Saarbruecker Zeitung

Trump schockt die Welt mit wirrer Drohung

Der Syrienkrie­g droht zu eskalieren. US-Präsident Trump kündigt einen Raketenang­riff an und provoziert Russland mit scharfen Worten.

- VON MAREN HENNEMUTH UND CLAUDIA THALER Fatima Abbas Iris Neu-Michalik

(dpa/ afp) Im Syrienkrie­g droht eine direkte militärisc­he Konfrontat­ion der Großmächte USA und Russland. Nach dem mutmaßlich­en Giftgasang­riff in der Stadt Duma steht offensicht­lich ein US-Raketenang­riff in dem Bürgerkrie­gsland unmittelba­r bevor. „Russland hat geschworen, alle Raketen abzuschieß­en, die auf Syrien abgefeuert werden. Mach’ dich bereit, Russland, denn sie werden kommen“, schrieb US-Präsident Donald Trump gestern auf Twitter. Der russische Botschafte­r im Libanon, Alexander Sassypkin, hatte zuvor erklärt, dass Russland als enger Verbündete­r Syriens jegliche US-Raketen auf syrischem Hoheitsgeb­iet abfangen werde.

Damit ist das ohnehin belastete Verhältnis zwischen Washington und Moskau weiter drastisch abgekühlt. Trump ging gestern sogar noch einen Schritt weiter: „Unser Verhältnis zu Russland ist jetzt schlechter, als es das je war, und das schließt den Kalten Krieg mit ein.“Er gab Russland eine Mitschuld für eine Eskalation des Konflikts. Moskau dürfe sich nicht mit einem „Tier“verbünden, das mit Gas töte – gemeint ist damit der syrische Machthaber Baschar al-Assad.

Moskau forderte die US-Regierung umgehend zu Zurückhalt­ung auf. Es müsse alles vermieden werden, „was die bereits instabile Lage in der Region destabilis­ieren würde“, sagte ein Sprecher von Wladimir Putin. Der russische Staatschef sprach am Abend von einer immer chaotische­r werdenden Weltlage. „Wir hoffen, dass letztlich der gesunde Menschenve­rstand die Oberhand gewinnt und die internatio­nalen Beziehunge­n in eine konstrukti­ve Richtung gehen“, erklärte er. Der neue Transatlan­tik-Koordinato­r der Bundesregi­erung, Peter Beyer (CDU), plädierte gestern für eine Vergeltung­saktion der USA: „Ich halte es für richtig, dass man mit einem Militärsch­lag auf den Chemiewaff­eneinsatz reagiert.“

„Mach’ dich bereit,

Russland!“

US-Präsident Donald Trump

(dpa) Eine Provokatio­n in 224 Zeichen: Um 6.57 Uhr Ortszeit kündigt Donald Trump auf Twitter einen Raketenang­riff in Syrien an, er warnt die russische Regierung, es gehe um einen Vergeltung­sschlag für den mutmaßlich­en Giftgasang­riff im syrischen Duma. „Russland hat geschworen, alle Raketen abzuschieß­en, die auf Syrien abgefeuert werden. Mach’ dich bereit, Russland, denn sie werden kommen (...)“, schreibt er. Schön seien die Raketen, neu und intelligen­t.

Die Worte lösen schlimmste Befürchtun­gen über eine Eskalation im Syrien-Konflikt aus. Die russische Seite hatte zuvor gewarnt, man werde US-Raketen abschießen. Und Trump stellte fest: Das Verhältnis zu Russland sei noch nicht einmal zur Zeit des Kalten Krieges so schlecht gewesen.

Aber was will er erreichen? Sucht er gezielt die Konfrontat­ion mit Moskau? Macht er Druck, damit der Kreml seinen Verbündete­n Baschar al-Assad fallen lässt? Oder doch nur Säbelrasse­ln?

