Ferngesteuerter Missbrauch aus dem Wohnzimmer
Überzwei Jahre hatein Mann aus Oberbayern KinderperWebcam zusexuellen Handlungen aufgefordert. Seitheute muss ersich vorGerichtverantworten.
TRAUNSTEIN (dpa) Der Mann saß zu Hause in seiner Wohnung in Oberbayern – und gab von dort aus Anweisungen für den sexuellen Missbrauch von Kindern auf der anderen Seite der Welt. Unter einem Pseudonym chattete der 48-Jährige mit einer Philippinin, die ihm ihre drei kleinen Kinder im Internet anbot. Für Spielchen, die der Kunde per Videokamera sehen wollte und dafür über zwei Jahre mehrere Tausend Euro zahlte. Seit heute muss er sich vor dem Landgericht Traunstein verantworten. Ihm wird Anstiftung zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern sowie der Besitz kinderpornografischer Bilder und Videos vorgeworfen. Es ist einer der ersten Prozesse um diese Art von Kinderpornografie und Missbrauch in Deutschland.
Das Phänomen des sogenannten Webcam-Kindersextourismus (WCST) gibt es seit wenigen Jahren und entwickelte sich mit der Verbreitung des Internets in Südostasien. Bei dieser Form des sexuellen Missbrauchs werden Kinder vor der Webcam geschändet, während der Kunde im Ausland das Geschehen live beobachten und den Tätern und Kindern Anweisungen geben kann. Nach Einschätzung des Kinderhilfswerks terre des hommes nimmt WCST immer heftigere Züge an. Die Gewalt werde extremer, erklärte Hans Guyt vom niederländischen Ableger der Organisation. „Vergewaltigungen und Folter sind nicht mehr außergewöhnlich.“
Und die Opfer würden immer jünger – bis hin zu Säuglingen. Das Kinderhilfswerk betont: „Der Weg über das Internet ermöglicht Missbrauchern den direkten Zugang zu ungeschützten Kindern gegen ein geringes Entgelt, was bedeutet, dass sie Opfer in anderen Ländern leichter und häufiger missbrauchen können als je zuvor.“Zehn bis 100 US-Dollar zahle ein Kunde im Schnitt pro „Show“.
Genaue Zahlen zu dieser Form des Missbrauchs nennt das Bundeskriminalamt (BKA) nicht. Wie in dem gesamten Bereich gebe es aber eine hohe Dunkelziffer, sagt Matthias Wenz vom Referat zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen. Die Ermittlungen gestalteten sich schwierig. 8400 Verdachtsfälle aus dem Gesamtbereich Kinderpornografie mussten demnach ad acta gelegt werden, weil mangels Vorratsdatenspeicherung Beweise fehlten. Nur selten stießen die Ermittler auf einen größeren Personenkreis, der sich austausche und auch persönlich kenne.
Generell ließen sich die Täter schwer einordnen, sagt Wenz. „Sexueller Missbrauch zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten, unabhängig von Job oder Vermögen.“Fachleute von terre des hommes haben vor Jahren mit einer Lockvogelaktion 1000 Kunden identifizieren können, darunter 44 aus Deutschland. Auch Frauen seien unter den Tätern gewesen. Die Kunden seien meist in reichen Ländern zu Hause, die Opfer in ärmeren. Von einem sozialen und wirtschaftlichen Gefälle spricht auch Wenz: Es gebe Familien, die „in vollem Bewusstsein ihre Kinder anbieten, um Geld zu verdienen und somit zu überleben“.
Wenn die Vorwürfe stimmen, missbrauchte die philippinische Mutter ihre Kinder auf Wunsch des Angeklagten. Teils forderte der Mann sie auf, ihre Kinder gegenseitig Sexpraktiken vor der Webcam ausführen zu lassen. Nur bei wenigen Wünschen lehnte die Mutter ab. Dem Angeklagten drohen zwei bis 15 Jahre Freiheitsstrafe. Was mit der Mutter und den Kindern geschieht, bleibt zunächst offen.