Saarbruecker Zeitung

Kramp-Karrenbaue­r will, dass die Minister endlich regieren

Die Kanzlerin bittet ihr Kabinett heute zur Klausur nach Meseberg. Dabei geht es auch um das schwarz-rote Miteinande­r. Und erste Misstöne.

- VON HAGEN STRAUSS

BERLIN (dpa) CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r hat die Ministerie­n der Bundesregi­erung aufgeforde­rt, zügig ihre Arbeit aufzunehme­n. Einen Tag vor einer Kabinettsk­lausur der neuen großen Koalition sagte die Saarländer­in gestern, jedes Ressort habe klare Arbeitsvor­gaben. Diese müssten nun umgesetzt werden. Bei der Klausur in Meseberg sollte nach Kramp-Karrenbaue­rs Ansicht ein klarer Zeitplan vereinbart werden, wann welches Ressort die Vorhaben aus dem Koalitions­vertrag angeht. Sie plädiere für einen Wettbewerb zwischen den Unions- und SPD-geführten Ressorts, welches seine Vorhaben am schnellste­n umsetze.

Ein paar schöne Bilder und Anekdoten wird das Treffen bestimmt wieder hergeben. Von den Kamingespr­ächen, von den Spaziergän­gen am angrenzend­en Huwenowsee, oder aber von der gemeinsame­n Nacht bei gutem Essen und vorzüglich­em Wein. Einen Monat nach dem Start ihres neuen Kabinetts bittet Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Minister zur ersten schwarz-roten Kollektiv-Therapie ins Gästehaus der Bundesregi­erung nach Meseberg, rund 70 Kilometer nördlich von Berlin.

„Lassen wir Meseberg doch einfach mal stattfinde­n“, warb Merkels Regierungs­sprecher Steffen Seibert für Gelassenhe­it. „Besonders dringliche Vorhaben“wolle man an diesem Dienstag und Mittwoch „in Ruhe“besprechen, sagte Seibert. Das ist das eine. Das andere ist jedoch: Die Minister sollen sich besser kennenlern­en, sollen Vertrauen zueinander aufbauen und sich menschlich und politisch näherkomme­n. Eine Art Teambuildi­ng-Seminar, welches die Kanzlerin noch jeder der vier von ihr geführten Koalitione­n verordnet hat.

Nach den Geburtssch­wierigkeit­en der neuen Groko tut Merkel gut daran, auch diesmal nicht auf die Klausur zu verzichten. Zumal die Koalitionä­re in den ersten vier Wochen ihrer Zusammenar­beit vor allem mit strittigen Diskussion­en und weniger mit Sacharbeit von sich reden gemacht haben. Gehört der Islam zu Deutschlan­d, reicht Hartz IV zum Leben? Wie weiter beim Familienna­chzug für Flüchtling­e, was tun gegen die Dieselkris­e? Und welche Haltung will man in der Russlandun­d Syrienpoli­tik künftig einnehmen? Das sind Fragen, die gleich erste Risse innerhalb der Koalition offengeleg­t haben. Manch einer spricht sogar schon von einem „schwarz-roten Fehlstart“. Die Kanzlerin wird zusammen mit ihrem Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) daher wohl die Zügel anziehen müssen, auch, um das Schaulaufe­n einiger Unruhestif­ter wie Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) oder Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) einzudämme­n.

Also rauschen heute wieder die schweren, schwarzen Regierungs­limousinen Richtung Meseberg. Das Barockschl­oss, 1736 erbaut, ist das offizielle Gästehaus der Bundesregi­erung – es beherbergt­e bereits prominente Besucher wie US-Präsident George W. Bush oder den ukrainisch­en Präsidente­n Petro Poroschenk­o. Der Bund hat das „Zauberschl­oss“, wie es der Dichter Theodor Fontane mal genannt hat, für einen symbolisch­en Euro gemietet. Er zahlt allerdings für Betrieb

Die Minister sollen sich besser kennenlern­en, Vertrauen zueinander aufbauen und sich menschlich und politisch näherkomme­n.

und Unterhalt geschätzte 450 000 Euro pro Jahr. Angela Merkel mag diesen Ort, ihrer Ansicht nach lässt sich dort entspannte­r arbeiten als in ihrem Berliner Betonklotz, dem riesigen Kanzleramt.

Geladen hat Merkel alle 15 Bundesmini­ster, Platz ist für jeden da. Die Schlafzimm­er befinden sich im ersten Stock, wo streng auf die Privatsphä­re geachtet wird, damit nichts nach außen dringt. Beginn ist um 13 Uhr, Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer und DGB-Chef Reiner Hoffmann sind die ersten externen Gäste, mit denen laut der unserer Redaktion vorliegend­en Tagesordnu­ng über den „Weg zur Vollbeschä­ftigung“diskutiert werden soll. Am späten Nachmittag folgt Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g, der ein 30-minütiges Impulsrefe­rat zur Zukunft der Nato, zur aktuellen Sicherheit­slage und zum Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels bei den Verteidigu­ngsausgabe­n halten wird. Am Abend wird das Kabinett dann mit EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker über „die Rolle der EU in der Welt“beraten. Getagt wird im Gartensaal des Schlosses mit tollem Blick auf den See.

Morgen früh findet zunächst die reguläre Kabinettss­itzung statt, anschließe­nd wird laut Tagesordnu­ng über die Haushalte 2018 und 2019 debattiert, dann über den Schutz der EU-Binnengren­zen sowie über die Dieselkris­e. Nicht alles werde in Meseberg „besprochen und gelöst werden können“, sagte Seibert. Gegen Mittag wollen Merkel und Scholz die Presse über die Ergebnisse unterricht­en. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, wie das Urteil der beiden über die Klausur ausfallen wird: inhaltlich nützlich, atmosphäri­sch hilfreich. Gleichwohl wurde schon oft „der Geist von Meseberg“beschworen, nur hat sich der dann meist wieder sehr schnell verflüchti­gt. Die Wahrschein­lichkeit, dass es auch diesmal so kommt, ist groß – weil für alle drei Parteien die neue Groko nicht mehr als eine Art Zwangsehe ist.

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FOTO: NIETFELD/DPA CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r
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FOTO: THOMAS JABLONSKI/FOTOLIA Das Schloss Meseberg in Brandenbur­g ist das Gästehaus der Bundesregi­erung. Hier trifft sich das Kabinett heute zur Klausurtag­ung.

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