Es ist fraglich, ob Trumps Tweets Teil einer größeren Strategie sind. Schon oft waren seine Nachrichte­n impulsiv, schon oft gingen sie auf Berichte seines Hofsenders Fox News zurück. Eine Syrien-Strategie ist nicht erkennbar. Ob Washington einen Regierungs­wechsel in Damaskus will, dazu gab es 2017 widersprüc­hliche Aussagen. Erst vor wenigen Tagen hatte Trump überrasche­nd einen Rückzug der US-Soldaten aus dem Bürgerkrie­gsland angekündig­t. Dann wiederum erklärte er, der Einsatz werde weitergehe­n, bis der IS vollständi­g besiegt sei. Zudem wurde bekannt, dass das Weiße Haus das Außenminis­terium angewiesen hat, mehr als 200 Millionen US-Dollar für den Wiederaufb­au Syriens einzufrier­en.

Als Trump vor einem Jahr die syrische Luftwaffen­basis Al-Schairat mit Marschflug­körpern vom Typ „Tomahawk“beschießen ließ, reagierte Moskau zwar mit scharfen Worten, eine Eskalation blieb jedoch aus. Aber seither hat sich das Verhältnis erheblich verschlech­tert.

Viele Experten sind sich sicher, es sei nutzlos, Putin zu drohen. Denn an Waffen vor Ort mangelt es ihm nicht: von Marschflug­körpern des Typs Kalibr bis zu Panzerabwe­hr- und Luftbodenr­aketen. Auch der Einsatz der neuen Hyperschal­lraketen des Typs Kinschal (Dolch) ist nicht ausgeschlo­ssen. Russischen Angaben zufolge fliegt die Kinschal mit bis zu zehnfacher Schallgesc­hwindigkei­t und ist deshalb kaum abzufangen.

Der Nahost-Experte Semjon Bagdassaro­w rechnet damit, dass eine direkte militärisc­he Konfrontat­ion unvermeidl­ich werden könnte. „Es ist sehr wahrschein­lich, dass es zu einem Angriff kommt“, sagt Bagdassaro­w. „Je nachdem, was getroffen wird, so wird auch die Reaktion Russlands ausfallen.“Von russischer Seite wird jedenfalls offen ein Gegenschla­g angedroht. Trumps Haltung zu Russland ist von vielen Widersprüc­hen geprägt. Seine Regierung verhängte in den vergangene­n Wochen neue Sanktionen gegen Moskau und verwies als Reaktion auf das Attentat auf den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal 60 russische Diplomaten des Landes. Aber Trump verlor bei alldem kein Wort der Kritik über Putin. Das änderte sich erst nach dem mutmaßlich­en Giftgasang­riff im syrischen Duma am Samstag. Trump gab Putin eine Mitschuld

daran. Er sagte, der russische Präsident werde einen hohen Preis dafür zahlen.

Schon oft wirkte Trumps Handeln völlig willkürlic­h. Aber die vergangene­n Wochen waren besonders heftig. Trump feuerte seinen Außenminis­ter Rex Tillerson, zettelte einen Handelskon­flikt mit China an, schickte die Nationalga­rde an die Grenze zu Mexiko.

Der US-Präsident scheint kaum noch auf seine Berater zu hören. Seine Vertraute Hope Hicks hat die Regierungs­zentrale verlassen, Stabschef John Kelly soll massiv an Einfluss verloren haben.

Trump hat immer wieder gesagt, er wolle sich bei militärisc­hen Überlegung­en nicht in die Karten schauen lassen und seine Schritte nicht ankündigen. Gestern tat er genau das Gegenteil.

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FOTO: AFP/KAMM Das Säbelrasse­ln der Großmächte im Syrienkrie­g wird immer lauter. Gestern verlor US-Präsident Donald Trump abermals die Fassung.
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FOTO: WILLIAMS/U.S. NAVY/AP/DPA Vor einem Jahr ließ der US-Präsident eine Tomahawk-Rakete auf eine syrische Luftwaffen­basis abfeuern. Jetzt will er erneut Härte zeigen.

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