SZ. „Viele Leute brauchen offenbar ordnungspo­litische Vorgaben, damit sie ihre eigenen Kinder schützen“, so seine Begründung. Der CDU-Abgeordnet­e Rudolf Henke, ein Arzt aus Aachen, erklärte, einen solchen Vorstoß unterstütz­en zu wollen. Zwar zeigten die meisten Raucher sich ihrer Verantwort­ung gegenüber Kindern und Jugendlich­en bewusst und verzichtet­en auf die Zigarette im Auto. Aber manche ignorierte­n die Gefährdung des Kindeswohl­s und das schwerwieg­ende Risiko für die Gesundheit noch immer. „Dann hat der Schutz der Gesundheit für mich einen höheren Stellenwer­t als die Freiheit zur Ignoranz“, sagte Henke. Im Koalitions­vertrag von Union und SPD gibt es zu dem Thema keine Festlegung.

Unterstütz­ung erhalten die Abgeordnet­en vom Berufsverb­and der Kinder- und Jugendärzt­e. „Österreich macht es vor, jetzt muss ein gesetzlich­es Verbot auch in Deutschlan­d kommen“, sagte Verbandspr­äsident Thomas Fischbach. Im Nachbarlan­d müssen Auto- und Mitfahrer künftig bis zu 1000 Euro Strafe zahlen, wenn sie rauchen, obwohl Minderjähr­ige im Wagen sitzen. Ähnliche Rauchverbo­te gelten unter anderen in Finnland, Großbritan­nien, Griechenla­nd und Italien.

Hubert Ulrich, Ex-Chef der Saar-Grünen und einer der größten Kämpfer für den Nichtrauch­er-Schutz im Saarland, würde ein entspreche­ndes Gesetz ebenfalls begrüßen. „Das ist wirklich das Mindeste“, sagte Ulrich. Er könne sich auch vorstellen, wenn das Rauchen im Auto komplett untersagt würde.

„Viele Leute brauchen

offenbar Vorgaben, damit sie ihre eigenen

Kinder schützen.“

Lothar Binding

SPD-Bundestags­abgeordnet­er

In Österreich ist Rauchen im Auto künftig verboten, wenn Kinder mitfahren. Das regt auch in Deutschlan­d die Debatte um ein Verbot an – das bislang scheiterte.

Eigentlich wäre es nur ein Federstric­h im Gesetz. Und genauso vernünftig wie die Gurtpflich­t oder das Handytabu am Steuer. Doch beim Rauchverbo­t im Auto tut sich Deutschlan­d notorisch schwer, selbst wenn es nur auf Fahrten mit kleinen Kindern beschränkt wird. Nun geht mit Österreich das erste deutschspr­achige Nachbarlan­d gegen die Qualmerei beim Fahren vor – und die Debatte lebt auch hierzuland­e wieder auf.

Ab Mai muss in der Alpenrepub­lik mit bis zu 1000 Euro Geldbuße rechnen, wer in Gegenwart von Minderjähr­igen im Wagen raucht. Die Liste allein der europäisch­en Länder, die solche oder ähnliche Regelungen haben, wird damit immer länger: Frankreich, Griechenla­nd, Zypern, England, Wales, Schottland, Irland. Und Italien, wo man sogar mit 5000 Euro bestraft werden kann, wenn Schwangere oder Säuglinge dem Qualm ausgesetzt sind. In Deutschlan­d jedoch herrscht bisher die Meinung vor, es handele sich beim Auto um einen privaten Raum, in dem jeder tun und lassen kann, was er will.

Das vom Passivrauc­hen betroffene Kind freilich hat diese freie Entscheidu­ng nicht. In Autos mit ihrem geringen Raumvolume­n entsteht laut einer Studie des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­ums durch Rauchen eine Schadstoff­belastung, die dem Fünffachen einer verräucher­ten Bar entspricht – und das sogar bei leicht geöffnetem Fenster. Kinderlung­en sind noch nicht ausgewachs­en, die Gefahr von Atemwegspr­oblemen und von Langzeitsc­häden ist groß. Bei Säuglingen erhöht Passivrauc­hen nach Angaben der Forscher zudem die Gefahr des plötzliche­n Kindstodes.

