Saarbruecker Zeitung

Die späte Reue des Mark Zuckerberg

Vage Zugeständn­isse und demonstrat­ive Bescheiden­heit prägen die Aussagen des Facebook-Chefs vor dem US-Kongress.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Die Krawatte ist fliederfar­ben, der Anzug marineblau. Das graue T-Shirt, in dem er sich sonst so gern zeigt, hat Mark Zuckerberg gegen ein blütenweiß­es Hemd eingetausc­ht, wie man es im US-Kongress nun einmal trägt. Schon die Optik soll Kritiker beschwicht­igen, zum Beispiel Donald Trumps neuen Wirtschaft­sberater Larry Kudlow, einen Siebzigjäh­rigen, der pikiert gefragt hatte, ob sich der Mann denn endlich wie ein Erwachsene­r zu kleiden verstehe oder etwa in Latzhosen erscheine. Offenbar um größer zu wirken, sitzt Zuckerberg in seinem Sessel auf einem ziemlich dicken Kissen, bereit, sich in einer gemeinsame­n Marathonsi­tzung des Rechts- und des Handelsaus­schusses von 42 Senatoren befragen zu lassen.

Fünf Stunden wird die Anhörung dauern, es ist ein Ausflug auf fremdes Terrain, denn Zuckerberg fliegt nicht gern nach Washington. Waren dort die eigenen Interessen zu vertreten, überließ er das bisher gern seiner rechten Hand Sheryl Sandberg, die einmal Stabschefi­n beim früheren Finanzmini­ster Larry Summers war. Er selbst dachte gar nicht daran, Kalifornie­n für einen Auftritt im Parlament zu verlassen.

Was ein Datenskand­al doch für einen Unterschie­d macht. Reue zur Schau stellen, geduldig antworten, im Allgemeine­n Besserung geloben und dabei allzu konkrete Zugeständn­isse vermeiden, so ließe sich die Verteidigu­ngsstrateg­ie des Facebook-Chefs zusammenfa­ssen. Zuckerberg hat für den Auftritt geübt, wie es Präsidents­chaftsanwä­rter vor einer Kandidaten­debatte tun, beraten durch hochkaräti­ge Experten für Rhetorik und Stil. „Wir haben unsere Verantwort­ung nicht breit genug gesehen, und das war ein großer Fehler“, liest er zunächst aus einer vorbereite­ten Erklärung. „Es war mein Fehler, und es tut mir leid. Ich habe Facebook gegründet, ich betreibe es, ich bin verantwort­lich für das, was hier geschieht.“Nur seien Pannen fast unvermeidl­ich, wenn man ein Unternehme­n in einem Internatsz­immer gründe und es dann bis zur heutigen Größe ausbaue, bittet er um Verständni­s.

Das Mea culpa eines noch unlängst gefeierten Genies, manche stimmt die Pose tatsächlic­h milde, andere lassen den Milliardär ihre Skepsis spüren. Ausgelöst wurde die Krise durch den Skandal um das Abschöpfen der Daten von bis zu 87 Millionen Facebook-Nutzern durch die Politikber­atungsfirm­a Cambridge Analytica, die im Anschluss für die Kampagne des damaligen Präsidents­chaftskand­idaten Donald Trump genutzt wurden. Im Kongress ist es denn auch die Opposition, die am schärfsten Kritik übt.

Man habe solche Kniefall-Tourneen schon früher erlebt, „aber ich sehe nicht, wie sie ihr Geschäftsm­odell ändern, solange nicht andere Straßenver­kehrsregel­n gelten“, sagt Richard Blumenthal, ein Demokrat aus dem Ostküstens­taat Connecticu­t. „Ihr Geschäftsm­odell besteht darin, den Profit über die Privatsphä­re zu stellen.“Er sei keineswegs sicher, schiebt der Senator hinterher, ob vage Zusicherun­gen konkretes Handeln zur Folge hätten. Später

„Ihr Geschäftsm­odell besteht darin, den

Profit über die Privatsphä­re zu stellen.“

Richard Blumenthal

Senator des US-Bundesstaa­ts Connecticu­t

macht er in Interviews deutlich, dass er dem sozialen Netzwerk nicht zutraut, sich freiwillig strengeren Regeln zu unterwerfe­n. Nur ein Gesetz könne dies garantiere­n, ergo stehe der Kongress in der Pflicht.

Richard Durbin, Blumenthal­s Parteifreu­nd aus Illinois, fragt Zuckerberg, ob er wohl verrate, in welchem Hotel er die letzte Nacht verbracht habe. Die Antwort ist – nach sekundenla­ngem Zögern – ein Nein, was Durbin die erhoffte Steilvorla­ge liefert. „Das ist es ja, worum es bei alledem geht. Es geht um ihr Recht auf Privates und darum, wie viel sie davon im heutigen Amerika abgeben wollen im Namen des, ich zitiere, Vernetzens von Menschen in aller Welt.“

Aber auch in den republikan­ischen Reihen mangelt es nicht an Politikern, die das Rampenlich­t nutzen, um sich durch harte Töne zu profiliere­n. Lindsey Graham, ein Parlaments­veteran aus South Carolina, kommt mit einem Vergleich aus der Autowelt. Wer sich über seinen Ford ärgere, kaufe sich eben einen Chevy. Zu wem man wohl wechseln könne, wenn einem Facebook auf die Nerven gehe. „Glauben sie nicht, dass sie ein Monopol haben?“Ted Cruz, vor zwei Jahren einer der Konservati­vsten unter den Bewerbern fürs Oval Office, beschwert sich über Internet-Zensoren, die rechtsgeri­chtete Inhalte löschten, während sie auf dem linken Auge blind seien.

Manche indes, vor allem ältere Jahrgänge, scheint das Phänomen Social Media noch immer vor Rätsel zu stellen. Einige stolpern über technische Begriffe, man merkt, dass sie Fragen verlesen, die ihnen Mitarbeite­r aufgeschri­eben haben, ohne im Dialog kritisch nachhaken zu können. Die Wissenslüc­ken geben Zuckerberg Gelegenhei­t, bei aller demonstrat­iven Bescheiden­heit ein wenig Nachhilfeu­nterricht zu geben. So nervös er anfangs wirkte, mit der Zeit entspannt er sich. Er spürt, dass er die meisten Klippen umschiffen kann, zumindest die Klippen auf Capitol Hill. Wann immer es eng wird, verweist er auf sein Team, das demnächst genauere Informatio­nen liefern werde.

Was er am meisten bedauere, räumt er irgendwann ein, sei die Tatsache, dass er 2016 die russische „Informatio­nsoperatio­n“im USWahlkamp­f zu spät erkannt habe. Solange in Russland Leute säßen, deren Job es sei, sich rund um den Globus in Wahlen einzumisch­en, sei dies ein andauernde­r Konflikt. Ohne hundertpro­zentige Erfolgsgar­antie. „Es ist ein Wettrüsten“, sagt Mark Zuckerberg.

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FOTO: HARNIK/DPA Mit selbstsich­erem Blick stellt sich Mark Zuckerberg den Fragen der US-Senatoren.

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