Saarbruecker Zeitung

„Horst kommt als Typ einfach gut an“

Die deutsche Frauen-Nationalma­nnschaft tritt erstmals unter ihrer neuen Führung in der WM-Qualifikat­ion an.

- DAS INTERVIEW FÜHRTE SZ-MITARBEITE­R FRANK HELLMANN

HALLE Ulrike Ballweg ist die vielleicht wichtigste Ratgeberin für Interimstr­ainer Horst Hrubesch bei der deutschen Frauen-Nationalma­nnschaft vor den WM-Qualifikat­ionsspiele­n in Halle gegen Tschechien (Samstag, 16.15 Uhr/ARD) und in Domzale gegen Slowenien (Dienstag, 16 Uhr/ZDF). Die 52-Jährige bringt die Expertise als langjährig­e Co-Trainerin von Silvia Neid (2005 bis 2016) ein und betreut gleichzeit­ig die U16-Juniorinne­n.

Frau Ballweg, Sie hatten sich eigentlich mit dem Olympiasie­g bei der deutschen Frauen-Nationalma­nnschaft als Co-Trainerin verabschie­det. Wer hat Sie angerufen, und war es für Sie sofort klar, wieder einzusteig­en?

ULRIKE BALLWEG Der Anruf kam von Joti Chatzialex­iou (Sportliche­r Leiter Nationalma­nnschaften, Anm. der Redaktion). Es war nur ein kurzes Gespräch, denn für mich war recht schnell klar, es zu machen.

Wie ist Ihre genaue Aufgabe?

BALLWEG Ich bin sicher diejenige, die die Spielerinn­en etwas besser kennt und besser das Niveau im Frauenfußb­all einschätze­n kann. Horst Hrubesch hatte zuvor ja mehr von außen drauf geschaut.

Horst Hrubesch hat am Mittwoch bekannt, dass er bei den Namen noch Hilfe braucht.

BALLWEG Ich habe sicher den besseren Durchblick (lacht). Es ist wirklich schwierig für ihn, weil die Gesichter auf dem Spielfeld anders aussehen als wenn die Spielerinn­en mit offenen Haaren zum Essen gehen. Aber nach drei gemeinsame­n Tagen in Leipzig hat er das mittlerwei­le gut drauf.

Tut seine Art dem Team gut?

BALLWEG Er hat einen guten Zugang zu den Spielerinn­en. Genau wie bei den Männern kommt er als Typ einfach gut an. Es gibt mal einen flapsigen Spruch, dann geht es auch wieder ernsthaft zu. Das ist einfach authentisc­h. Und alles was er anspricht, hat eben Hand und Fuß.

Leiten Sie die Trainingse­inheiten?

BALLWEG Nein, Horst ist der Chef. Er hat auch einen klaren Plan, wie er spielen möchte – und das wird sich nicht viel von dem unterschei­den, wie die deutschen Frauen früher gespielt haben. In der Spielidee sind das nur kleine Veränderun­gen im Detail.

Also wird gegen Tschechien wieder das bewährte 4-2-3-1-System zur Anwendung kommen?

BALLWEG Es wird sicher keine riesige Neuerung im Spielsyste­m geben. Wir erhoffen uns Veränderun­gen eher in der Spielweise. Da fließen mehrere Faktoren ein: die Körperspra­che, die wiederum mit dem Selbstbewu­sstsein zusammenhä­ngt. Das Team soll aktiver sein. Wir wollen Wert auf Geschwindi­gkeit und Zielstrebi­gkeit legen und den Spielerinn­en bewusst machen, wie gut sie sind.

War es eigentlich eine Option, gleich Silvia Neid zurückzuho­len, um das alte Selbstvers­tändnis zurückzubr­ingen?

BALLWEG Das müssen sie Joti fragen – in die Thematik war ich nicht involviert. Was ich sagen kann: Silvia wird in Halle auf der Tribüne sitzen und mit uns entspreche­nden Informatio­nen in der Halbzeit versorgen. Das ist mit dem gesamten Trainertea­m abgestimmt. Sie hat halt lange Erfahrung und kann sicher unsere Leistung gut beurteilen. Sie hat auch in der Bundesliga wieder für uns gesichtet.

Als langfristi­ge Lösung wird immer wieder Martina Voss-Tecklenbur­g genannt. Wäre die Schweizer Nationaltr­ainerin eine gute Wahl?

BALLWEG Martina Voss-Tecklenbur­g trifft man häufiger bei Spielen in der Frauen-Bundesliga. Sie hat in der Schweiz gezeigt, dass sie eine Mannschaft entwickeln kann. Wir werden sehen, wer es am Ende wird. An den Spekulatio­nen möchte ich mich nicht beteiligen.

Wie ist es um die Qualität im deutschen Frauenfußb­all bestellt?

BALLWEG

Ich mache mir keine grundsätzl­ichen Sorgen, aber man muss immer wachsam sein. Wir dürfen uns nicht ausruhen, denn oben zu bleiben, ist immer schwierige­r, als nach oben zu kommen. Das merken übrigens gerade die Holländeri­nnen als Europameis­ter.

Weist nicht eine 1:6-Pleite der U15 gegen die USA vor fünf Monaten daraufhin, dass die deutsche Vormachtst­ellung bröckelt?

BALLWEG Dieses Team war mehr als ein Jahrzehnt lang ungeschlag­en. Mir persönlich kam die Kritik überzogen vor, denn es gibt nicht viele Nationen, die in diesem Bereich vor uns stehen. Deswegen alles schlechtzu­reden und in Hektik zu verfallen, ist sicher nicht der richtige Weg. Unsere Mädchen spielen möglichst lange bei den Jungs mit, um sich Spieltempo, Wettkampfh­ärte und Durchsetzu­ngsvermöge­n anzueignen. Wir haben einen guten Nachwuchs, nur sollte er auch entspreche­nde Einsatzzei­ten in der Frauen-Bundesliga bekommen.

Der VfL Wolfsburg hat in der Women’s Champions League zuletzt acht Ausländeri­nnen in der Startelf geboten, als Slavia Prag mit 5:0 besiegt wurde. Unter den Torschützi­nnen war keine deutsche Spielerin. Meinen Sie so etwas?

BALLWEG Genau. Wir dürfen davor nicht die Augen verschließ­en. Wir müssen schauen, dass unsere Nachwuchss­pielerinne­n auch in den guten Vereinen ihre Einsatzzei­ten bekommen, um internatio­nale Erfahrunge­n zu sammeln, die später auch der Nationalma­nnschaft zugute kommen.

 ?? FOTO: WOITAS/DPA ?? Horst Hrubesch wird an diesem Samstag erstmals die deutsche Frauen-Nationalma­nnschaft betreuen und im öffentlich­en Fokus stehen. Aber ohne Assistenti­n Ulrike Ballweg (rechts) würde das kaum gehen.
FOTO: WOITAS/DPA Horst Hrubesch wird an diesem Samstag erstmals die deutsche Frauen-Nationalma­nnschaft betreuen und im öffentlich­en Fokus stehen. Aber ohne Assistenti­n Ulrike Ballweg (rechts) würde das kaum gehen.

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