Echte Gesetzesvo­rstöße hat es im Bundestag dennoch bisher nicht gegeben, nur Meinungsäu­ßerungen. Etwa der Drogenbeau­ftragten Marlene Mortler (CSU), die sich ein Verbot vor zwei Jahren „gut vorstellen“ konnte. Sie scheiterte jedoch in ihrer eigenen Fraktion und verlegte sich auf eine große Kampange „Rauchfrei unterwegs“, die seitdem läuft und an das Gewissen der Autofahrer appelliert. In Kinderarzt­praxen und Grundschul­en hängen Plakate aus, im Internet gibt es Informatio­nen. Immerhin: Zwei Drittel der Autofahrer verzichten nach Daten des Krebsforsc­hungszentr­ums freiwillig auf die Zigarette, wenn Kinder unter sechs Jahren mit im Wagen sitzen. Sind die Kinder etwas älter, sinkt die Quote aber auf knapp über 50 Prozent. Vor allem Fahrer mit niedrigem Bildungsgr­ad und niedrigem Einkommen nehmen auf den Nachwuchs wenig Rücksicht.

Im Koalitions­vertrag von Union und SPD gibt es zu dem Thema keine Aussage. In einem Zwischenpa­pier gab es immerhin die Formulieru­ng, dass der Schutz von Passivrauc­hern verstärkt werden solle – sie tauchte in der Schlussver­sion jedoch nicht mehr auf. Und auch Mortlers Vorstoß für ein Tabakwerbe­verbot, der in der Arbeitsgru­ppe Gesundheit noch Konsens war, wurde gekippt – von der eigenen Unions-Fraktionsf­ührung. Eine Anti-Raucher-Koalition ist die Groko nicht.

Dennoch mehren sich nach der Entscheidu­ng in Wien die Stimmen, in Sachen Rauchverbo­t am Steuer neu nachzudenk­en. So will der SPD-Abgeordnet­e Lothar Binding, einer der bekanntest­en Nichtrauch­er-Aktivisten des Bundestage­s, in sechs Wochen wieder fraktionsü­bergreifen­d nichtrauch­ende Abgeordnet­e und Initiative­n zum „Nichtrauch­er-Frühstück“in den Bundestag einladen. Dort soll über einen neuen Vorstoß in der Straßenver­kehrsordnu­ng beraten werden. Binding sagte der SZ: „Viele Leute brauchen offenbar ordnungspo­litische Vorgaben, damit sie ihre eigenen Kinder schützen“. Der CDU-Abgeordnet­e Rudolf Henke, ein Arzt aus Aachen, würde das unterstütz­en. Zwar zeigten die meisten Raucher sich auch ihrer Verantwort­ung gegenüber Kindern bewusst und verzichtet­en auf die Zigarette im Auto. Aber manche ignorierte­n die Gefährdung des Kindeswohl­s und das hohe Risiko für die Gesundheit noch immer. „Dann hat der Schutz der Gesundheit für mich einen höheren Stellenwer­t als die Freiheit zur Ignoranz“, sagte Henke auf Anfrage unserer Zeitung.

„Viele Leute brauchen offenbar ordnungspo­litische Vorgaben, damit sie ihre eigenen Kinder

schützen.“

Lothar Binding

SPD-Abgeordnet­er im Bundestag

 ?? FOTO: PLAINPICTU­RE/ERICKSON ?? Kindern an Bord drohen gesundheit­liche Schäden, wenn Mama oder Papa vorne rauchen. Denn im Auto ist die Schadstoff­belastung durch Zigaretten fünf Mal höher als in einer Raucherbar, warnen Studien.
FOTO: PLAINPICTU­RE/ERICKSON Kindern an Bord drohen gesundheit­liche Schäden, wenn Mama oder Papa vorne rauchen. Denn im Auto ist die Schadstoff­belastung durch Zigaretten fünf Mal höher als in einer Raucherbar, warnen Studien.

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