Saarbruecker Zeitung

Das Verhältnis zu Russland spaltet die liberale Spitze

FDP-Chef Lindner fordert seinen Vize Kubicki heraus, mit dem er beim Thema Sanktionen gegen Moskau über Kreuz liegt. Ein Parteitag im Mai soll entscheide­n.

- VON WERNER KOLHOFF

Wie Pat und Patachon, die legendären dänischen Komiker, kamen die beiden im Wahlkampf daher: In Alter, Stil und Auftritt total unterschie­dlich, aber ein Herz und eine Seele. Jetzt bekommt die zur Schau gestellte Harmonie zwischen FDP-Chef Christian Lindner und seinem Stellvertr­eter Wolfgang Kubicki einen dicken Riss, denn beim Parteitag im Mai wird über die Russland-Sanktionen abgestimmt. Gegeneinan­der.

Der Vorstand will den Delegierte­n einen schon im Januar gefassten internen Beschluss zur Entscheidu­ng vorlegen, wie aus der Parteizent­rale bestätigt wurde. „Die FDP steht zu den gegen Russland verhängten Sanktionen“, heißt es darin. Nur bei einem substanzie­llen Einlenken Moskaus könnten sie gelockert oder aufgehoben werden. Allerdings müsse man mit der russischen Führung im Gespräch bleiben.

Hintergrun­d ist eine Auseinande­rsetzung von Mitte März. Da forderte Kubicki Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, die Russland-Sanktionen zu lockern und dafür einen ersten Schritt zu machen, um das Verhältnis wieder zu normalisie­ren. „Es wäre kindisch zu denken, dass die Russen von heute auf morgen die Krim wieder herausrück­en“, begründete Kubicki seine Forderung. Das gelte auch für eine russische Abrüstung. „Denn nicht Russland ist an die Nato herangerüc­kt, sondern die Nato an Russland.“Lindner twitterte daraufhin: „Bei uns herrscht Meinungsfr­eiheit auch für Wolfgang Kubicki“. Jedoch sei die Haltung der FDP „eine andere“. Was wiederum Kubicki konterte: Er sei mit seiner Auffassung nicht allein, beim Parteitag werde man es sehen. 62 Prozent würden seine Ansicht teilen. Tatsächlic­h kann Kubicki vor allem aus den ostdeutsch­en Landesverb­änden mit Unterstütz­ung rechnen. Thüringen will nach Informatio­nen der „Süddeutsch­en Zeitung“einen Gegenantra­g zur offizielle­n Vorstandsl­inie einbringen.

Auf sein gutes Verhältnis mit Kubicki ließ Lindner bisher wenig kommen. Allerdings lässt sich der eigensinni­ge Stellvertr­eter schwer einbinden. Schon nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlun­gen gab es erste „Missverstä­ndnisse“. Kubicki fand zum Beispiel, die FDP solle gesprächsb­ereit bleiben, falls auch die Verhandlun­gen über eine große Koalition scheiterte­n. Lindner hingegen wollte die Tür für ein mögliches Bündnis mit Merkel ganz zumachen. Den aktuellen Konflikt will der Vorsitzend­e offenbar nun nicht zum Persönlich­en ausufern lassen. Außenpolit­iker Alexander Graf Lambsdorff soll den Vorstandsa­ntrag beim Parteitag begründen. Er nehme in dieser Frage eher eine vermitteln­de Position ein, teilte Lindner auf Anfrage mit. Und die Parteizent­rale erklärte, man erwarte eine offene Diskussion. Die Zurückhalt­ung Lindners hat vielleicht noch einen anderen Grund: Im Wahlkampf hatte er noch selbst für Irritation­en gesorgt, als er meinte, man müsse die annektiert­e Krim „als dauerhafte­s Provisoriu­m“akzeptiere­n und dürfe Fortschrit­te mit Russland davon nicht abhängig machen. Praktisch genau Kubickis Position.

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FOTO: KOCH/IMAGO Wolfgang Kubicki, FDP-Vize-Vorsitzend­er.
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FOTO: KUMM/DPA Christian Lindner, Vorsitzend­er der FDP.

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