Saarbruecker Zeitung

Wenn Verlieren zur besten Option wird

Immer mehr Mannschaft­en aus der NBA und der MLB gehen diesen Weg – und verspreche­n sich dadurch eine bessere Zukunft.

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Berliner Moritz Wagner teilnehmen dürfte, gilt in diesem Jahr als ausgesproc­hen gut besetzt.

Dass „tanking“funktionie­ren kann, ist erwiesen. Etwa im Baseball. Die Chicago Cubs zerlegten ab 2012 ihr bis dahin mittelmäßi­ges Team, nahmen in Kauf, dass sie zunächst mal zum Prügelknab­en wurden, sicherten sich dadurch aber viele gute Nachwuchss­pieler. Sie bauten eine neue Mannschaft auf, ergänzten sie durch erfahrene Akteure, die frei auf dem Markt waren – und gewannen 2016 erstmals nach 108 Jahren wieder den Titel. Die Houston Astros nahmen den gleichen Weg – und siegten 2017.

„Ich denke nicht, dass es funktionie­rt“, hatte NBA-Chef Adam Silver bei seinem Amtsantrit­t vor fünf Jahren über „tanking“gesagt: „Ich habe auch noch nicht gesehen, dass irgendwer in der Liga damit Erfolg hatte.“Mittlerwei­le muss Silver feststelle­n, dass es durchaus funktionie­ren kann. Das Musterbeis­piel sind die Philadelph­ia 76ers. 2012 nahm der damalige Manager Sam Hinkie den ganzen Laden auseinande­r. Die Anhänger beruhigte er mit dem Satz: „Trust the process.“Vertraut unserem Weg. Nicht alles klappte so, wie Hinkie das geplant hatte, aber immer noch gut genug. 2014 und 2015 wählten die 76ers im Draft jeweils an dritter Stelle, 2016 und 2017 an erster seine Toptalente. Ein paar gute Tauschgesc­häfte kamen hinzu, nachdem 2015 Hinkie durch Bryan Colangelo abgelöst worden war. Nach einer beeindruck­enden Saison stehen die 76ers erstmals seit 2012 in den Playoffs – die Nachwuchsl­eute Joel Embiid (ausgewählt 2014) und Ben Simmons (2016) wachsen zu Superstars heran.

Weil „tanking“klappt, ist der sportliche Wettbewerb verzerrt. In der NBA waren vor dieser Saison zahlreiche Mannschaft­en von Beginn an chancenlos beim Kampf um die Teilnahme an den Playoffs, die am Wochenende starten werden. In der 30 Mannschaft­en umfassende­n Baseball-Liga MLB nahmen vor dieser Spielzeit derart viele Clubs ihre Teams auseinande­r, unter anderem aus Kostengrün­den, dass wohl nur ein Dutzend um die sechs Playoff- und vier Qualifikat­ionsplätze spielt. Der Erfolg der Cubs und Astros ist zu verlockend. Das offensicht­liche „tanking“in der MLB

ging so weit, dass die Spielergew­erkschaft gegen die Oakland A’s, Miami Marlins, Tampa Bay Rays und Pittsburgh Pirates Beschwerde bei der MLB einlegte: Die vier genannten Teams würden zu wenig Geld investiere­n und daher auch gar nicht konkurrenz­fähig sein wollen.

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FOTO: GUTIERREZ/AP/DPA Johnathan Motley von den Dallas Mavericks setzt im letzten Saisonspie­l gegen die Phoenix Suns zum Wurf an. Sein Team verlor mit 97:124. Die Verantwort­lichen dürfte das ganz und gar nicht ärgern.

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