Saarbruecker Zeitung

Holpriger Start in die Groko-Zukunft

Die Klausur des neuen Bundeskabi­netts im Schloss Meseberg war ein erstes Kennenlern­en. Jetzt sollen die Inhalte folgen.

- VON RUPPERT MAYR, GEORG ISMAR UND JÖRG BLANK

(dpa) Zumindest das Führungsdu­o der neuen großen Koalition gibt sich harmonisch. „Der Wille zur Einigung ist da“, zieht Kanzlerin Angela Merkel nach den knapp 24 Stunden von Meseberg ihr Fazit. „Das war eine gute Klausurtag­ung“, meint auch Olaf Scholz zum Treffen von Merkels vierter Regierungs­mannschaft im idyllische­n Barockschl­oss nördlich von Berlin.

2014 hatten hier einige Kabinettsm­itglieder auf der Suche nach dem „Geist von Meseberg“Himbeergei­st gefunden. „Über Himbeergei­st hab’ ich mich nicht informiert“, sagt Merkel nun anno 2018 auf die Frage, ob dieser auch wieder zu später Stunde kredenzt wurde. Große Entscheidu­ngen fallen nicht – es geht vor allem ums Atmosphäri­sche. Von 15 Ministern sind immerhin 13 neu auf ihren Posten. Doch so sehr sich Kanzlerin und Vizekanzle­r bemühen, Aufbruchst­immung zu verbreiten – so richtig kommt das nicht rüber.

Merkel und Scholz bieten keine großen Beschlüsse. Die schon in der vergangene­n Groko zugesicher­te Vollbeschä­ftigung bis 2025 verkaufen sie jetzt wieder. Bei den Diesel-Fahrverbot­en bleibt Merkel vage. In 66 Städten gebe es derzeit Grenzwertü­berschreit­ungen, mit weiteren Maßnahmen soll diese Zahl auf rund zehn reduziert werden, staatliche Hilfe für teure technische Nachrüstun­gen sieht sie eher skeptisch. Sie seien „relativ kosteninte­nsiv“, sagte sie, machte aber deutlich, die Regierung habe „ganz klare Erwartunge­n“an die Autoindust­rie, die „erkennbar gravierend­e Fehler“gemacht habe. „Dafür kann weder der Kunde gerade stehen noch der Steuerzahl­er.“Die Bundesregi­erung werte derzeit noch verschiede­ne Gutachten zu Hardware-Nachrüstun­gen aus. In den nächsten Wochen werde es ein Ergebnis geben. Die Autobranch­e habe zugesagt, Software-Updates bis Ende 2018 abzuschlie­ßen. Ein weiterer „großer“Auto-Gipfel sei vorerst nicht geplant.

Und während US-Präsident Donald Trump via Twitter Russland mit Raketen in Syrien droht, bleibt die deutsche Rolle in dem eskalieren­den Konflikt bisher unklar. Merkel will sich nicht festlegen, ob sie sich hinter einen Angriff der USA stellen würde.

Eine Prioritäte­nliste für die anstehende Arbeit? Bis auf den ohnehin bald fälligen Bundeshaus­halt für das laufende Jahr ohne neue Schulden („Schwarze Null“) – Fehlanzeig­e. „Das Ziel der Klausur war nicht, eine detaillier­te Vorhabenpl­anung zu diskutiere­n“, betont Merkel mit Blick auf Gäste wie Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer, DGB-Chef Reiner Hoffmann, Nato-Generalsek­retär Jens Stolenberg und EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker. Und Scholz sekundiert, die Vorhabenli­ste stehe ja im 177-seitigen Koalitions­vertrag.

Wie es wirklich weitergehe­n dürfte, hatte zuvor CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt mehr als deutlich gemacht. „Ich rate dazu, nicht den Fehler der Vergangenh­eit zu wiederhole­n und Debatten zu vermeiden.“Wer Maulkörbe verteilen wolle, ernte den Protest der Bürger, sagte er Richtung SPD. Die hatte von Merkel ein Machtwort verlangt angesichts von Debatten über den Islam oder Flüchtling­snachzug. „An der Wahlurne gibt es keine Maulkörbe“, sagt Dobrindt. Damit macht der CSU-Politiker einmal mehr deutlich, worum es der CSU jetzt in erster Linie geht: Die Landtagswa­hl in Bayern möglichst mit absoluter Mehrheit zu gewinnen. Dobrindt macht ähnlich wie der jetzige Gesundheit­sminister Jens Spahn kaum einen Hehl daraus, dass er an die NachMerkel-Ära denkt. Und Merkel gerät durch den konservati­ven Parteiflüg­el mit Frontmann Spahn unter Druck. Dessen Positionen insbesonde­re in der Flüchtling­spolitik dürften jetzt mehr Nachhall in der CDU finden als zuvor. Dazu kommt eine SPD, die sich im Zwiespalt zwischen Regieren und Erneuern befindet. Es kommt also auch auf Andrea Nahles an, ob sie nach ihrer geplanten Wahl zur Vorsitzend­en am 22. April die Partei tatsächlic­h befrieden kann. Merkel versucht, das Hickhack zu relativier­en.

Vor der Abreise kommt ihr noch eine kleine Spitze gegen die Unruhestif­ter Seehofer und Spahn über die Lippen: „Jeder hat genug Arbeit, da bleibt nicht viel Zeit für anderes“, sagt sie. „Jeder hat so sein Päckchen zu tragen.“

„Jeder hat genug Arbeit, da bleibt nicht viel Zeit

für anderes.“

Kanzlerin Angela Merkel (CDU)

über ihre Vorstellun­g von der künftigen

Zusammenar­beit in der Groko

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FOTO: VON JUTRCZENKA/DPA Sie marschiere­n gemeinsam los, auch wenn es kein Spaziergan­g wird: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) können nach der Kabinettsk­lausur auf Schloss Meseberg in Brandenbur­g inhaltlich nur wenig vorweisen.

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